Bei mehreren Prozessbevollmächtigten genügt die Zustellung an einen von ihnen. Bei Zustellungen an mehrere Prozessbevollmächtigte ist für den Beginn der Rechtsmittelfrist die zeitlich erste Zustellung maßgeblich. Die Mandatskündigung eines Prozessbevollmächtigten erlangt im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten erst mit Anzeige gegenüber dem Gericht rechtliche Wirksamkeit.

Gemäß § 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO sind Zustellungen an den bestellten Prozessbevollmächtigten zu richten. Bedient sich jemand mehrerer Bevollmächtigter, sind diese nach § 173 VwGO i.V.m. § 84 ZPO berechtigt, den Betreffenden sowohl gemeinschaftlich als auch einzeln zu vertreten, sodass die Zustellung an jeden von ihnen gemäß § 67 Abs. 6 Satz 5 VwGO wirksam bewirkt werden kann. Demzufolge genügt bei mehreren Bevollmächtigten die Zustellung an einen von ihnen1.
Für den Beginn des Laufes prozessualer Fristen ist die zeitlich erste Zustellung ausschlaggebend2. Eine spätere Zustellung an einen weiteren Bevollmächtigten setzt keine neue Rechtsmittelfrist in Lauf. Das Gesetz sieht keine Befugnis des Gerichts vor, durch erneute Zustellung einer Entscheidung die durch eine vorhergehende Zustellung bereits wirksam in Lauf gesetzte Rechtsmittelfrist zu verlängern oder neu in Lauf zu setzen3.
So auch in dem hier vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall:
Die Prozessvollmachten der Kläger für die Rechtsanwälte Dr. G. vom 12.06.2017 sind nicht dahingehend beschränkt gewesen, dass Zustellungen an diese nicht hätten vorgenommen werden dürfen. Gemäß § 81 ZPO i.V.m. § 173 VwGO berechtigt die Vollmacht zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen. Soweit eine Vertretung durch Rechtsanwälte nicht geboten ist, kann eine Vollmacht nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 83 Abs. 2 ZPO beschränkt werden. Sie kann nur für einzelne Prozesshandlungen erteilt oder einzelne Prozesshandlungen können aus dem Umfang der Vollmacht herausgenommen werden. Die Beschränkung der Prozessvollmacht muss unzweideutig zum Ausdruck gebracht werden, denn im gerichtlichen Verfahren sollen über die Reichweite der Vertretungsbefugnis keine Zweifel bestehen4.
Auch der Umstand, dass sich die Kläger durch die Rechtsanwälte Dr. G. nicht mehr vertreten gesehen oder diesen gegenüber möglicherweise das Mandat gekündigt haben, ändert nichts daran, dass sie die Zustellung gegen sich gelten lassen müssen. Denn im Zeitpunkt der Zustellung des Berufungsurteils5 ist die Bevollmächtigung der Rechtsanwälte Dr. G. nicht wirksam erloschen gewesen. Gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 87 ZPO erlangt die Kündigung eines Prozessvertretungsvertrags erst mit der Anzeige gegenüber dem Gericht rechtliche Wirksamkeit. Solange dem Gericht das Ende des bisherigen Vollmachtverhältnisses nicht vorgetragen wird, ist demnach der bisherige anwaltliche Prozessbevollmächtigte für das Gericht bevollmächtigt, für die Kläger Prozesshandlungen vorzunehmen6. Eine Anzeige der Beendigung des Mandatsverhältnisses gegenüber dem Gericht ist weder seitens der Rechtsanwälte Dr. G. noch durch Rechtsanwalt S. oder die Kläger selbst bis zur Zustellung des Berufungsurteils am 8.11.2021 erfolgt. Die Rechtsanwälte Dr. G. haben das Empfangsbekenntnis auch nicht etwa unausgefüllt zurückgeschickt und darauf hingewiesen, dass sie nicht mehr bevollmächtigt seien, sondern haben vielmehr das Empfangsbekenntnis ausgefüllt, unterzeichnet und am 8.11.2021 zurückgesandt.
Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2022 – 1 B 14.22
- BVerwG, Beschlüsse vom 21.12.1983 – 1 B 152.83 – NJW 1984, 2115; und vom 29.04.1997 – 4 B 76.97 – BeckRS 1997, 23086 Rn. 2; Hoppe, in Eyermann, VwGO, 15. Aufl.2019, § 67 Rn. 29[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 31.07.1998 – 9 B 776.98 – NJW 1998, 3582; BGH, Beschluss vom 26.09.2007 – IV ZB 39/06 – BeckRS 2007, 17402 Rn. 5[↩]
- BVerwG, Beschlüsse vom 29.01.1980 – 2 B 76.79 – NJW 1980, 2269; und vom 21.12.1983 – 1 B 152.83 – NJW 1984, 2115; Schenke, in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl.2020, § 67 Rn. 55[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 29.04.1997 – 4 B 76.97 – BeckRS 1997, 23086 Rn. 3; BSG, Urteil vom 02.09.2009 – B 12 P 2/08 R – SozR 4 – 3300 § 110 Nr. 2 = BeckRS 2010, 65994 Rn. 13[↩]
- 8.11.2021[↩]
- vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.04.1997 – 4 B 76.97 – BeckRS 1997, 23086 Rn. 2; OVG Bremen, Beschluss vom 09.08.2016 – 2 LA 102/15, NVwZ-RR 2017, 167 Rn. 9; Hartung/Schramm, in: BeckOK VwGO, Posser/Wolff, Stand Januar 2022, § 67 Rn. 75[↩]