War der Architekt aufgrund einer nur teilweisen Beauftragung mit den Leistungsphasen 1 bis 8 der HOAI a. F. nicht mit der Erstellung von Kostenanschlag und Kostenfeststellung befasst und kann er deshalb die anrechenbaren Kosten selbst nicht ermitteln, schuldet der Auftraggeber dem Architekten Auskunft. Dazu gehören ggf. auch diejenigen Auskünfte, die den Architekten in die Lage versetzen, eine den §§ 23, 24 HOAI a. F. entsprechende Abrechnung zu verfassen, insbesondere getrennt nach Umbau und Erweiterung abzurechnen.

Einem Architekten steht gegenüber seinem Bauherrn ein Auskunftsanspruch über die Höhe der anrechenbaren Kosten zu, wenn der Architekt diese nicht ohne Mitwirkung des Bauherrn ermitteln kann. Der Auftraggeber hat dem Architekten in einem solchen Falle im Rahmen des Zumutbaren sämtliche Auskünfte zu geben oder die entsprechenden Unterlagen vorzulegen, die für die Ermittlung der anrechenbaren Kosten erforderlich sind1.
Dass der Architekt im vorliegend vom Oberlandesgericht Stuttgart entschiedenen Fall nicht in der Lage ist, die anrechenbaren Kosten selbst zu ermitteln, folgt aus seiner eingeschränkten Beauftragung. Ihm wurden die Leistungsphasen 1 bis 9 nicht vollständig übertragen, vielmehr wurde er mit den Leistungsphasen 1 bis 5 vollständig betraut; bei der Leistungsphase 6 hatte er nur 5 von 10 % zu erbringen; die Leistungsphase 7 gehörte gar nicht zu seinen Verpflichtungen; bei den Leistungsphasen 8 und 9 waren lediglich 17 von 34 % geschuldet.
Nach § 10 Abs. 2 HOAI (2002) müssen die Leistungsphasen 1 bis 4 nach der Kostenberechnung, die Leistungsphasen 5 bis 7 nach dem Kostenanschlag und die Leistungsphasen 8 bis 9 nach der Kostenfeststellung abgerechnet werden.
Zwar müsste die Erstellung der Kostenberechnung, welche in die vollumfänglich beauftragte Leistungsphase 3 fällt, dem Architekt an sich möglich sein, so dass er Leistungsphasen 1 bis 4 abrechnen können müsste.
Da der Architekt jedoch bei der Leistungsphase 7 nicht mitwirkte, schuldete er die Erbringung des in die Leistungsphase 7 fallenden Kostenanschlags nicht. Aufgrund der eingeschränkten Beauftragung mit Leistungsphase 8 und 9 hatte er auch keine Kostenfeststellung zu erbringen. Insofern trägt der Architekt unwidersprochen vor, dass die Rechnungsprüfung nicht seine Aufgabe gewesen sei, die Rechnungen vielmehr direkt an den Bauherrn gegangen seien. Mangels Kenntnis der zu Grunde liegenden Zahlen kann der Architekt daher weder Kostenanschlag noch Kostenfeststellung zuverlässig ermitteln. Er ist diesbezüglich auf die Mitwirkung der Bauherrin als Bauherrin angewiesen.
Erschwert wird die Abrechnung nach HOAI im vorliegenden Fall noch dadurch, dass unstreitig sowohl bestehende Gebäude umgebaut wurden als auch eine Erweiterung durch Aufstockung und Anbau vorgenommen wurde. Nach § 23 HOAI a. F. sind die Honorare bei gleichzeitiger Durchführung von Umbauten und Erweiterungsbauten (hierzu zählen gemäß § 3 Nr. 4 HOAI a. F. Anbauten und Aufstockungen) am selben Gebäude getrennt zu berechnen, was eine Zuordnung der anrechenbaren Kosten zu den jeweiligen Baumaßnahmen voraussetzt. Sind verschiedene Gebäude betroffen, hat ohnehin eine getrennte Abrechnung zu erfolgen. Voraussetzung der getrennten Berechnung gemäß § 23 HOAI a. F. ist, dass die einzelnen Baumaßnahmen von einander trennbar sind, was vorliegend zu bejahen ist, da eine räumliche Trennung der Gebäudeaufstockung vom Umbau der bestehenden Stockwerke bzw. vom angebauten Eingangsbereich/Aufzug möglich ist. Die Trennung nach Umbau und Erweiterung ist auch deshalb von Bedeutung, da lediglich für den den Umbau betreffenden Auftragsteil gemäß § 24 HOAI a. F ein Umbauzuschlag in Betracht kommt.
Unter Zugrundelegung der Vorschriften der §§ 23, 24 HOAI a. F. ist festzuhalten, dass der Ankunftsanspruch nicht bereits erfüllt ist. Zwar hat die Bauherrin dem Architekt umfangreiche Aufstellungen zur Verfügung gestellt. So hat sie am 18.10.2012 eine Zusammenstellung der Gesamtkosten erstellt, ebenso erfolgte bereits eine Preisübersicht über die Angebote vom 09.04.2009 . In der Aufstellung sind die einzelnen Gewerke getrennt aufgeführt; unter Angabe des jeweiligen Unternehmensnamens sind Rechnungsdaten und Rechnungsbeträge wiedergegeben. Allerdings lässt sich hieraus die für eine nach HOAI korrekte Abrechnung notwendige Differenzierung zwischen Erweiterung und Umbau nicht entnehmen. Mithin muss festgestellt werden, dass der Architekt durch die ihm mitgeteilten Daten nicht in die Lage versetzt wird, die für eine HOAI-gemäße Abrechnung erforderlichen anrechenbaren Kosten zu bestimmen.
Die Bauherrin kann nicht darauf verweisen, die Auskunftserteilung sei ihr nur unter unzumutbaren Anstrengungen möglich.
Sicherlich ist von der Bauherrin nicht zu erwarten, dass sie unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen mit den entsprechenden Kosten die einzelnen Rechnungen und die darin aufgeführten Arbeiten den unterschiedlichen Auftragsteilen zuordnet. Die Bauherrin kann jedoch in zumutbarer, da mit überschaubarem Zeit- und Kostenaufwand verbundener Weise ihrem Auskunftsanspruch dadurch gerecht werden, dass sie den Architekt Einsicht nehmen lässt in die entsprechenden Rechnungen, Angebote und Pläne, die für die Zuordnung notwendig sind. Es obliegt dann dem Architekt, hieraus die anrechenbaren Kosten zu ermitteln.
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 21. Oktober 2014 – 10 U 70/14
- BGH BauR 95, 126[↩]