Die Erhebung einer Klage, mit der die Feststellung begehrt wird, zu einer außergerichtlich verfolgten Unterlassung nicht verpflichtet zu sein, begründet regelmäßig keine Erstbegehungsgefahr für das im Feststellungsantrag bezeichnete Verhalten.

Ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter vorbeugender Unterlassungsanspruch besteht nur, soweit ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, der Anspruchsgegner werde sich in naher Zukunft in der fraglichen Weise rechtswidrig verhalten. Eine Erstbegehungsgefahr kann auch begründen, wer sich des Rechts berühmt, bestimmte Handlungen vornehmen zu dürfen. Eine solche Berühmung, aus der die unmittelbar oder in naher Zukunft ernsthaft drohende Gefahr einer Begehung abzuleiten ist, kann unter Umständen auch in Erklärungen zu sehen sein, die im Rahmen der Rechtsverteidigung in einem gerichtlichen Verfahren abgegeben werden. Die Tatsache allein, dass sich ein Beklagter gegen die Klage verteidigt und dabei die Auffassung äußert, zu dem beanstandeten Verhalten berechtigt zu sein, ist jedoch nicht als eine Berühmung zu werten, die eine Erstbegehungsgefahr begründet. Eine Rechtsverteidigung kann aber dann eine Erstbegehungsgefahr begründen, wenn nicht nur der eigene Rechtsstandpunkt vertreten wird, um sich die bloße Möglichkeit eines entsprechenden Verhaltens für die Zukunft offenzuhalten, sondern den Erklärungen bei Würdigung der Einzelumstände des Falls auch die Bereitschaft zu entnehmen ist, sich unmittelbar oder in naher Zukunft in dieser Weise zu verhalten [1].
Danach begründet das der Erhebung der Widerklage vorausgegangene Verhalten des Abgemahnten ‑die Erhebung einer negativen Feststellungsklage- keine Erstbegehungsgefahr für eine Verwirklichung der mit der Widerklage beanstandeten rechtswidrigen Handlung.
Soweit sich der Abgemahnte vorprozessual und gegenüber der Widerklage unter Hinweis darauf verteidigt hat, für die behauptete Rechtsverletzung nicht verantwortlich und zu einer Sicherung des von ihm bereitgestellten WLAN-Internetzugangs nicht verpflichtet zu sein, stellt dies lediglich eine rechtsverteidigende Einlassung dar, die die Annahme einer Erstbegehungsgefahr nicht rechtfertigt.
An einer Erstbegehungsgefahr fehlt es aber auch im Hinblick auf die vom Abgemahnten erhobene Feststellungsklage. Mit der Stellung eines Klageantrags, mit dem die Feststellung begehrt wird, zu einem außergerichtlich verfolgten Begehren nicht verpflichtet zu sein, verfolgt der Feststellungskläger in der Regel den Zweck, sich die Möglichkeit eines bestimmten Verhaltens nach gerichtlicher Klärung offenzuhalten. Daraus kann regelmäßig so auch im Streitfall gefolgert werden, dass der Abgemahnte die Vornahme des im Feststellungsantrag bezeichneten Verhaltens von der gerichtlichen Feststellung seiner Rechtmäßigkeit abhängig machen will. Mithin bringt der Feststellungskläger gerade nicht wie für die Annahme einer Erstbegehungsgefahr erforderlich zum Ausdruck, sich unmittelbar oder in naher Zukunft in der beanstandeten Weise verhalten zu wollen [2].
Im hier entschiedenen Fall bestand für den Bundesgerichtshof auch keine Veranlassung, der Unterlassungsklägerin durch Zurückverweisung an das Berufungsgericht Gelegenheit zur Stellung eines an die veränderte Rechtslage angepassten Antrags zu geben.
Zwar können der Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Anspruch der Parteien auf ein faires Gerichtsverfahren (Art. 47 Abs. 2 Satz 1 EU-Grundrechtecharta; Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art.20 Abs. 3 GG) gebieten, der klagenden Partei durch die Wiedereröffnung der Berufungsinstanz Gelegenheit zu geben, den auf der nach Beendigung der Berufungsinstanz durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes [3] mit Wirkung vom 13.10.2017 erfolgten Ersetzung des Unterlassungsanspruchs durch einen Anspruch auf Sperrmaßnahmen gemäß § 7 Abs. 4 TMG nF gründenden Bedenken gegen die Erfolgsaussichten der Unterlassungsklage durch eine angepasste Antragsfassung Rechnung zu tragen [4].
Im Streitfall hat der mit der Widerklage verfolgte Unterlassungsanspruch allerdings bereits deshalb keine Erfolgsaussicht, weil seine Voraussetzungen schon vor der Neufassung der §§ 7 und 8 TMG nicht vorlagen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. März 2019 – I ZR 53/18
- BGH, Urteil vom 31.05.2001 – I ZR 106/99, GRUR 2001, 1174, 1175 35 bis 37] = WRP 2001, 1076 Berühmungsaufgabe; Urteil vom 17.08.2011 – I ZR 57/09, BGHZ 191, 19 Rn. 44 Stiftparfum, jeweils mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 04.05.2016 – I ZR 58/14, BGHZ 210, 144 Rn. 36 Segmentstruktur[↩]
- BGBl. 2017 I, S. 3530[↩]
- vgl. BGH, GRUR 2018, 1044 Rn. 57 Dead Island[↩]
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