Wird die Bezeichnung „Combiotik®“ zusammen mit den Bezeichnungen „Praebiotik®“ und „Probiotik®“ für Babynahrung verwendet und versteht der Verkehr dies dahin, dass in dem so bezeichneten Produkt präbiotische und probiotische Inhaltsstoffe kombiniert verwendet werden, handelt es sich bei „Combiotik®“ in dieser konkreten Verwendungsform um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 [1].

Die Annahme einer üblichen Bezeichnung einer Zutat im Sinne von § 6 Abs. 3 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV setzt voraus, dass die Zutat nach allgemeiner Verkehrsauffassung mit dieser Bezeichnung eindeutig und unmissverständlich identifiziert werden kann. Die allgemeine Verkehrsauffassung richtet sich nach der Anschauung aller am Verkehr mit Lebensmitteln beteiligten Verkehrskreise, zu denen die Lebensmittel- und Ernährungswirtschaft, der Handel und die Verbraucher zählen. Für die Verkehrsüblichkeit einer Bezeichnung sprechen vor allem regelmäßiger und weit verbreiteter Gebrauch, über den unter anderem Koch- und Fachwörterbücher, Lexika und die Leitsätze der Deutschen Lebensmittelbuchkommission Aufschluss geben können.
Für die Annahme einer beschreibenden Verkehrsbezeichnung im Sinne von § 6 Abs. 3 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV ist erforderlich, dass die charakteristische Besonderheit der Zutat zum Ausdruck kommt, aufgrund derer sie von ähnlichen und deshalb verwechselbaren Erzeugnissen eindeutig unterschieden werden kann. Die Angabe eines bloßen Oberbegriffs für eine bestimmte Gattung, der die konkrete Zutat nicht identifiziert oder individualisiert, genügt nicht.
Die Vorschrift des Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Ihre Verletzung ist geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber und Verbraucher im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG spürbar zu beeinträchtigen [2].
Nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 sind gesundheitsbezogene Angaben verboten, sofern sie nicht den allgemeinen Anforderungen in Kapitel – II und den speziellen Anforderungen in Kapitel – IV der Verordnung entsprechen, nach ihr zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß den Art. 13 und 14 der Verordnung aufgenommen sind. Da bei der angegriffenen Bezeichnung „Combiotik®“ jedenfalls das Letztere nicht der Fall ist, kommt es im Streitfall darauf an, ob die Bezeichnung eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 ist. Dies bejaht der Bundesgerichtshof:
Die Bezeichnung „Combiotik®“ kann zwar nicht bei einer Benutzung in Alleinstellung, aber in der vom Antrag umfassten konkreten Verwendung durch die Beklagte eine Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 darstellen.
Der Begriff „Angabe“ bezeichnet jede Aussage oder Darstellung, die nach dem Unionsrecht oder den nationalen Vorschriften nicht obligatorisch ist und mit der erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften besitzt. Mit dieser Formulierung will der Gesetzgeber alle in der Etikettierung und Bewerbung von Lebensmitteln in irgendeiner Weise zum Ausdruck gebrachten Hinweise auf besondere Eigenschaften der betreffenden Lebensmittel erfassen. Der Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 wird dadurch eröffnet, dass über bestimmte Lebensmittel Angaben gemacht werden, das heißt Aussagen erfolgen oder Darstellungen gegeben werden, die bei einem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher den Eindruck hervorrufen können, ein Lebensmittel besitze besondere Eigenschaften [3].
Die Bezeichnung „Combiotik®“ kann für sich allein nicht als gesundheitsbezogene Angabe angesehen werden, weil es sich um ein von der Beklagten geschaffenes Kunstwort handelt, das beim angesprochenen Verkehr keine konkreten Vorstellungen über spezifische oder unspezifische gesundheitliche Wirkungen des so bezeichneten Erzeugnisses weckt. Der Verkehr versteht diese Bezeichnung insbesondere nicht als Zusammensetzung der englischen Wörter „combine“ und „Biotik“.
Die Voraussetzungen einer gesundheitsbezogenen Angabe sind allerdings dann gegeben, wenn man die Bezeichnungen „Praebiotik®“ und „Probiotik®“ sowie weitere Aussagen auf den Verpackungen in die Betrachtung einbezieht. Die Bezeichnung „Combiotik®“ im Kontext mit den weiteren Packungsangaben „Praebiotik®“ und „Probiotik®“ erfüllt die Voraussetzungen einer Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006.
Der im Streitfall angesprochene Verkehr versteht die Bezeichnungen „Praebiotik®“ und „Probiotik®“ im Allgemeinen dahin, dass das derart gekennzeichnete Lebensmittel „Präbiotika“ und „Probiotika“, also Bestandteile enthält, die sich als probiotisch und präbiotisch qualifizieren lassen. Damit wird durch die Verwendung von „Praebiotik®“ und „Probiotik®“ zumindest mittelbar zum Ausdruck gebracht, das Lebensmittel besitze präbiotische und probiotische Eigenschaften [4]. Auch ist festgestellt, dass unter probiotischen Produkten nach allgemeiner Verkehrsauffassung Sauermilchprodukte verstanden werden, die durch ihren Gehalt an lebenden Mikroorganismen gesundheitsfördernd sind.
Dass die Beklagte mit den Bezeichnungen „Praebiotik®“ und „Probiotik®“ zumindest mittelbar zum Ausdruck gebracht hat, dass das Lebensmittel präbiotische und probiotische Eigenschaften besitzt, ergibt sich schließlich auch aus den weiteren Packungsangaben. So heißt es auf den Packungen für die Produkte „Bio Combiotik 3 Bio-Folgemilch“ und „HA Combiotik HA 2 Folgenahrung“:„Probiotika sind gute Milchsäurekulturen, die sich in Babys Darm ansiedeln und unerwünschte Keime verdrängen. Präbiotika sind wichtige Ballaststoffe, die als Nahrung für die Probiotika dienen und damit eine gesunde Darmflora fördern.“
Auch auf den Verpackungen der Produkte „HA Combiotik PRE HA Hypoallergene Anfangsnahrung“ und „Bio Combiotik 1 Bio-Anfangsmilch“ wird angegeben, dass präbiotische Ballaststoffe und probiotische Milchsäurekulturen die Darmflora günstig beeinflussen können oder zur Unterstützung einer gesunden Darmflora dienen.
Dieses Verständnis der Bezeichnungen „Praebiotik®“ und „Probiotik®“ führt dazu, dass für das Revisionsverfahren davon ausgegangen werden muss, der Verkehr sehe auch in der angegriffenen Bezeichnung „Combiotik®“ eine Angabe über besondere Eigenschaften des Lebensmittels im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006.
Die Darstellung der Bezeichnungen auf den Packungen bringt zum Ausdruck, dass die als „Combiotik®“ bezeichnete Babynahrung eine Kombination aus präbiotischen und probiotischen Inhaltsstoffen aufweist. Das Berufungsgericht hat keine abweichenden Feststellungen getroffen, sondern offengelassen, ob der Verbraucher die Angaben „Praebiotik® + Probiotik®“ als Erläuterung der Bezeichnung „Combiotik®“ versteht. Es hat weiter angenommen, in diesem Fall erwarte der Verbraucher, dass in der Babynahrung präbiotische und probiotische Inhaltsstoffe kombiniert miteinander verwendet werden. Von dieser Verkehrserwartung ist für das Revisionsverfahren auszugehen. Daraus ergibt sich, dass der Verkehr dem Begriff „Combiotik®“ im Kontext mit den außerdem verwendeten Bezeichnungen „Praebiotik® + Probiotik®“ entnehmen wird, das so gekennzeichnete Lebensmittel weise sowohl präbiotische als auch probiotische Eigenschaften auf. Diese vom Berufungsgericht unterstellte Verkehrsauffassung reicht für die Bejahung einer Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 aus. Auf die weitere zwischen den Parteien umstrittene; und vom Berufungsgericht verneinte Frage, ob dem Verkehr darüber hinausgehend ein durch das Zusammenwirken verstärkter Wirkeffekt suggeriert wird, kommt es nicht an.
Die in der Bezeichnung „Combiotik®“ liegende Angabe, dass die Babynahrung sowohl präbiotische als auch probiotische Eigenschaften aufweist, ist auch gesundheitsbezogen im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006.
Nach Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 liegt eine gesundheitsbezogene Angabe vor, wenn mit einer Angabe erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht. Der Begriff „Zusammenhang“ ist dabei weit zu verstehen [5]. Der Begriff der gesundheitsbezogenen Angabe erfasst daher jeden Zusammenhang, der impliziert, dass sich der Gesundheitszustand dank des Verzehrs des Lebensmittels verbessert oder dass für die Gesundheit negative oder schädliche Auswirkungen, die in anderen Fällen mit einem solchen Verzehr einhergehen oder sich ihm anschließen, fehlen oder geringer ausfallen [6]. Dabei sind sowohl die vorübergehenden und flüchtigen Auswirkungen als auch die kumulativen Auswirkungen des wiederholten und längerfristigen Verzehrs eines bestimmten Lebensmittels auf den körperlichen Zustand zu berücksichtigen [6].
Nach Erwägungsgrund 16 Satz 3 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 kommt es darauf an, in welchem Sinn der normal informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher die Angaben über Lebensmittel versteht. Eine gesundheitsbezogene Angabe liegt demnach vor, wenn nach dem Verständnis eines solchen Durchschnittsverbrauchers, das naturgemäß auch durch Vorerwartungen und Kenntnisse geprägt wird, der Eindruck eines Zusammenhangs zwischen dem Bestandteil eines Lebensmittels und dem Gesundheitszustand des Konsumenten hervorgerufen wird [7]. Dabei sind die nationalen Gerichte gehalten, bei der Beurteilung der Frage, wie der Durchschnittsverbraucher Angaben über Lebensmittel versteht, von ihrer eigenen Urteilsfähigkeit unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszugehen.
Nach diesen Maßstäben liegt im Streitfall eine gesundheitsbezogene Angabe vor.
Der Verkehr wird der Bezeichnung „Combiotik®“ im konkreten Verwendungskontext mit den Angaben „Praebiotik®“ und „Probiotik®“ entnehmen, dass die so bezeichnete Babynahrung sowohl präbiotische als auch probiotische Eigenschaften aufweist. Durch die Eigenschaften „probiotisch“ und „präbiotisch“ eines Lebensmittels wird regelmäßig ein Wirkungsbezug zum Gesundheitszustand des Konsumenten hergestellt [8]. Abweichende Feststellungen, die im vorliegenden Fall etwas anderes nahelegen könnten, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Vielmehr ist es in anderem Zusammenhang davon ausgegangen, dass unter probiotischen Produkten nach allgemeiner Verkehrsauffassung Sauermilchprodukte verstanden werden, die durch ihren Gehalt an lebenden Mikroorganismen gesundheitsfördernd seien.
Die lebensmittelrechtlichen Kennzeichnungsvorschriften (§ 3 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 3 LMKV) sind Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Sie dienen der Information und Aufklärung der Verbraucher über ernährungs- und gesundheitsbezogene Aspekte der Lebensmittel [9].
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 LMKV dürfen Lebensmittel in Fertigpackungen gewerbsmäßig nur in den Verkehr gebracht werden, wenn das Verzeichnis der Zutaten nach Maßgabe der §§ 5, 6 LMKV angegeben ist. Gemäß § 6 Abs. 3 LMKV sind die in das Zutatenverzeichnis aufzunehmenden Zutaten eines Lebensmittels mit ihrer Verkehrsbezeichnung nach Maßgabe des § 4 LMKV anzugeben. Nach § 4 Abs. 1 LMKV ist die Verkehrsbezeichnung eines Lebensmittels, sofern sie – wie vorliegend – nicht in Rechtsvorschriften festgelegt ist, die nach allgemeiner Verkehrsauffassung übliche Bezeichnung (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV) oder eine Beschreibung des Lebensmittels und erforderlichenfalls seiner Verwendung, die es dem Verbraucher ermöglicht, die Art des Lebensmittels zu erkennen und es von verwechselbaren Erzeugnissen zu unterscheiden (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV).
Die Bezeichnung einer Zutat ist nach allgemeiner Verkehrsauffassung das heißt nach der Anschauung aller am Verkehr mit dem Lebensmittel beteiligten Kreise, zu denen die Lebensmittelund Ernährungswirtschaft, der Handel und die Verbraucher rechnen nur insoweit als üblich anzusehen, als die Zutat aufgrund der Bezeichnung eindeutig und unmissverständlich identifiziert werden kann [10]. Für die Verkehrsüblichkeit einer Bezeichnung sprechen vor allem regelmäßiger und weit verbreiteter Gebrauch, über den unter anderem Koch- und Fachwörterbücher, Lexika und die Leitsätze der Deutschen Lebensmittelbuchkommission Aufschluss geben können [11].
Das Vorliegen einer gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV nach allgemeiner Verkehrsauffassung üblichen Bezeichnung einer Zutat kann nicht mit der Erwägung bejaht werden, der Verkehr verbinde mit der Eigenschaft „probiotisch“ Sauermilchprodukte, die durch ihren Gehalt an lebenden Mikroorganismen gesundheitsfördernd seien; deshalb habe der Verkehr auch aufgrund der zusammengesetzten Bezeichnung „probiotische Milchsäurekultur“ eine hinreichend konkrete Vorstellung von der Zutat.
Mit dieser Erwägung wird der Sache nach auf eine inhaltsbeschreibende Verkehrsbezeichnung und damit auf den Tatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV abgestellt. Für die Annahme einer Verkehrsbezeichnung gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV kommt es dagegen auf die tatsächlich festzustellende Verkehrsüblichkeit einer Bezeichnung an. Aus dem gleichen Grund kann eine Verkehrsüblichkeit im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV auch nicht mit der weiteren Erwägung des Berufungsgerichts bejaht werden, eine weitere Spezifizierung der verwendeten Milchsäurekulturen habe für den Verbraucher keinen tatsächlichen Erkenntniswert.
Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV ist eine Beschreibung der Zutat und erforderlichenfalls ihrer Verwendung vorzunehmen, die es dem Verbraucher ermöglicht, die Art der Zutat zu erkennen und sie von verwechselbaren Erzeugnissen zu unterscheiden.
Hierfür ist erforderlich, dass der Verbraucher aufgrund der Beschreibung unproblematisch verstehen kann, um was für eine Zutat es sich handelt [12]. Zum Ausdruck kommen muss die charakteristische Besonderheit der Zutat, aufgrund derer sie sich von ähnlichen und deshalb verwechselbaren Erzeugnissen unterscheidet [13]. Die charakteristischen Merkmale der Zutat ergeben sich aus dem Verwendungszweck und den damit zusammenhängenden Gesichtspunkten, die Auswirkungen auf die Wertbestimmung und den Geschmack haben [14]. Dabei ist der Sinn und Zweck des Zutatenverzeichnisses zu berücksichtigen. Gemäß Erwägungsgrund 8 der Richtlinie 2000/13/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür, deren Umsetzung die Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung dient [15], sollen die Angaben dem Verbraucher ermöglichen, sachkundig eine Wahl zu treffen. Der Verbraucher ist deshalb möglichst objektiv und umfassend über die Zusammensetzung des Lebensmittels zu unterrichten [16]. Dabei ist zu prüfen, ob die verwendete Bezeichnung für die eindeutige Identifizierung der betreffenden Zutat ausreicht [17]. Die Angabe eines bloßen Oberbegriffs für eine bestimmte Gattung, der die konkrete Zutat nicht identifiziert oder individualisiert, genügt – wie für eine Verkehrsbezeichnung im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV [18] – nicht. Dass eine möglichst weitgehende Konkretisierung erforderlich ist und die Verwendung bloßer Oberbegriffe nicht ausreicht, ergibt sich auch aus § 5 Abs. 1 Satz 2 LMKV. Danach gelten bei einer Zutat, die aus mehreren Zutaten besteht (zusammengesetzte Zutat), letztere als Zutaten des Lebensmittels.
Die Annahme, unter probiotischen Produkten verstehe der Verkehr Sauermilchprodukte, die durch ihren Gehalt an lebenden Mikroorganismen gesundheitsfördernd seien, so dass er mit der Bezeichnung „probiotische Milchsäurekultur“ eine hinreichend konkrete Vorstellung von der Zutat verbinde, berücksichtigt nicht hinreichend, dass eine Vielzahl unterschiedlicher probiotischer Bakterienstämme und spezies existieren, die nach ihrer Eigenart grundverschieden sind und darum nicht notwendig gleichermaßen auf den menschlichen Organismus wirken. Hierdurch wird die als Zutat der Babynahrung der Beklagten angeführte probiotische Milchsäurekultur erst durch die nähere Bezeichnung ihrer Art von anderen individuell wirkenden Bakterienstämmen abgegrenzt.
Dabei darf eine nähere Spezifizierung der Art der in den Produkten der Beklagten beigefügten Milchsäurekulturen nicht deswegen unterbleiben, weil die genauen gesundheitlichen Wirkungen der unterschiedlichen Stämme in Fachkreisen nicht eindeutig geklärt seien und der Verbraucher deshalb aus einer weiteren Spezifizierung der Milchsäurekulturen keine zusätzlichen Informationen erhalten könne.
Die Bestimmung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 LMKV verlangt, dass verwechselbare Zutaten aufgrund ihrer Verkehrsbezeichnung unterscheidbar werden. Eine weitergehende Voraussetzung dahingehend, dass der Durchschnittsverbraucher bereits über hinreichende Vorkenntnisse über unterschiedliche Eigenschaften oder Wirkungen der unterscheidbaren Zutaten verfügt, lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen und steht auch nicht mit dem Sinn und Zweck der Kennzeichnungsvorschriften im Einklang, den Verbraucher möglichst objektiv und umfassend über die Zusammensetzung des Lebensmittels zu unterrichten.
Gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 sind für Stoffe, die Gegenstand einer nährwert- oder gesundheitsbezogenen Angabe sind und nicht in der Nährwertkennzeichnung erscheinen, die jeweiligen Mengen in demselben Sichtfeld in unmittelbarer Nähe dieser Nährwertkennzeichnung gemäß Art. 6 der Richtlinie 90/496/EWG anzugeben.
Bei der Angabe „probiotische Milchsäurekultur“ handelt es sich um eine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006. Die Beklagte hat die Angabe unter der Überschrift „Zutaten“ angeführt und damit Milchsäurekulturen als Bestandteil ihrer Babynahrung ausgewiesen. Die beanstandete Angabe ist auch gesundheitsbezogen. Durch die Eigenschaft „probiotisch“ wird ein Wirkungsbezug zum Gesundheitszustand des Konsumenten hergestellt. Dass Anfangsmilch und Folgenahrung für Babys aus der Sicht der angesprochenen Verbraucher stets probiotische Eigenschaften haben und es deshalb an einer Angabe im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) 1924/2006 fehlen könnte [19], hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Vorliegend entfällt die Pflicht zur Mengenangabe im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 auch nicht deswegen, weil die Angabe „probiotische Milchsäurekultur“ als kennzeichnungsrechtliche Pflichtangabe anzusehen ist.
Allerdings liegt gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 keine Angabe und damit auch keine gesundheitsbezogene Angabe im Sinne von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung vor, wenn die Aussage nach dem Unionsrecht oder den nationalen Vorschriften obligatorisch ist. Damit werden alle Pflichtangaben, die sich aus unionsrechtlichen und mit dem Unionsrecht im Einklang stehenden nationalen Bestimmungen ergeben; vom Begriff der Angabe im Sinne der Verordnung (EG) Nr.1924/2006 ausgenommen [20].
Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Oktober 2014 – I ZR 162/13
- Fortführung von BGH, Urteil vom 26.02.2014 – I ZR 178/12, GRUR 2014, 500 – Praebiotik[↩]
- BGH, Urteil vom 17.01.2013 – I ZR 5/12, GRUR 2013, 958 Rn. 22 = WRP 2013, 1179 Vitalpilze; Urteil vom 26.02.2014 – I ZR 178/12, GRUR 2014, 500 Rn. 10 = WRP 2014, 562 Praebiotik; Urteil vom 09.10.2014 – I ZR 167/12, GRUR 2014, 1224 Rn. 11 = WRP 2014, 1453 – ENERGY & VODKA[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 24.07.2014 – I ZR 221/12, GRUR 2014, 1013 Rn. 22 = WRP 2014, 1184 – Original Bach-Blüten, mwN[↩]
- vgl. BGH, GRUR 2014, 500 Rn. 13 Praebiotik[↩]
- EuGH, Urteil vom 06.09.2012 – C544/10, GRUR 2012, 1161 Rn. 34 = WRP 2012, 1368 – Deutsches Weintor; Urteil vom 18.07.2013 C299/12, GRUR 2013, 1061 Rn. 22 = WRP 2013, 1311 – Green-Swan Pharmaceuticals; BGH, Beschluss vom 05.12 2012 – I ZR 36/11, GRUR 2013, 189 Rn. 9 = WRP 2013, 180 – Monsterbacke; BGH, GRUR 2014, 500 Rn. 16 – Praebiotik[↩]
- EuGH, GRUR 2012, 1161 Rn. 35 f. – Deutsches Weintor; BGH, GRUR 2014, 500 Rn. 16 – Praebiotik; GRUR 2014, 1013 Rn. 23 – Original Bach-Blüten[↩][↩]
- vgl. EuGH, GRUR 2013, 1061 Rn. 24 – Green-Swan Pharmaceuticals; BGH, GRUR 2014, 500 Rn. 18 Praebiotik[↩]
- vgl. BGH, GRUR 2014, 500 Rn. 21 Praebiotik[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.11.2012 – I ZR 72/11, GRUR 2013, 739 Rn.19 = WRP 2013, 902 Barilla, mwN[↩]
- vgl. OVG Lüneburg, LMRR 2010, 32; LG Mainz, LMRR 2001, 76; Hagenmeyer, LMKV, 2. Aufl., § 4 Rn. 11; Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, C 110, 145. Lfg.07.2011, § 4 LMKV Rn. 10[↩]
- vgl. Hagenmeyer aaO § 4 Rn. 11 f.[↩]
- vgl. Hagenmeyer aaO § 4 Rn. 14[↩]
- Hagenmeyer aaO § 4 Rn. 15[↩]
- vgl. Rathke in Zipfel/Rathke aaO § 4 LMKV Rn. 13; Rohnfelder/Freytag in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 173. Lfg.2009, § 4 LMKV Rn. 6[↩]
- vgl. BGH, GRUR 2014, 1013 Rn. 26 Original Bach-Blüten[↩]
- vgl. amtliche Begründung zu § 3 Abs. 1 Nr. 3 LMKV, BR-Drs. 418/81, abgedruckt bei Zipfel/Rathke aaO § 3 LMKV Rn. 2[↩]
- Hagenmeyer aaO § 4 Rn. 14[↩]
- vgl. dazu Hagenmeyer aaO § 4 Rn. 11; Rathke in Zipfel/Rathke aaO § 4 LMKV Rn. 10[↩]
- vgl. BGH, GRUR 2014, 1224 Rn. 13 – ENERGY & VODKA[↩]
- vgl. Meisterernst in Meisterernst/Haber, Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, 22. Lfg. 02/14, Art. 2 Rn. 13[↩]