Zweifelhafte Rechtsbehelfe – und die Frist für die Verfassungsbeschwerde

Der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde gebietet die Einlegung auch solcher Rechtsbehelfe, deren Zulässigkeit umstritten und daher zweifelhaft ist.

Zweifelhafte Rechtsbehelfe – und die Frist für die Verfassungsbeschwerde

In den hier vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen Verfassungsbeschwerden wandte sich die Beschwerdeführerin gegen drei Beweisbeschlüsse, die in einem Umgangsverfahren nach § 1686a BGB sukzessive ergangen sind. Diese griffen bereits in irreversibler Weise in ihre Grundrechte ein, so dass ihr ein Zuwarten bis zu einer anfechtbaren Endentscheidung nicht zuzumuten sei.

Soweit sich die Beschwerdeführerin gegen die ersten beiden ergangenen Beweisbeschlüsse wendet, waren ihre Verfassungsbeschwerden mangels Rechtschutzbedürfnis unzulässig. Mit dem dritten Beweisbeschluss hat das Amtsgericht das Beweisthema in der Sache vollständig neu gefasst, so dass die zunächst ergangenen Beschlüsse prozessual überholt sind und für die Beschwerdeführerin keine belastenden Wirkungen mehr entfalten können. Soweit die Beschwerdeführerin den dritten Beweisbeschluss angriff, wahrte diese Verfassungsbeschwerde nicht das Gebot der Rechtswegerschöpfung gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG:

Diese Bestimmung ist Ausdruck des im Verfassungsrecht (Art. 94 Abs. 2 Satz 2 GG) verankerten Grundsatzes der Subsidiarität. Es entspricht der grundgesetzlichen Zuständigkeitsverteilung und Aufgabenzuweisung, dass vorrangig die Fachgerichte Rechtsschutz gegen Verfassungsverletzungen selbst gewähren und etwaige im Instanzenzug auftretende Fehler durch Selbstkontrolle beheben. Ausnahmen vom Gebot der Rechtswegerschöpfung über die in § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG hinaus vorgesehene Möglichkeit, vorab über eine Verfassungsbeschwerde zu entscheiden, sind eng zu begrenzen; sie kommen nur in Betracht, wenn die Erschöpfung des Rechtswegs objektiv nicht geboten und dem Beschwerdeführer subjektiv nicht zuzumuten ist. Erscheint es hingegen nicht offensichtlich ausgeschlossen, Grundrechtsschutz bereits durch die Fachgerichte zu erlangen, ist es dem Beschwerdeführer regelmäßig zuzumuten, den nach einfachem Recht vorgesehenen Rechtsweg zu beschreiten und auszuschöpfen.

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Nichts Anderes kann gelten, wenn die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels nach dem aktuellen Stand von Rechtsprechung und Lehre umstritten und deshalb zweifelhaft ist, ob der in der Sache begehrte Rechtsschutz von dem angerufenen Gericht gewährt wird. In derartigen Fällen ist es grundsätzlich die Aufgabe der Fachgerichte, über die streitige Zulässigkeitsfrage nach einfachem Recht unter Berücksichtigung der hierzu vertretenen Rechtsansichten zu entscheiden. Der Funktion der Verfassungsbeschwerde würde es zuwiderlaufen, sie anstelle oder gleichsam wahlweise neben einem möglicherweise statthaften Rechtsmittel zuzulassen1.

In Rechtsprechung und Lehre wird seit geraumer Zeit die – wenn auch nicht unumstrittene – Ansicht vertreten, dass eine Beschwerdemöglichkeit gegen an sich gemäß § 58 Abs. 1 FamFG isoliert nicht anfechtbare Zwischenentscheidungen dann eröffnet sein soll, wenn diese Zwischenentscheidung bereits zu einem solchen Eingriff in die Grundrechte eines Beteiligten führt, der später nicht oder jedenfalls nicht vollständig behoben werden kann2.

Eine mit der Endentscheidung nicht mehr korrigierbare Beeinträchtigung aufgrund der im Rahmen des angeordneten Sachverständigenbeweises gegenüber dem betroffenen Kind möglicherweise zu offenbarenden leiblichen Vaterschaft eines anderen Mannes als des Ehemannes der Beschwerdeführerin macht diese gerade geltend.

Es war daher geboten und der Beschwerdeführerin auch zumutbar, vor der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde die Statthaftigkeit einer einfachrechtlichen Beschwerde sorgfältig zu prüfen und von ihr auch Gebrauch zu machen, da diese jedenfalls nicht offensichtlich unzulässig ist. Wird eine eingelegte Beschwerde von der Fachgerichtsbarkeit als unzulässig verworfen, weil diese die umstrittene Zulässigkeitsfrage zuungunsten eines Beschwerdeführers beurteilt, bleibt es diesem unbenommen, nach Ergehen einer letztinstanzlichen Entscheidung innerhalb der Frist des § 93 Abs. 1 BVerfGG Verfassungsbeschwerde einzulegen und etwaige Grundrechtsverletzungen durch eine vorangegangene Sachentscheidung zu rügen3.

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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 18. Dezember 2018 – 1 BvR 1240/18

  1. vgl. BVerfGE 68, 376, 379 ff.[]
  2. etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12.12 2012 – 26 W 19/12, FGPrax 2013, S. 89; OLG Nürnberg, Beschluss vom 16.08.2013 – 11 WF 1071/13, NJOZ 2014, S. 333; OLG Frankfurt, Beschluss vom 08.12 2015 – 4 WF 244/15, FamRZ 2016, S. 1799, 1800[]
  3. vgl. BVerfG 68, 376, 381[]