Arztbewertungsportal – und der erforderliche Prüfungsaufwand

Für eine gewissenhafte Prüfung der Beanstandungen betroffener Ärzte durch den Portalbetreiber genügt es nicht, wenn sich dieser mit inhaltsleeren Erklärungen des Verfassers der Bewertung zufrieden gibt1

Arztbewertungsportal – und der erforderliche Prüfungsaufwand

Die Portalbetreiberin ist passivlegitimiert, also Schuldnerin des Unterlassungsanspruchs. Sie haftet als unmittelbare Störerin („Täterin“ in der Diktion des I. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs).

Der Anbieter eines Internetportals ist für auf dem Portal eingestellte Inhalte verantwortlich, wenn es sich um eigene Inhalte des Portalbetreibers handelt. Dazu gehören neben den von ihm selbst eingestellten Inhalten auch solche, die zwar von einem Dritten eingestellt wurden, die sich der Portalbetreiber aber zu eigen gemacht hat. Davon ist auszugehen, wenn der Portalbetreiber nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die auf seiner Internetseite veröffentlichten Inhalte übernommen hat, was aus Sicht eines verständigen Durchschnittsnutzers auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände zu beurteilen ist2.

Für ein solches Zueigenmachen spricht es insbesondere, wenn der Portalbetreiber eine inhaltlich-redaktionelle Überprüfung der auf seinem Portal eingestellten Nutzerbewertungen auf Vollständigkeit und Richtigkeit vornimmt. Überprüft der Portalbetreiber die in das Portal eingestellten Äußerungen eines Dritten auf die Rüge des von der Kritik Betroffenen inhaltlich und nimmt er auf sie Einfluss, indem er selbstständig – insbesondere ohne Rücksprache mit dem Dritten – entscheidet, welche Äußerungen er abändert oder entfernt und welche er beibehält, macht er sich diese Äußerungen zu eigen. Er verlässt so die Rolle eines neutralen Vermittlers und übernimmt stattdessen eine aktive Rolle. Nach außen erkennbar ist die Übernahme der inhaltlichen Verantwortung zumindest dann, wenn dem von der Kritik Betroffenen der Umgang mit der Bewertung kundgetan wird3.

Hieran gemessen ist die Portalbetreiberin in dem hier vom Oberlandesgericht Braunschweig entschiedenen Streitfall unmittelbare Störerin.

Dies folgt allerdings noch nicht daraus, dass sie die streitgegenständliche Bewertung auf die Beanstandung des Arztes hin zunächst offline gestellt und nach der Stellungnahme des Verfassers und einer ausbleibenden Stellungnahme des Arztes hierauf wieder veröffentlicht hat, was dem Arzt per E-Mail mitgeteilt worden ist.

Die Portalbetreiberin hat lediglich das vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 01.03.2016 intendierte Prüfverfahren eingeleitet und ist zu dem Schluss gekommen, dass hiernach keine Rechtsverletzung vorliege, weshalb die Bewertung wieder zu veröffentlichen sei. Die Situation stellt sich insofern nicht wesentlich anders dar, als wenn die Portalbetreiberin die vom Arzt angegriffene Bewertung auch während des Prüfverfahrens nicht von ihrem Portal genommen, sondern weiter online gelassen hätte und dann zu dem Ergebnis gelangt wäre, dass sie nicht zu beanstanden sei.

Ein Zueigenmachen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt aber darin, dass die Portalbetreiberin auf das weitere Beschwerdevorbringen des Arztes hin zu einem späteren Zeitpunkt eine erneute Prüfung durchgeführt hat, als deren Ergebnis „strittige Tatsachenbehauptungen“ entfernt wurden, nämlich die Passagen „ohne eine kleinste Untersuchung zu machen“ und „mein Aufenthalt im Arztzimmer dauerte keine 5 Minuten.“ Darüber hinaus sind einzelne Notenbewertungen verändert worden. Dies hat die Portalbetreiberin dem Arzt als dem von der Kritik Betroffenen anschließend auch kundgetan, indem sie ihm mit E-Mail vom 27.02.2017 mitgeteilt hat, dass einige Tatsachenbehauptungen entfernt worden seien, eine vollständige Löschung aber nicht in Betracht komme, weil die Bewertung den Nutzungsrichtlinien entspreche.

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Der Einwand der Portalbetreiberin, sie führe lediglich das vom Bundesgerichtshof vorgesehene Prüfungsverfahren durch und müsse, wenn einzelne Äußerungen zu beanstanden seien, diese auch löschen können, ohne anschließend als unmittelbare Störerin zu haften, greift nicht durch. Dabei übersieht die Portalbetreiberin, dass nicht der bewertende Patient, sondern sie selbstständig – ohne Rücksprache mit dem Patienten – entschieden hat, welche Äußerungen sie abändert oder entfernt und welche sie beibehält. Darin liegt ein Zueigenmachen der restlichen und sodann veröffentlichten Bewertung, die so zu einem eigenen Inhalt auf der Plattform der Portalbetreiberin wird. Denn in der letztendlich noch veröffentlichten Fassung stammt die Bewertung nicht von dem Patienten, sondern der Portalbetreiberin.

Anders wäre dies, wenn die Portalbetreiberin nach von ihr durchgeführter Prüfung zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass einzelne Teile der Bewertung rechtlich zu beanstanden seien, und sie dann den Patienten damit konfrontiert und ihm die Entscheidung überlassen hätte, ob die Passagen gestrichen oder gegebenenfalls umformuliert werden sollen. Dazu ist ihm jedoch nicht einmal die Gelegenheit gegeben worden. Entgegen der Auffassung der Portalbetreiberin ist die Löschung einzelner nach Durchführung der Prüfung von der Portalbetreiberin als persönlichkeitsverletzend erkannter Passagen nach den Vorgaben des Bundesgerichtshofs auch nicht zwangsläufig. Entscheidet sich der Patient gegen die Teillöschung oder Umformulierung einzelner problematischer Passagen, bleibt der Portalbetreiberin stets die Möglichkeit, die Bewertung insgesamt von ihrer Plattform zu nehmen.

Darüber hinaus ist die Portalbetreiberin aber auch mittelbare Störerin.

Mittelbarer Störer ist, wer, ohne unmittelbarer Störer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt. Dabei kann als Beitrag auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte4. Zwar ist ein Hostprovider wie die Portalbetreiberin zur Vermeidung einer Haftung als mittelbarer Störer grundsätzlich nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber, wenn er von einem Betroffenen auf eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts hingewiesen wird und diese Beanstandung so konkret gefasst ist, dass der Rechtsverstoß auf der Grundlage der Behauptung des Betroffenen unschwer bejaht werden kann, verpflichtet, eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts unter Berücksichtigung einer etwaigen Stellungnahme des für den beanstandeten Beitrag Verantwortlichen vorzunehmen5.

Die Voraussetzungen einer Prüfpflicht der Portalbetreiberin liegen hier vor. Zudem hat die Portalbetreiberin ihre Prüfpflicht auch verletzt.

Die Beanstandung des Arztes war hinreichend konkret. Der Arzt hat der Portalbetreiberin gegenüber behauptet, dass die Angaben des Bewerters nicht der Wahrheit entsprächen, und dies damit begründet, dass es bei ihm keine 5-Minuten-Aufenthalte gebe. Deshalb bezweifle er, dass der Verfasser der Bewertung von ihm behandelt worden sei.

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Dass es sich bei der Behauptung, der Bewertung liege kein Behandlungskontakt zugrunde, letztlich um eine Mutmaßung des Arztes handelte, steht einer ausreichenden Konkretisierung der Beanstandung nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht entgegen. Letztlich bleibt es, solange der Name des Patienten und der angebliche Behandlungstermin nicht bekannt sind, immer bei einer Mutmaßung des von der Bewertung Betroffenen. Die Beanstandung des Arztes wäre auch nicht substantieller gewesen, wenn er zusätzlich ausgeführt hätte, in seiner EDV keinen Patienten mit Problemen im Bereich der Halswirbelsäule gefunden zu haben, der von einem Orthopäden überwiesen worden sei. Abgesehen davon, dass ein solcher Abgleich mit den gespeicherten Patientendaten zum Zeitpunkt der Beanstandung durch den Arzt mangels zeitlicher Eingrenzung des angeblichen Behandlungsdatums ohnehin wenig sinnvoll erschien, wäre dies lediglich ein weiterer Grund neben der angegebenen kurzen Behandlungsdauer gewesen, der Anlass für die Behauptung des Fehlens eines Behandlungskontakts hätte geben können, ohne dass sich dadurch etwas am Vorliegen lediglich einer Mutmaßung geändert hätte.

Auf der Grundlage der Beanstandung des Arztes war auch ein Rechtsverstoß unschwer zu bejahen.

Im Falle von Bewertungen, die als Meinungsäußerungen zu qualifizieren sind, ist das durch Art. 1 Abs. 1 u. Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse des Arztes am Schutz seiner sozialen Anerkennung und seiner Berufsehre gegen die von Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsfreiheit des Bewertenden abzuwägen. Da bei Äußerungen, in denen sich – wie hier – wertende und tatsächliche Elemente in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt als Werturteil anzusehen ist, im Rahmen der Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen der Wahrheitsgehalt der tatsächlichen Bestandteile ins Gewicht fällt und das Grundrecht der Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Schutzinteressen des von der Äußerung Betroffenen zurücktritt, wenn die Meinungsäußerung einen falschen oder bewusst unwahren Tatsachenkern enthält6, ist der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arztes rechtswidrig, wenn der angegriffenen Bewertung kein tatsächlicher Behandlungskontakt zugrunde liegt. Denn ein berechtigtes Interesse des Bewertenden, eine tatsächlich nicht stattgefundene Behandlung zu bewerten, besteht ebenso wenig wie ein Interesse der Portalbetreiberin, eine Bewertung über eine nicht stattgefundene Behandlung zu kommunizieren7.

Der sich durch den konkreten Hinweis des Arztes auf eine unschwer zu bejahende Rechtsverletzung ausgelösten Prüfungspflicht hat die Portalbetreiberin nicht im zu fordernden Umfang entsprochen.

Zwar erfüllt das von der Portalbetreiberin betriebene Ärztebewertungsportal eine von der Rechtsordnung gebilligte und gesellschaftlich erwünschte Funktion, doch sind an die Prüfungspflicht der Portalbetreiberin dennoch strenge Anforderungen zu stellen. Ein Portal wie dasjenige der Portalbetreiberin birgt auch die Gefahr für nicht unerhebliche persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerungen, wobei die Missbrauchsgefahren noch dadurch verstärkt werden, dass die Bewertungen in rechtlich zulässiger Weise verdeckt abgegeben werden können8. Dies erschwert es dem betroffenen Arzt regelmäßig erheblich, unmittelbar gegen den betreffenden Portalnutzer vorzugehen, oder macht ihm dies sogar unmöglich, weil er über keinen Auskunftsanspruch gegen den Portalbetreiber verfügt und er sich deshalb die für seine Identifizierung erforderlichen Informationen nicht verschaffen kann. Nach § 12 Abs. 2 TMG ist die Portalbetreiberin nicht zur Herausgabe der zur Bereitstellung des Telemediums erhobenen Anmeldedaten befugt9. Hinzu tritt im Streitfall, dass die Bewertung in mehreren für potentielle Patienten wesentlichen Kategorien die schlechtestmögliche Note von 6, 0 vergibt und auf diese Weise massiv in die rechtlich geschützten Interessen des Arztes eingegriffen wird.

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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf sich der Portalbetreiber in einer solchen Situation nicht auf eine rein formale Prüfung zurückziehen, sondern muss ernsthaft versuchen, sich die für eine Klärung der Berechtigung der Beanstandung des betroffenen Arztes notwendige Tatsachengrundlage zu verschaffen. Die Portalbetreiberin muss dem Verfasser der Bewertung deshalb die Beanstandung des betroffenen Arztes übersenden und ihn zu einer Stellungnahme anhalten. Dazu ist der Verfasser aufzufordern, ihr den angeblichen Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben und ihr den Behandlungskontakt belegende Unterlagen, wie etwa vorhandene Rechnungen, Terminkarten und -zettel, Eintragungen in Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien möglichst umfassend – notfalls geschwärzt – zu übermitteln4.

Auch auf der Grundlage des Vortrags der Portalbetreiberin ist sie diesen Anforderungen nicht gerecht geworden.

Sie hat dem Verfasser der Bewertung die Beanstandung des Arztes übersandt und den Verfasser nach dem Inhalt des hierfür von ihr verwendeten Bestätigungs-Templates, dargestellt im Schriftsatz vom 04.10.2018 , zur Erläuterung seiner Bewertung aufgefordert. Daneben ist der Verfasser aufgefordert worden, einen Behandlungsnachweis hochzuladen, mit dem er den Arztbesuch belegen könne, und gleichzeitig darauf hingewiesen worden, dass auch die Krankenkasse einen Beleg für den Arztbesuch zusenden könne. Für den Fall, dass kein Beleg vorliege, ist der Verfasser aufgefordert worden, eine möglichst ausführliche Beschreibung des Behandlungsablaufs zu geben.

Bereits letzteres genügt nicht den Vorgaben des Bundesgerichtshofs. Danach ist kumulativ sowohl eine Beschreibung des Behandlungskontakts als auch die Vorlage von diesen belegenden Unterlagen zu fordern. Demgegenüber verlangt die Portalbetreiberin in erster Linie einen Beleg für die Behandlung und eine Beschreibung des Behandlungskontakts nur hilfsweise, falls kein Beleg vorgelegt werden kann.

Der Verfasser der von dem Arzt kritisierten Bewertung hat der Portalbetreiberin im Streitfall am 26.11.2016 geantwortet, dass seine Bewertung zu 100 % richtig sei, er den Termin aber per Telefon erhalten habe und er deshalb leider über keinen Terminzettel als Beleg verfüge.

Damit hätte sich die Portalbetreiberin nicht zufriedengeben dürfen. Es fehlt nicht nur die von ihr selbst im Falle des Fehlens eines Belegs verlangte möglichst ausführliche Beschreibung des Behandlungsablaufs, sondern auch eine tragfähige Begründung dafür, warum kein Beleg vorgelegt werden könne. In ihrem Bestätigungs-Template weist die Portalbetreiberin selbst darauf hin, dass die Möglichkeit bestehe, sich bei der Krankenkasse einen Beleg zu verschaffen. Dies korrespondiert mit § 305 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wonach die Krankenkassen die Versicherten auf deren Antrag über die in einem Zeitraum von mindestens 18 Monaten vor Antragstellung in Anspruch genommenen Leistungen und deren Kosten unterrichten. Hierauf wäre der Patient, der den bisherigen Hinweis im Template offenbar noch nicht ausreichend berücksichtigt hatte, erneut aufmerksam zu machen gewesen.

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Entsprechendes gilt für die später angeforderte weitere Stellungnahme des Patienten, in welcher dieser angegeben hat, bei seiner Krankenkasse nachgefragt zu haben, die aber keine Arztbesuche registriere.

Hier war auch für die Portalbetreiberin offenkundig, dass wohl ein Missverständnis vorlag. Bei einem von der Krankenkasse anzufordernden Beleg ging es offenkundig nicht um die Auskunft aus einem (tatsächlich nicht existierenden) Register über sämtliche von Patienten vorgenommene Arztbesuche, sondern eine Auskunft der Krankenkasse zu von dem Arzt als Leistungserbringer abgerechneten Leistungen, die einen tatsächlich stattgefundenen Behandlungskontakt möglicherweise hätte beweisen können. Dementsprechend hätte die Portalbetreiberin zur Erfüllung ihrer Recherchepflicht bei dem Verfasser der Bewertung nachfassen und ihn zur Beibringung einer solchen Auskunft anhalten müssen, nachdem er den diesbezüglichen Hinweis im Template erkennbar nicht verstanden hatte.

Die in derselben Stellungnahme des Verfassers der Bewertung zu findende Praxisbeschreibung ist völlig inhaltsleer und hätte die Portalbetreiberin im Sinne eines ernsthaft zu unternehmenden Versuchs, sich die notwendige Tatsachengrundlage zu verschaffen, deshalb ebenfalls nicht zufrieden stellen dürfen. Dass die Praxis des Arztes im S. in der Braunschweiger Innenstadt liegt, lässt sich leicht allgemein zugänglichen Adressverzeichnissen entnehmen und ist offensichtlich ungeeignet, einen tatsächlich stattgefunden Behandlungskontakt zu belegen.

Gleiches gilt für die spärlichen Angaben zum Praxisinneren, die sich auf die Feststellung beschränken, dass man, wenn man eintrete, direkt vor dem Empfang stehe. Dies ist, was das Oberlandesgericht aus eigener Anschauung beurteilen kann, bei nahezu allen Arztpraxen der Fall. Darüber hinaus würde selbst eine spezifizierte und zutreffende Beschreibung des Empfangsbereichs einen Behandlungskontakt nicht belegen können, weil die Gestaltung des Empfangs bei jedem Praxisbesuch ohne Weiteres wahrgenommen werden kann, etwa auch dann, wenn die Praxis (möglicherweise vergeblich) zur Vereinbarung eines Termins aufgesucht wird. Sehr viel mehr Gewicht hätte an dieser Stelle eine detaillierte Beschreibung etwa des Behandlungsraums gehabt, in welchem der Verfasser der Bewertung angeblich einen Behandlungskontakt zu dem Arzt gehabt haben will.

Dass die Portalbetreiberin schließlich noch versucht haben will, einen Abgleich des behaupteten Behandlungstermins mit den Abwesenheitszeiten des Arztes vorzunehmen, reicht ebenfalls nicht aus. Hierdurch konnte, je nach Ergebnis, ein angeblicher Behandlungskontakt bestenfalls ausgeschlossen, aber nicht umgekehrt bewiesen werden.

Insgesamt betrachtet hat sich die Portalbetreiberin hiernach nicht „ernsthaft“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemüht, den angeblichen Behandlungskontakt zu verifizieren, sondern sich mit inhaltsleeren Erklärungen des Verfassers der Bewertung, die nichts zu belegen geeignet waren, zufriedengegeben. Bedenkt man, dass niemand außer der Portalbetreiberin in der Lage war, den Behandlungskontakt im Falle einer diesen verneinenden Beanstandung des Arztes aufzuklären, hat sie den an sie zu stellenden strengen Anforderungen bei weitem nicht genügt.

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Schließlich liegt als weitere Voraussetzung des Unterlassungsanspruchs des Arztes auch eine Wiederholungsgefahr begründende Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts vor, weil aus prozessualen Gründen davon auszugehen ist, dass der in der angegriffenen Äußerung enthaltene tatsächliche Bestandteil, also die Behauptung eines tatsächlich stattgefundenen Behandlungskontakts, unrichtig ist und dem Werturteil damit jegliche Tatsachengrundlage fehlt, so dass der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arztes durch die Veröffentlichung der Bewertung rechtswidrig erfolgte.

Grundsätzlich ist der Arzt für das Fehlen eines Behandlungskontakts darlegungs- und beweisbelastet. Seiner Darlegungslast hat er hier entsprochen, indem er vorgetragen hat, dass es zu dem Verfasser der im Portal der Portalbetreiberin eingestellten Bewertung entgegen der dort aufgestellten Behauptung keinen Behandlungskontakt gegeben hat.

Diese Darstellung des Arztes ist auch nicht unsubstantiiert oder „ins Blaue hinein“ erfolgt. Der Arzt hat im Termin zur mündlichen Verhandlung erster Instanz am 26.09.2018 ausgeführt, nach der Bewertung seine EDV durchgesehen zu haben, ob er einen solchen Patienten mit HWS-Beschwerden gehabt haben könne, aber niemanden gefunden zu haben. Im Termin vor dem Oberlandesgericht ist insoweit ergänzt worden, dass zu diesem Zweck der einschlägige ICD-Code eingegeben worden ist, was nicht zum Auffinden eines Patienten mit einer solchen Diagnosestellung geführt habe.

Darauf, dass die Portalbetreiberin diesen Vortrag bestritten hat, kommt es für die Beurteilung der Frage, ob der Arzt seiner Darlegungslast genügt hat, nicht an.

Demgegenüber ist die Portalbetreiberin ihrer Darlegungslast nicht ausreichend nachgekommen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft sie eine sekundäre Darlegungslast für die für einen solchen Behandlungskontakt sprechenden Angaben, soweit sie diese ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG machen kann. Darüber hinaus hat die Portalbetreiberin eine Recherchepflicht. Aufgrund ihrer materiellen Prüfpflicht ist sie gehalten; vom Bewertenden zusätzliche Angaben und Belege zum angeblichen Behandlungskontakt zu fordern, womit in prozessualer Hinsicht im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast eine entsprechende Obliegenheit korrespondiert10.

Erfüllt die Portalbetreiberin ihre Recherchepflicht nicht, wovon im Streitfall aus den dargestellten Gründen auszugehen ist, kommt sie auch ihrer prozessualen Obliegenheit nicht nach, weshalb die Behauptung des Arztes, der von ihm angegriffenen Bewertung liege kein Behandlungskontakt zu Grunde, nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt.

Neben dem Anspruch auf Unterlassung steht dem Arzt ein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 1 Abs. 1 u. Art. 2 Abs. 1 GG zur Seite.

Die Portalbetreiberin hat schuldhaft, nämlich zumindest fahrlässig im Sinne von § 276 Abs. 2 BGB gehandelt, weil sie die sich zu eigen gemachte Bewertung veröffentlicht hat, ohne angesichts der Beanstandung des Arztes zuvor den ernsthaften Versuch einer Klärung zu unternehmen, ob es einen Behandlungskontakt gegeben hat oder nicht.

Auf das Haftungsprivileg des § 10 S. 1 TMG vermag sich die Portalbetreiberin nicht zu berufen, weil sie aufgrund des sich Zueigenmachens der Bewertung für eigene Inhalte haftet. Für solche eigenen Informationen ist der Dienstanbieter gemäß § 7 Abs. 1 TMG nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich.

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Von daher ist das auf die Schadensersatzverpflichtung der Portalbetreiberin abzielende Feststellungsbegehren des Arztes ab dem Zeitpunkt gerechtfertigt, zu dem sich die Portalbetreiberin die Bewertung zu eigen gemacht hat. Dies ist auf den Tag zu datieren, so dass der Arzt Anspruch auf Erstattung solcher Schäden hat, die ihm aufgrund einer nach diesem Daten fortdauernden Veröffentlichung der streitgegenständlichen Bewertung auf dem Portal der Portalbetreiberin entstanden sind oder noch entstehen werden.

Auskunftsanspruch

Da der Arzt Anspruch auf Schadensersatz hat, steht ihm als Hilfsanspruch nach § 242 BGB ein Anspruch auf Auskunft über die zur Berechnung des Schadensersatzes notwendigen tatsächlichen Umstände zu.

Allerdings ist auch der Auskunftsanspruch entsprechend den vorstehenden Ausführungen zeitlich zu begrenzen.

Außergerichtliche Kosten

Der vom Arzt geltend gemachte Anspruch auf Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten ist dagegen unbegründet.

Wie oben dargelegt, besteht ein Schadensersatzanspruch nur insoweit, als er auf einer nach der erfolgten Wieder-Veröffentlichung der Bewertung beruht. Dies trifft auf die außergerichtlichen Kosten des Arztes nicht zu. Diese sind nicht adäquat kausal auf eine zum Schadensersatz verpflichtende Handlung der Portalbetreiberin zurückzuführen, weil der Arzt seine Bevollmächtigten schon vor dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des sich Zueigenmachens beauftragt hat und diese auch schon vor diesem Zeitpunkt tätig geworden sind. Die Portalbetreiberin ist erstmalig bereits zuvor mit außerprozessualem Schreiben angeschrieben worden, wodurch die hier geltend gemachte 1,3-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG nebst Nebenkosten und Umsatzsteuer bereits entstanden ist.

Ebenso wenig ist der Anspruch unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag gegeben (§§ 677 ff. BGB). Nachdem der Arzt die Portalbetreiberin bereits persönlich aufgefordert hatte, die streitgegenständliche Bewertung zu entfernen, lag eine neuerliche, diesmal anwaltliche Aufforderung der Portalbetreiberin jedenfalls nicht in ihrem Interesse (§ 683 S. 1 BGB).

Oberlandesgericht Braunschweig, Urteil vom 18. Juni 2019 – 2 U 97/18

  1. Anschluss an BGH, Urteil vom 01.03.2016 – VI ZR 34/15 – jameda.de II[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2016 – VI ZR 34/15, WM 2016, 1950 – Ärztebewertungsportal II; derselbe, Urteil vom 27.03.2012 – VI ZR 144/11, MDR 2012, 767[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 04.04.2017 – VI ZR 123/16, NJW 2017, 2029; OLG Dresden, Urteil vom 06.03.2018 – 4 U 1403/17, WRP 2018, 589[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2016, a. a. O.[][]
  5. vgl. a. dazu BGH, Urteil vom 01.03.2016, a. a. O.[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2014 – VI ZR 39/14, MDR 2015, 150[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2016 – VI ZR 34/15, WM 2016, 1950[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 13.09.2014 – VI ZR 358/13, WRP 2014, 1473[]
  9. vgl. BGH, Urteil vom 01.07.2014 – VI ZR 345/13, MDR 2014, 959[]
  10. vgl. a. dazu BGH, Urteil vom 01.03.2016 – VI Z ZR 34/15, WM 2016, 1950[]

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