Die Bestimmung der §§ 47 Nr. 1 und 48a BNotO, wonach das Amt des Notars mit dem 70. Geburtstag endet, verstößt nach Ansicht des Bundesgerichtshofs weder gegen das Grundgesetz noch gegen das aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf1 folgende Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters. An dieser Rechtsprechung zur Altersgrenze für Notare((BGH, Beschluss vom 22.03.2010 – NotZ 16/09, BGHZ 185, 30; BVerfG, Beschluss vom 05.01.2011 – 1 BvR 2870/10, NJW 2011, 1131)) hält der Bundesgerichtshof auch weiterhin fest.

Darauf, dass die Richtlinie auf das selbständige Notariat nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nicht anwendbar ist2, kommt es entgegen hierbei im Ergebnis nicht an. Selbst bei unterstellter Anwendbarkeit der Richtlinie verstößt die Altersgrenze nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters3. Die abweichende, auf den Wortlaut und die Systematik gestützte Auslegung überzeugt den Bundesgerichtshof nicht. Die Würdigung des Bundesgerichtshofs ist auch nicht zwischenzeitlich durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts überholt. Deren Urteile stehen mit der Judikatur des Bundesgerichtshofs zur Zulässigkeit der Altersgrenze nach § 47 Nr. 1, § 48a BNotO nicht im Widerspruch.
In der eine tarifvertraglich vereinbarte Altersgrenze von 60 Jahren für Berufspiloten betreffenden Entscheidung vom 13.09.20114 hat der Gerichtshof der Europäischen Union einen Verstoß gegen die Richtlinie nur deshalb angenommen, weil diese Altersgrenze, ab der Flugzeugführer als körperlich nicht mehr fähig zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gelten sollten, im Widerspruch zu nationalen und internationalen Regelungen stand, in denen dieses Alter auf 65 Jahre festgelegt war5. Eine vergleichbare Konstellation ist hier nicht gegeben.
In seinem Urteil vom 06.11.20126 zur Herabsetzung der Altersgrenze für ungarische Richter, Staatsanwälte und Notare von 70 Jahren auf 62 Jahre hat der Gerichtshof hervorgehoben, dass die Gewährleistung einer ausgewogenen Altersstruktur, um die Einstellung und Beförderung jüngerer Bediensteter zu begünstigen, ein legitimes Ziel einer Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik ist, das eine Altersgrenze rechtfertigt7. Dies entspricht den Ausführungen in dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 22. März 20108, wonach die für deutsche Notare geltende Altersgrenze nach den Maßstäben der Richtlinie beschäftigungspolitisch dadurch gerechtfertigt ist, dass anderenfalls für die Besetzung der nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehenden Stellen (§ 4 Satz 1 BNotO) nicht, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Vorhersehbarkeit und Planbarkeit gewährleistet wäre, dass lebensältere Notare die ihnen zugewiesenen Stellen für lebensjüngere freimachen und diesen eine Perspektive eröffnet wird, den angestrebten Beruf des Notars binnen angemessener Zeit ausüben zu können. Der Unionsgerichtshof hat den Verstoß der betreffenden ungarischen Regelung gegen die Richtlinie dementsprechend damit begründet, dass das legitime Ziel nicht mit geeigneten und erforderlichen Mitteln erreicht werden sollte. Der Unionsgerichtshof beanstandete, dass die in Rede stehende Regelung eine plötzliche und erhebliche Senkung der Altersgrenze für das zwingende Ausscheiden aus dem Dienst vornahm, ohne Übergangsmaßnahmen vorzusehen, die geeignet gewesen wären, das berechtigte Vertrauen der Betroffenen zu schützen, die eine Einbuße von mindestens 30 % ihres Gehalts hätten hinnehmen müssen9. Von einer derartigen Fallgestaltung ist der Kläger aufgrund der von ihm beanstandeten, bereits seit dem 3. Februar 1991 (Art. 1 Nr. 12 des Gesetzes zur Änderung des Berufsrechts der Notare und Rechtsanwälte vom 29.01.199110) in Kraft befindlichen Regelungen nicht betroffen.
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.02.201211, mit dem es entschieden hat, eine Höchstaltersgrenze für öffentlich bestellte Sachverständige sei mit der Richtlinie unvereinbar, stützt die gegenteilige Rechtsauffassung ebenfalls nicht. Im Gegenteil hebt das Bundesverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit dem BGH, Beschluss vom 22.03.201012 hervor, die Absicht des Normgebers, durch eine Höchstaltersgrenze jüngeren Bewerbern bessere Zugangschancen zu eröffnen, sei ein nach der Richtlinie legitimes sozialpolitisches Ziel13. Ausschlaggebend für die Entscheidung war, dass die in Rede stehende Altersbeschränkung gerade ein solches Ziel nicht verfolgte. Die öffentliche Bestellung als Sachverständiger ist – im Gegensatz zur Bestellung von Notaren (§ 4 BNotO) – unabhängig von einer konkreten Bedarfsprüfung. Das Ausscheiden älterer Sachverständiger ist damit – anders als bei den Notaren – nicht Voraussetzung für das Nachrücken Jüngerer14.
Ergänzend ist noch anzumerken, dass auch das den Staatsangehörigkeitsvorbehalt des § 5 BNotO a.F. betreffende Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 24. Mai 201115 für eine vom Standpunkt des BGH abweichende Rechtsposition unbehelflich ist. Wie der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 22.03.201016 ausgeführt hat, findet die Altersgrenze des § 48a BNotO ihre Rechtfertigung in der Sicherung einer geordneten Altersstruktur und der Notwendigkeit, im Interesse der beruflichen Perspektive lebensjüngerer Anwärter für eine ausreichende Fluktuation zu sorgen. Diese Erfordernisse wiederum sind zwangsläufige Folge dessen, dass Notarstellen aufgrund von § 4 Satz 1 BNotO nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehen17. Nach dem Urteil des Unionsgerichtshofs vom 24.05.201118 gehört die Begrenzung der Zahl und der örtlichen Zuständigkeit der Notare zu den Beschränkungen von Art. 43 EG (= Art. 49 AEUV), die durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden können, weil mit den notariellen Tätigkeiten in diesem Interesse liegende Ziele verfolgt werden, die insbesondere dazu dienen, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen zu gewährleisten.
Unbegründet ist für den Bundesgerichtshof auch die Rüge, die in § 48a BNotO bestimmte Altersgrenze von 70 Jahren sei der Anzahl der Lebensjahre nach willkürlich gewählt (Art. 3 Abs. 1 GG). Nahezu jede mathematischnaturwissenschaftlich nicht ableitbare zahlenmäßige Grenzziehung in einer Rechtsnorm ist letztlich rational nicht begründbar, sondern beruht auf einer wertenden Entscheidung des Normgebers, dem hierbei ein Gestaltungsspielraum zusteht19. Es hält sich innerhalb dieses – von den Gerichten aus Gründen der Gewaltenteilung zu respektierenden – Spielraums, wenn der Gesetzgeber in § 48a BNotO die Altersgrenze für Notare auf 70 Jahre festgesetzt hat.
Unmaßgeblich ist weiter, ob die hierzu angestellte Erwägung zutrifft, die 1991 eingeführte Altersgrenze sei mittlerweile durch die allgemein gestiegene Lebenserwartung und die gewandelte demografische Situation in Deutschland überholt. Ob, wann und in welcher Weise der Gesetzgeber die Rechtslage geänderten tatsächlichen Verhältnissen anpasst, liegt ebenfalls in seinem Gestaltungsspielraum. Dass sich die Lebenserwartung und die demografischen Verhältnisse, soweit sie sich für die Besetzung von Notarstellen überhaupt bemerkbar machen, derart massiv gewandelt hätten, dass mit der Beibehaltung der Altersgrenze des § 48a BNotO der dem Gesetzgeber zustehende weite Spielraum überschritten wäre, ist auch nicht ansatzweise ersichtlich.
Unbehelflich ist schließlich auch ein Hinweis auf den Beschluss des Bundesgerichtshofes für Notarsachen des Bundesgerichtshofs vom 31.07.200020. Danach ist es ermessensfehlerhaft, zum nicht ständigen Notarvertreter generell nicht Personen zu bestellen, die das 70. Lebensjahr vollendet haben. Bei der Bestellung von nicht ständigen Notarvertretern stellt sich die für die Altersgrenze des § 48a BNotO maßgebliche Frage der Sicherung einer geordneten Altersstruktur des Notariats nicht. Vielmehr übt der nicht ständige Notarvertreter eine Dauertätigkeit nicht aus, sondern wird von Fall zu Fall für einen bestimmten, regelmäßig kurzen Zeitraum bestellt21.
Die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte über die Beschwerde eines anderen ehemaligen Notars, dessen Amt aufgrund des Erreichens der Altersgrenze des § 48a BNotO gemäß § 47 Nr. 1 BNotO erlosch, war und ist nach Ansicht des Bundesgerichshofs ebenso wenig geboten wie ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 AEUV.
Die Voraussetzungen einer Aussetzung der Entscheidung des Rechtsstreits gemäß § 94 VwGO i.V.m. § 111b Abs. 1 BNotO sind nicht erfüllt. Das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist nicht präjudiziell im Sinne des § 94 VwGO, der wörtlich und inhaltlich mit § 148 ZPO übereinstimmt. Die Vorgreiflichkeit nach dieser Vorschrift besteht nicht schon dann, wenn die gleiche Rechtsfrage in beiden Verfahren entscheidungserheblich ist. § 148 ZPO stellt nicht auf sachliche oder tatsächliche Zusammenhänge zwischen verschiedenen Verfahren ab, sondern auf die Abhängigkeit vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses. Allein die tatsächliche Möglichkeit eines Einflusses genügt dieser gesetzlichen Voraussetzung nicht und wäre im Übrigen auch ein konturenloses Kriterium, das das aus dem Justizgewährleistungsanspruch folgende grundsätzliche Recht der Prozessparteien auf Entscheidung ihres Rechtsstreits in seinem Kern beeinträchtigen würde22.
Die Voraussetzungen für ein Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV sind gleichfalls nicht erfüllt23. Soweit der Bundesgerichtshof vorliegend ergänzende Erwägungen zum Unionsrecht angestellt und sich hierbei insbesondere mit weiteren Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union auseinandergesetzt hat, liegen die Würdigungen nach seiner Ansicht derart auf der Hand, dass eine Vorlage gemäß Art. 267 AEUV nach den Maßstäben der sogenannten acte clair-Doktrin24 ausscheidet.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 25. November 2013 – NotZ (Brfg) 12/13
- ABl. EG L 303/16[↩]
- aaO Rn. 14 ff; vgl. auch BGH, Beschluss vom 26.11.2007 – NotZ 23/07, BGHZ 174, 273 Rn. 27; offen gelassen: BVerfG, aaO Rn. 11[↩]
- BGH, Beschluss vom 22.03.2010, aaO Rn. 22 ff; BVerfG, aaO Rn. 11 ff[↩]
- EuGH, Urteil vom 13.09.2011 – C-447/09 [Prigge u.a.], NJW 2011, 3209[↩]
- EuGH,, aaO Rn. 75[↩]
- EuGH, Urteil vom 06.11.2012 – C-286/12[↩]
- EuGH,, aaO Rn. 60, 62 f, mwN; siehe auch EuGH, Urteil vom 06.12.2012 – C-152/11 [Odar], NJW 2013, 587 Rn. 47[↩]
- BGH, Beschluss vom 22.10.2010,, aaO Rn. 29[↩]
- EuGH, aaO Rn. 68, 70[↩]
- BGBl. I S. 150[↩]
- BVerwGE 141, 385[↩]
- BGH, Beschluss vom 22.03.2010,, aaO[↩]
- BVerwGE 141, 385 Rn. 17[↩]
- BVerwG, aaO[↩]
- EuGH, Urteil vom 24.05.2011 – C-54/08, NJW 2011, 2941[↩]
- BGH, Beschluss vom 22.03.2010, aaO[↩]
- vgl. Bundesgerichtshof, aaO[↩]
- EuGH, Beschluss vom 24.05.2011, aaO Rn. 98[↩]
- BGH, Beschluss vom 26.11.2011 – NotZ 6/07, NJW-RR 2008, 569 Rn. 45[↩]
- BGH, Beschluss vom 31.07.2010 – NotZ 12/00, NJW-RR 2001, 784[↩]
- BGH, aaO[↩]
- BGH, Beschluss vom 13.09.2012 – III ZB 3/12, WM 2012, 2024 Rn. 13 mwN; zu § 94 VwGO auch Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 94 Rn. 4a[↩]
- vgl. bereits BGH, Beschluss vom 22.03.2010 – NotZ 16/09, BGHZ 185, 31 Rn. 32 ff; siehe hierzu auch BVerfG NJW 2011, 1131 Rn. 14[↩]
- siehe hierzu z.B. BGH, Beschlüsse vom 22.03.2010, aaO Rn. 33 f; und vom 26.11.2007 – NotZ 23/07, BGHZ 174, 273 Rn. 34[↩]