„3-mm-Fleisch“ ist, wie das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht jetzt nochmals feststellte, als „Separatorenfleisch“ zu kennzeichnen1. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Erzeugung ‚einstufig‘ oder ‚zweistufig‘ erfolgt (Baadern).

Auch das vergleichsweise schonend gewonnene 3-mm-Restfleisch muss, so die Lüneburger Richter, ungeachtet seiner Qualität angesichts der nationalen und europarechtlichen Rechtslage unter der Bezeichnung „Separatorenfleisch“ in den Verkehr gebracht werden. Bei der Bezeichnung „Separatorenfleisch“ handelt es sich um einen Rechtsbegriff, dessen Bestimmung nach nationalem Recht, das von EU-Recht überlagert ist, zu erfolgen hat. Nach § 2 Ziff. 7a FlHV ist Separatorenfleisch ein Erzeugnis,
„das nach dem Entbeinen durch maschinelles Abtrennen von frischem Fleisch (Restfleisch) von Knochen, ausgenommen Kopfknochen und Rückenknochen sowie Gliedmaßen unterhalb der Karpal- oder Tarsalgelenke und Schweineschwänze, gewonnen worden ist.“
Nach der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 Anhang I Nr. 1.14 wird Separatorenfleisch als ein Erzeugnis definiert,
„das durch Ablösung des an fleischtragenden Knochen nach dem Entbeinen bzw. an den Geflügelschlachtkörpern haftenden Fleisches auf maschinelle Weise so gewonnen wird, dass die Struktur der Muskelfasern sich auflöst oder verändert wird.“
Die Voraussetzungen des § 2 FlHV liegen vor, denn die Klägerin gewinnt das infrage stehende Fleisch auf maschinellem Wege.
Darüber hinaus sind auch die Tatbestandsmerkmale der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 gegeben, denn das sogenannte „3-mm-Fleisch“ unterfällt der dortigen Definition. Der Anhang I Nr. 1.14 der Verordnung (EG Nr. 853/2004) stellt nach seinem Wortlaut nur darauf ab, ob sich die Struktur der Muskelfasern – und nicht etwa auch die Zellstrukturen der Muskeln – infolge der mechanischen Gewinnung auflöst oder verändert. Der Erwägungsgrund 20 Satz 1 der Verordnung spricht davon, dass die Definition von Separatorenfleisch so allgemein gefasst sein soll, dass sie alle Verfahren des mechanischen Ablösens abdeckt. Damit ergibt sich, dass nach Sinn und Zweck der Vorschrift ein maschinelles Abtrennen allerdings – aber auch nur dann – nicht erfasst werden soll, wenn die Struktur der Muskelfasern bezogen auf das gesamte Fleischstück nur punktuell verändert wird, also derart große und zusammenhängende Fleischstücke gewonnen werden, dass diese für sich genommen faktisch verkehrsfähig sind2. Davon kann bei dem „3-mm-Fleisch“ aber nicht die Rede sein.
Es ist es auch, so das OVG Lüneburg weiter, ohne Bedeutung, ob Separatorenfleisch „einstufig“ oder „zweistufig“ erzeugt wird, wenn und soweit die einzelnen Stufen der Erzeugung in einem inneren Zusammenhang stehen3. Unerheblich ist, ob das sog. „Baadern“ zeitlich und räumlich von der ersten Phase der Restfleischgewinnung abgetrennt werden könnte. Im vorliegenden Zulassungsverfahren ist ohnehin allein entscheidend, dass die Klägerin das gebaaderte Fleisch in den Verkehr bringt.
Dabei stützt das OVG Lüneburg auch die Auffassung des OVG Münster4, dass bei dem infrage stehenden zweistufigen Verfahren die Struktur der Muskelfasern bereits durch das maschinelle Abtrennen vom Knochen verändert wird. Das Zusammenpressen von Knochen, das dazu führt, dass sich infolge der Reibung der Knochen untereinander vorhandene Fleischreste lösen, die dann über Siebeinsätze bzw. Lochscheiben der Maschine entweichen, führt zwangsläufig zu einer Veränderung der vorherigen Struktur der Muskelfasern des Fleisches. Große und zusammenhängende Fleischstücke werden bei diesem Verfahren nicht gewonnen.
Auch der Vergleich des von so gewonnen Produkts mit Hackfleisch führt nach Ansicht des OVG Lüneburg nicht weiter. Hackfleisch wird aus größeren Fleischstücken geschnitten oder gewolft, nicht aber als Restfleisch vom Knochen abgelöst. Da der Grad der Muskelfaserveränderung für die Abgrenzung von Separatorenfleisch nicht ausschlaggebend ist, bietet sich ein Vergleich mit Hackfleisch nicht an5. Dass vergleichbare Veränderungen der Muskelfaserstruktur auch bei industriell hergestelltem Hackfleisch auftreten, entbindet nicht von der Kennzeichnungspflicht des maschinell gewonnenen Restfleisches.
In dieser Auffassung sieht sich das OVG im Ergebnis auch bestätigt durch die Stellungnahmen der Europäischen Kommission6. Auch die Kommission sieht die Voraussetzungen der infrage stehenden Verordnung als gegeben an.
Der Klägerin ist, so das OVG weiter, darin zuzustimmen, dass es wegen des hohen Diskriminierungspotentials und der Qualität des auf schonende Weise gewonnenen Restfleisches Gründe geben mag, das sog. „3-mm-Fleisch“ in Zukunft nicht mehr als Separatorenfleisch zu bezeichnen. Die derzeitige Rechtslage bietet dazu nach den obigen Ausführungen jedoch keinen Raum. Unbeachtlich wäre im Ergebnis auch, dass sich Lebensmittelbehörden anderer europäischer Mitgliedsstaaten über die infrage stehende Verordnung bereits derzeit hinwegsetzen. Entgegen der Auffassung der Klägerin begründet eine derartige Verwaltungspraxis in einzelnen Mitgliedstaaten – unterstellt sie findet statt – keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht.
Im Übrigen trägt, wie das OVG ausdrücklich betont, die Oberste Landesbehörde nach der geltenden Erlasslage den Interessen der fleischverarbeitenden Industrie zur Vermeidung von Wettbewerbsnachteilen durchaus Rechnung, weil die Kennzeichnungspflicht lediglich im Verkehr zwischen den Erzeugern des „3-mm-Fleisches“ und den Verarbeitern, nicht aber gegenüber dem Endverbraucher durchgesetzt wird.
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 23. Juli 2009 – 13 LA 150/08
Update: Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 7. Juni 2011 – 1 BvR 2109/09
- so bereits OVG Niedersachsen, Beschluss vom 08.07.2008 – 13 LA 7/08 – u. Beschl. v. 10.8.2006 – 11 ME 74/05 -[↩]
- vgl. OVG Münster, Beschl. v. 28.3.2007 – 13 B 2254/06[↩]
- vgl. OVG Münster, Beschluss vom 28.03.2007, a.a.O.[↩]
- Beschluss vom 28.03.2007, a.a.O.[↩]
- Bundesinstitut für Risikobewertung, Stellungnahme v. 16.6.2006, S. 4[↩]
- Kommission, Schreiben vom 20. Oktober 2006 – SANCO/E2/RG/ca D (2006) S 21067 – und vom 23. März 2009 – SANCO/E3/BJ/TC/TEG//rzD (2009) 520123[↩]