Absatzfonds der Land- und Ernährungswirtschaft

Der Absatzförderungsfonds der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft wurde 1969 als Anstalt des öffentlichen Rechts nach Verabschiedung des Absatzfondsgesetzes gegründet, um über eine zentrale Absatzförderung die Wettbewerbsfähigkeit und die Erlössituation der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft zu verbessern. Zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient sich der Absatzfonds der „Centralen Marketinggesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft mbH“ (CMA) und der „Zentralen Markt- und Preisberichtstelle für Erzeugnisse der Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft GmbH“ (ZMP).

Absatzfonds der Land- und Ernährungswirtschaft

Dem Absatzfonds fließen Beiträge zu, die von den Betrieben nach dem Absatzfondsgesetz erhoben werden. Die Erhebung der Beiträge erfolgt bei den sog. Flaschenhalsbetrieben. Dies sind die Betriebe an den jeweils marktengsten Stellen, die ein landwirtschaftlicher Rohstoff auf seinem Weg zum Verbraucher durchläuft, insbesondere Schlachthöfe, Molkereien, Eierpackstellen, Zuckerfabriken, Ölmühlen oder Brauereien. Die Beiträge zum Absatzfonds belaufen sich im Durchschnitt auf 0,4 Prozent des Warenwertes. Im Zeitraum von 1997 bis 2006 betrug die Gesamthöhe der jährlichen Beitragseinnahmen nach dem Absatzfondsgesetz im Mittelwert ca. 88.000.000,- Euro. Größter Beitragszahler ist die Produktgruppe „Molkereien/Milch“ mit einem jährlichen Beitragsaufkommen von ca. 33.000.000,- Euro, also über 37 Prozent der Gesamteinnahmen.

Die durch das Absatzfondgesetz eingeführte Abgabe war bereits im Jahr 1990 Gegenstand der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 31. Mai 1990, BVerfGE 82, 159). Das Bundesverfassungsgericht sah unter den damals gegebenen Voraussetzungen das Absatzfondsgesetz nur insoweit als verfassungswidrig an, als dieses die Forstwirtschaft in das Absatzfondsgesetz und damit in den Kreis der Abgabenschuldner einbezog.

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In dem der Vorlage des Verwaltungsgerichts Köln zugrunde liegenden Ausgangsverfahren wenden sich die Klägerinnen, drei Unternehmen der deutschen Ernährungswirtschaft (Mühlenunternehmen, Eierpackstelle, Geflügelschlachterei), gegen ihre Heranziehung zu Beiträgen zum Absatzfonds. Sie machen geltend, dass sich die Rechtslage durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 5. November 2002 geändert habe. Dieser hatte das bis dahin nur deutschen Produkten vorbehaltene Gütezeichen der CMA „Markenqualität aus deutschen Landen“ mit europäischem Recht für unvereinbar erklärt, weil dadurch Produkte aus anderen EU-Ländern im Wettbewerb benachteiligt würden.

Das Verwaltungsgericht Köln legte das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht vor, weil es die der Beitragserhebung zugrunde liegenden Vorschriften für verfassungswidrig hält. Es erscheine in hohem Maße zweifelhaft, ob die Erhebung der Sonderabgabe im Hinblick auf ihre Zweckbestimmung noch zulässig ist. Dieser Zweck habe noch 1990 in der Stärkung und dem Schutz der deutschen Agrarwirtschaft in der Konkurrenz zu der anderer Agrarexportländer in den Europäischen Gemeinschaften bestanden. Nach Vollendung des europäischen Binnenmarktes im Bereich der Landwirtschaft stehe dieser Zweck im Widerspruch zu den Zielen eines gesamteuropäischen Marktes. Zudem bestünden erhebliche Zweifel an der Gruppenhomogenität der deutschen Landwirtschaft. Das die Abgabenschuldner verbindende Merkmal seien die Startschwierigkeiten bei dem Übergang in den gemeinsamen Markt gewesen, das nach Vollendung desselben entfallen sei. Zudem hätten die Unternehmen der Ernährungsindustrie in einer Vielzahl von Fällen den europäischen Binnenmarkt dazu genutzt, durch Kooperation mit und durch Übernahme von Marktteilnehmern aus anderen EU-Staaten ihre Absatzmöglichkeiten über den heimischen Markt hinaus zu erweitern. Schließlich sei es wegen des veränderten europarechtlichen Umfeldes nicht mehr möglich, das Aufkommen der Sonderabgabe gruppennützig zu verwenden. Das vorlegende Verwaltungsgericht geht hierbei von einem unlösbaren Zielkonflikt zwischen den Vorgaben des Europarechts und der gesetzlichen Aufgabendefinition des Absatzfonds aus.

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Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts so dies jetzt genau so gesehen und entschieden, dass die Regelungen des Absatzfondsgesetzes zur Abgabenerhebung jedenfalls seit dem 1. Juli 2002 mit dem Grundgesetz (Art. 12 in Verbindung mit Art. 105 und Art. 110) unvereinbar und nichtig sind. Die Abgabe ist eine unzulässige Sonderabgabe, denn es fehlt an einer Finanzierungsverantwortung der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft für die staatliche Absatzförderung.

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde:

Bei der Abgabe nach § 10 Absatzfondsgesetz handelt es sich um eine Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion, die den strengen verfassungsrechtlichen Zulässigkeitsanforderungen an solche Sonderabgaben unterliegt. Diese Anforderungen erfüllt die Abgabe nach § 10 Absatzfondsgesetz nicht. Sie ist keine Steuer, denn sie wird nicht als Gemeinlast auferlegt; den Abgabepflichtigen wird vielmehr als einer bestimmten Gruppe von Wirtschaftsunternehmen wegen einer besonderen Nähe zu der zu finanzierenden Aufgabe eine spezielle Finanzierungsverantwortung zugewiesen.

Sonderabgaben unterliegen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts engen Grenzen und müssen gegenüber den Steuern seltene Ausnahmen bleiben. Der Gesetzgeber darf sich der Abgabe nur im Rahmen der Verfolgung eines Sachzwecks bedienen, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. Als Adressat kommt nur eine homogene Gruppe in Betracht, die in einer spezifischen Beziehung (Sachnähe) zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck steht und der deshalb eine besondere Finanzierungsverantwortung zugerechnet werden kann. Das Abgabenaufkommen muss gruppennützig verwendet werden. Zusätzlich muss der Gesetzgeber im Interesse wirksamer parlamentarisch-demokratischer Legitimation und Kontrolle die erhobenen Sonderabgaben haushaltsrechtlich vollständig dokumentieren.

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Nach diesen Maßstäben stellt die Abgabe zum Absatzfonds eine verfassungsrechtlich unzulässige Sonderabgabe dar, denn es fehlt ein rechtfertigender Zusammenhang zwischen Gruppenhomogenität und Sachnähe einerseits und einer spezifischen Finanzierungsverantwortung der Abgabepflichtigen für die Wahrnehmung der Aufgabe andererseits.

Es handelt sich bei dieser Abgabe nicht um eine Sonderabgabe, die bei der Zurechnung von Sonderlasten der Abgabepflichtigen an den Verursachungsgedanken anknüpft und ihre Rechtfertigung in einer Verantwortlichkeit für die Folgen gruppenspezifischer Zustände oder Verhaltensweisen finden kann, sondern um eine zwangsweise durchgeführte Fördermaßnahme, zu deren Finanzierung die Gruppe der Abgabepflichtigen nur aus Gründen eines Nutzens herangezogen wird, den der Gesetzgeber dieser Gruppe zugedacht hat. Der Staat greift hier auf der Grundlage des Absatzfondsgesetzes mit wirtschaftspolitisch begründeten Förderungsmaßnahmen gestaltend in die Wirtschaftsordnung ein und weist den erst dadurch entstehenden Finanzierungsbedarf den mit der Abgabepflicht belasteten Unternehmen zu. Diese finanzielle Inanspruchnahme für die staatliche Aufgabenwahrnehmung, die durch hoheitliche Entscheidung an die Stelle des individuellen unternehmerischen Handelns tritt, stellt sich aus der Sicht des Abgabepflichtigen nicht nur als eine rechtfertigungsbedürftige, zur Steuer hinzutretende Sonderbelastung, sondern auch als Verkürzung seiner durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit dar und bedarf auch insoweit besonderer Rechtfertigung. Für die nach dem Absatzfondsgesetz im Schwerpunkt entfalteten Werbemaßnahmen für Produkte der Land- und Ernährungswirtschaft tritt diese freiheitsbeschränkende Qualität der Abgabe besonders augenfällig in Erscheinung, denn die finanzielle Inanspruchnahme für solche Werbemaßnahmen kann auch als Schmälerung des eigenen unternehmerischen Werbeetats angesehen werden.

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Verfassungsrechtlich zulässige agrar- und ernährungspolitische Ziele sowie mögliche positive Effekte staatlicher Werbemaßnahmen für einen bestimmten Wirtschaftszweig reichen allein für einen greifbaren Gruppennutzen zur Rechtfertigung einer Finanzierung durch Sonderabgaben statt durch Steuern nicht aus. Dies gilt auch deshalb, weil es für die Vermutung eines Mehrwerts staatlich organisierter im Vergleich mit privatwirtschaftlicher Werbung keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt.

Lässt sich eine Finanzierungsverantwortung der Abgabepflichtigen praktisch ausschließlich mit Blick auf Zweck und Wirkung staatlicher Förderungsmaßnahmen zugunsten der belasteten Gruppe begründen, bestehen in Bezug auf die gruppennützige Verwendung erhöhte Anforderungen: Der Gruppennutzen muss evident sein. Dies kann zwar dann der Fall sein, wenn staatliche Förderungsmaßnahmen erforderlich sind, um erhebliche Beeinträchtigungen oder spezielle Nachteile, z.B. auch solche im transnationalen Wettbewerb, abzuwehren oder auszugleichen. An einer derartigen, das Absatzfondsgesetz ursprünglich tragenden Rechtfertigung fehlt es aber jedenfalls seit dem im Ausgangsverfahren betroffenen Streitjahr 2002.

Während das Vorliegen abzuwehrender Nachteile im innergemeinschaftlichen Wettbewerb bei der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 1990 noch in vertretbarer Weise angenommen werden konnte, hat sich die Situation der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft seitdem so deutlich stabilisiert, dass von einem Erfordernis, erhebliche Beeinträchtigungen der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft durch staatlich organisierte Werbung abzuwehren, nicht mehr gesprochen werden kann.

Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 3. Februar 2009 – 2 BvL 54/06

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