Es wird nicht automatisch für sämtliche tatsächlich an die Stärkehersteller gelieferten Kartoffeln eine Beihilfe für Erzeuger von Stärkekartoffeln nach der EG-Verordnung Nr. 1782/2003 gewährt. Die Beihilfe wird maximal für die Menge an Kartoffeln – ausgedrückt in Stärkeäquivalent – gewährt, für die der Kartoffelerzeuger und der Stärkehersteller im Rahmen des diesem zugeteilten Kontingents nach Art. 2 Abs. 2 oder Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1868/94 einen Anbauvertrag geschlossen haben. Für auf den vorgesehenen Flächen erzeugte Übermengen an Kartoffeln wird eine Beihilfe nach den genannten Vorschriften nicht gewährt.

Die Gewährung dieser Beihilfe setzt voraus, dass die gelieferten Kartoffeln auf den Flächen erzeugt wurden, die in dem Anbauvertrag hierfür vorgesehen waren (Flächenbindung der gelieferten Kartoffeln). Dies gilt aber nicht für die Übermengen an Kartoffeln, die für eine Beihilfegewährung nicht in Betracht kommen können.
Art. 29 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 stellt keine Sanktionsbestimmung im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 dar, die allein Grundlage für eine weitergehende Kürzung oder dem vollständigen Entzug einer Beihilfe sein kann.
Im hier vom Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht entschiedenen Fall ist der angefochtene, die Gewährung einer Beihilfe für Erzeuger von zur Stärkeherstellung bestimmten Kartoffeln für das Wirtschaftsjahr 2006/2007 versagende Bescheid der Beklagten rechtswidrig und verletzt die Rechte des Klägers. Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung dieser Beihilfe in Höhe von 3.172,09 EUR.
Rechtliche Grundlage für den geltend gemachten Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Beihilfe für Betriebsinhaber, die Kartoffeln zur Herstellung von Stärke erzeugen, sind Art. 93 und 94 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe1 in der für das Wirtschaftsjahr 2006/2007 maßgeblichen Fassung der Verordnung (EG) Nr. 583/2004 des Rates vom 22. März 20042.
Nach diesen Vorschriften wird Betriebsinhabern, die Kartoffeln zur Herstellung von Stärke erzeugen, eine Beihilfe gewährt. Der Beihilfebetrag von 66,32 EUR gilt für die Kartoffelmenge, die für die Herstellung einer Tonne Stärke erforderlich ist. Der Betrag wird je nach dem Stärkegehalt der Kartoffeln angepasst. Nach Art. 94 der Verordnung wird die Beihilfe nur für die Kartoffelmenge gewährt, für die der Kartoffelerzeuger und der Stärkehersteller im Rahmen des diesem zugeteilten Kontingents nach Art. 2 Abs. 2 oder Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1868/94 einen Anbauvertrag geschlossen haben.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die letztgenannte Bestimmung nicht dahin verstanden werden, dass Erzeuger für sämtliche tatsächlich an die Stärkehersteller gelieferten Kartoffeln eine Beihilfe nach dieser Verordnung erhalten können, sofern die Kartoffeln aufgrund eines mit dem Stärkehersteller geschlossenen Anbauvertrages angeliefert werden. Zwar sieht Art. 3 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2236/2003 der Kommission vom 23. Dezember 2003 mit Durchführungsbestimmungen für die Verordnung (EG) Nr. 1868/94 zur Einführung einer Kontingentierungsregelung für die Kartoffelstärkeerzeugung3 in der für das Wirtschaftsjahr 2006/2007 maßgeblichen Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1950/2005 der Kommission vom 28. November 20054 die Möglichkeit vor, dass sich ein Stärkeunternehmen sogenannte Übermengen an Kartoffeln liefern lassen kann, wenn es den dafür vorgesehenen Mindestpreis zahlt. Bei solchen Übermengen handelt es sich um Kartoffeln, welche die im Rahmen eines Anbauvertrags tatsächlich erzeugte Menge an Kartoffeln, ausgedrückt in Stärkeäquivalent, überschreitet. Die Abnahme solcher Übermengen durch das Stärkeunternehmen ist daher zulässig und erfolgt auf Grundlage eines Anbauvertrages. Gleichwohl wird hierfür keine Beihilfe nach Art. 93 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 gewährt.
Die Beihilfe für Kartoffelerzeuger nach Art. 93 und 94 der Verordnung ersetzt die bis zum Wirtschaftsjahr 2003/2004 vorgesehene Ausgleichszahlung nach Art. 8 Abs. 2 Verordnung (EWG) Nr. 1766/92 des Rates vom 30. Juni 1992 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide5, wobei Art. 94 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 und Art. 8 Abs. 2 UAbs. 3 Verordnung (EWG) Nr. 1766/92 inhaltsgleiche Regelungen enthalten. Insoweit haben die Bedingungen für die Gewährung einer Beihilfe für Erzeuger von zur Stärkeherstellung bestimmten Kartoffeln ab dem Wirtschaftsjahr 2004/2005 im Vergleich zum vorangegangenen Wirtschaftsjahr keine inhaltliche Änderung erfahren. Im Wirtschaftsjahr 2003/2004 war der Beihilfeanspruch nach Art. 8 Abs. 2 Verordnung (EWG) Nr. 1766/92 bereits auf die im Anbauvertrag vereinbarte Menge an Kartoffeln begrenzt, die zur Herstellung von Stärke im bestimmten Umfang (als Teil des dem Stärkeunternehmen im betreffenden Wirtschaftsjahr zugeteilten Unterkontingents) erforderlich ist. Für sogenannte Übermengen an Kartoffeln wurden Zahlungen nach Art. 8 Abs. 2 Verordnung (EWG) Nr. 1766/92 nicht gewährt.
Mit den Verordnungen (EWG) Nr. 1765/92 des Rates vom 30. Juni 1992 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen6 und Nr. 1766/92 des Rates vom 30. Juni 1992 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide wurde beginnend mit dem Wirtschaftjahr 1993/94 die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) eingeleitet. Die Reform war im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass zwar das bisherige Interventionssystem beibehalten, der Richtpreis aber deutlich gesenkt wurde. Als Ausgleich für daraus folgende Einkommensverluste der Erzeuger wurden direkte Einkommensbeihilfen gewährt7: Den Kartoffelstärkeerzeugern wurden nunmehr auf Grundlage des Art. 1 Abs. 1 Verordnung (EWG) Nr. 1543/93 des Rates vom 14. Juni 19938 Beihilfen gewährt, wobei weiterhin Voraussetzung war, dass der Stärkeerzeuger den in Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1766/92 vorgesehenen Mindestpreis gezahlt hatte. Zum Ausgleich des über die Wirtschaftsjahre hin sinkenden Mindestpreises erhielten die Erzeuger von zur Stärkeherstellung bestimmten Kartoffeln entsprechende Ausgleichszahlungen (Art. 8 Abs. 2 Verordnung (EWG) Nr. 1766/92).
Da bis dahin im Kartoffelstärkesektor keine Produktionsbeschränkungen bestanden, wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 1868/94 – beginnend mit dem Wirtschaftsjahr 1995/96 – eine Kontingentsregelung eingeführt, Art. 1 der Verordnung9.
Im Zusammenhang mit der Einführung der Kontingentsregelung wurde eine Ausgleichszahlung für Erzeuger von zur Stärkeherstellung bestimmten Kartoffeln beginnend mit dem Wirtschaftsjahr 1995/96 nur noch für die Kartoffelmenge gewährt, die durch einen Vertrag gebunden war10. Aus dem Satz 2 des 1. Erwägungsgrund der letztgenannten Verordnung wird deutlich, dass die Ausgleichszahlungen für Erzeuger von Kartoffeln lediglich für die Kartoffelmenge gewährt werden soll, welche ein Erzeuger an ein kartoffelstärkeerzeugendes Unternehmen „im Rahmen des letzterem zugeteilten Kontingents“ liefert, damit nicht zu viel Kartoffelstärke erzeugt wird. Hieraus ist zu folgern, dass aus Gründen der Sicherung der Kontingentsregelung im Kartoffelstärkesektor die Produktion von Übermengen an Kartoffeln, die im Regelfall zur Überschreitung der den Stärkeunternehmen zugeteilten Kontingente führt, nicht durch die Gewährung von Beihilfen gefördert werden sollte. Mithin muss sich die vom Erzeuger an das Stärkeunternehmen gelieferte Kartoffelmenge – bezogen auf die Ausgleichszahlungen – im Rahmen des dem Stärkeunternehmen zugeteilten Kontingents halten.
Bestätigt wird dies dadurch, dass die Gewährung weiterer Beihilfen für Erzeuger von zur Stärkeherstellung bestimmten Kartoffeln nicht von der Entscheidung des Stärkeunternehmens abhängen kann. Die Stärkeunternehmen waren ihren Erzeugern gegenüber zur Abnahme von Übermengen an Kartoffeln nicht verpflichtet. Vielmehr stand es ihnen frei, sich solche Mengen liefern zu lassen, sofern sie dafür den vorgesehenen Mindestpreis für die Erzeuger zahlten11. Wollte man – wie die Beklagte meint – für Übermengen an Kartoffeln Beihilfen für Erzeuger gewähren, hinge dies letztlich von der Entscheidung des jeweiligen Stärkeunternehmens ab, solche Mengen tatsächlich abzunehmen.
Hiernach zielt die Kontingentsregelung darauf, dass die Erzeuger allein im Rahmen der zugeteilten Kontingente ihre Kartoffeln zum Mindestpreis zuzüglich der Ausgleichs-/Beihilfezahlung vermarkten können.
Nach Maßgabe dessen kann der Kläger für im Wirtschaftsjahr 2006/2007 an Stärkeunternehmen auf Grundlage der mit diesen geschlossenen Anbauverträge gelieferte Kartoffeln mit einem Stärkeäquivalent von zusammen 49,823 t eine Beihilfe in Höhe von 3.172,09 EUR beanspruchen, worauf die Beklagte bereits eine Teilzahlung in Höhe von 811,87 EUR erbracht hat. Für darüber hinausgehend gelieferte Übermengen an Kartoffeln besteht hingegen kein Beihilfeanspruch nach Art. 93, 94 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003; einen solchen Anspruch hat der Kläger aber auch nicht geltend gemacht, so dass auch nicht von eine teilweisen Antragsrücknahme des Klägers ausgegangen werden kann.
Der Einwand der Beklagten, dem Kläger habe entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht freigestanden, Stärkekartoffeln eines anderweitig vertraglich gebundenen Schlags abweichend von den vertraglichen Vereinbarungen an eine andere Stärkefabrik zu liefern, vermag eine Änderung des angegriffenen Urteils nicht zu rechtfertigen. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zu Recht den Beihilfeanspruch des Klägers nicht deshalb verneint, weil der Kläger einen Teil der Kartoffeln von Anbauflächen, die für eine Belieferung der AVEBE vorgesehen gewesen waren, tatsächlich an die Emsland-Stärke GmbH lieferte.
Allerdings erweist sich die vom Verwaltungsgericht12 dafür gegebene Begründung nicht als tragfähig. Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung darauf gestützt, dass die zwischen dem Kläger und den Stärkeunternehmen abgeschlossenen Anbau- und Lieferverträge nicht auch zu einer Lieferung von Kartoffeln von einem bestimmten Schlag verpflichte. Das Verwaltungsgericht hat insoweit näher ausgeführt: Einerseits sei der AVEBE nicht einmal bekannt gewesen, auf welchem seiner Schläge der Kläger die vertragsgebundenen Kartoffeln zu erzeugen gedacht habe. Der Vertrag mit der Emsland-Stärke GmbH sehe zwar durch die Bezugnahme auf die beizufügende Ablichtung des Gesamtflächen- und Nutzungsnachweises die Darstellung der Anbauflächen vor. Diese habe aber erkennbar nur den Zweck, schlüssig nachvollziehen zu können, dass der Kartoffelerzeuger nur selbst angebaute Kartoffeln anliefere. Dies sei für das Stärkeunternehmen erheblich, um nicht prämienschädlich nicht selbst erzeugte Kartoffeln von seinen Lieferanten anzunehmen. Auf welcher Fläche konkret die Vertragsmenge erzeugt werde, sei für das Stärkeunternehmen unerheblich; die Angabe der Schläge diene nur dazu, die Erklärung, es sollten zur Vertragserfüllung nur selbst erzeugte Kartoffeln angeliefert werden, nachvollziehbar machen. Damit sei auch im Vertrag mit der Emsland-Stärke GmbH nicht Vertragsgegenstand geworden, dass nur solche Kartoffeln zur vertragsgemäßen Erfüllung der Lieferpflichten geeignet seien, die auf den angegebenen Schlägen erzeugt worden seien.
Dem folgt das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht nicht. Bereits aus Art. 94 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 ergibt sich, dass allein für die Kartoffeln eine Beihilfe gewährt werden kann, die aufgrund eines mit einem Stärkeunternehmen geschlossenen Anbauvertrags diesem geliefert wurden. Unter Bezugnahme auf die Kontingentsregelung des Art. 2 Abs. 2 und 4 Verordnung (EG) Nr. 1868/94 war es den Stärkeunternehmen zum einen untersagt, Anbauverträge mit Kartoffelerzeugern für Kartoffelmengen abschließen, die zu einer Überschreitung des Kontingents geführt hätten13. Zum anderen war es ihnen verboten, Kartoffellieferungen anzunehmen, die nicht durch einen Anbauvertrag gebunden waren14. Diese Vorschriften zielten in erster Linie auf die Sicherung der Kontingentsregelung15.
Mit dieser Zielrichtung wäre es nicht zu vereinbaren, allein sicherzustellen, dass der jeweilige Kartoffelerzeuger den mit ihm vertraglich verbundenen Stärkeunternehmen lediglich selbst erzeugte Kartoffeln liefert. Wollte man dem Verwaltungsgericht folgen, wäre die Anlieferung und Verarbeitung von Kartoffeln zulässig, die der Kartoffelerzeuger auch auf anderen (weiteren) Flächen selbst erzeugte. Dies stünde aber im Widerspruch zu der Kontingentsregelung, welche die Stärkeherstellung durch der Kontingentsregelung unterliegende Unternehmen mengenmäßig begrenzen wollte (arg. Art. 7 Verordnung (EG) Nr. 1868/94).
Auch in Fällen, in denen – wie hier – der Erzeuger mit mehreren Stärkeunternehmen Anbauverträge geschlossen hat, ließe sich ohne einen Flächenbezug der Anbauverträge nicht feststellen, ob angelieferte Kartoffeln vertragsgebunden im Sinne des Art. 3 Abs. 4 und 5 Verordnung (EG) Nr. 2236/2003 („im Rahmen des Anbauvertrags tatsächlich erzeugte Menge“) waren. Eine Zuordnung der erzeugten Kartoffeln zu den verschiedenen Stärkeunternehmen und damit eine wirksame Kontrolle der Voraussetzung des Art. 3 Abs. 4 und 5 der genannten Verordnung und die Sanktionierung nach Art. 11 Abs. 4 der Verordnung im Falle einer Nichteinhaltung des Art. 3 Abs. 5 der Verordnung wären unmöglich. Diese Auslegung findet ihre Bestätigung in Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung. Nach dieser Vorschrift muss ein Anbauvertrag im Sinne des Art. 1 Buchst. c der Verordnung die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 der Kommission über das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem16 identifizierte Anbaufläche, ausgedrückt in Hektar mit zwei Dezimalstellen enthalten. Hiernach sind allein auf den im Anbauvertrag genannten Flächen erzeugte Kartoffeln solche, die im Sinne des Art. 3 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2236/2003 als „im Rahmen des Anbauvertrags tatsächlich erzeugte Menge“ gelten sowie solche über die im Sinne des Art. 3 Abs. 5 der Verordnung das Stärkeunternehmen einen Anbauvertrag geschlossen hat.
Entgegen der Annahme der Beklagten sind die Kartoffellieferungen, soweit der Kläger hierfür eine Beihilfe begehren kann, auf den in den Anbauverträgen jeweils vorgesehenen und beantragten Flächen erzeugt sowie auf Grundlage der Anbauverträge an das jeweilige Stärkeunternehmen geliefert worden. Der Kläger kann lediglich eine Beihilfe für Kartoffellieferungen an die Emsland-Stärke GmbH mit einem Stärkeäquivalent von 19,807 t und an die AVEBE mit einem Stärkeäquivalent von 30,016 t beanspruchen. Tatsächlich hat der Kläger an die AVEBE Kartoffeln mit einem Stärkeäquivalent von 30,810 t geliefert, die er auf den Schlägen 21 und 60 erzeugte, die dem Anbauvertrag mit der AVEBE zugrunde lagen. Weiter ist davon auszugehen, dass das Stärkeäquivalent der vom Kläger auf dem Schlag 41 (Anbaufläche Emsland-Stärke GmbH) erzeugten und der Emsland-Stärke GmbH gelieferten Kartoffeln rd. 24 t betrug. Dem liegt zugrunde, dass bei im Wesentlichen gleichem Ernteertrag auf allen genannten Schlägen in 2006 der Durchschnittsertrag rd. 34,359 t Kartoffeln (netto) je Hektar betrug, so dass der Kläger auf dem Schlag 41 mit einer Größe von 3,41 ha anteilig 117,164 t Kartoffeln (netto) erzeugte. Da aus den vom Kläger an die Emsland-Stärke GmbH gelieferten 150,595 t Kartoffeln (netto) 30,801 t Stärke hergestellt wurden, ergibt sich für eine Kartoffelmenge (netto) von 117,164 eine anteilige Stärkeproduktion von 23,963 t.
Dabei ist das Gericht davon überzeugt, dass die Kartoffeln, die der Kläger an die AVEBE lieferte, von ihm auf den Schlägen 21 und 60 erzeugt wurden. Der Kläger hat dargelegt, dass die Kartoffeln auf den jeweiligen Schlägen geerntet und dort abgelagert wurden. Zunächst seien sämtliche Kartoffeln des Schlags 41 am 27. Oktober 2006 sowie am 4. und 6. November 2006 an die Emslandstärke geliefert worden. Nachfolgend seien am 11. November 2006 von den anderen Schlägen (die Schläge 21 und 60) sechs Lieferungen an die AVEBE gegangen, so dass der die mit dieser Gesellschaft vereinbarte Menge erbracht habe. Die restlichen Kartoffeln dieser Schläge seien sodann – am 23. November 2006 – an die Emsland-Stärke GmbH geliefert worden. Insoweit hat er auf die vorgelegten Lieferbescheinigungen der Emsland-Stärke GmbH und die AVEBE verwiesen. Diesem Vorbringen ist die Beklagte nicht mehr substantiiert entgegengetreten.
Hiernach hat der Kläger die in den Anbauverträgen mit der Emsland-Stärke GmbH und der AVEBE vereinbarten Kartoffelmengen – ausgedrückt in Stärkeäquivalent – mit auf den jeweils vorgesehenen Anbauflächen erzeugten Kartoffeln geliefert. Soweit der Kläger eine Beihilfe nach Art. 93 und 94 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 begehrt, rühren die zugrunde liegenden Kartoffellieferungen nicht von Anbauflächen her, die anderen Stärkeunternehmen zuzuordnen waren.
Mit anderen Worten: Aufgrund der Flächenbindung kann der Kläger für die Übermengen an Kartoffeln der Schläge Nr. 21 und 60 mit einem Stärkeäquivalent von 6,838 t, die der Kläger nicht an die AVEBE, sondern an die Emsland-Stärke GmbH lieferte, keine Beihilfe nach Art. 93 und 94 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 beanspruchen; einen solchen Anspruch hat der Kläger aber auch nicht geltend gemacht, zumal ein solcher Beihilfeanspruch für Lieferungen von Übermengen an Kartoffeln aus den unter genannten Gründen schon dem Grunde nach nicht gegeben sein kann.
Dem geltend gemachten Beihilfeanspruch steht auch nicht Art. 29 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 entgegen. Nach dieser Vorschrift erhalten unbeschadet besonderer Bestimmungen in einzelnen Stützungsregelungen Betriebsinhaber keine Zahlungen, wenn feststeht, dass sie die Voraussetzungen für den Erhalt solcher Zahlungen künstlich geschaffen haben, um einen den Zielen der betreffenden Stützungsregelung zuwiderlaufenden Vorteil zu erwirken. Nach dem 21. Erwägungsgrund der Verordnung sehen die Stützungsregelungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik direkte Einkommensbeihilfen vor allem vor, um der landwirtschaftlichen Bevölkerung eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten; dieses Ziel sei eng verknüpft mit der Erhaltung ländlicher Gebiete. Um eine Fehlleitung von Gemeinschaftsmitteln zu verhindern, sollten Betriebsinhaber keine Stützungszahlungen erhalten, die die Voraussetzungen für den Bezug dieser Zahlungen künstlich schaffen. Art. 29 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 spiegelt den allgemeinen Rechtsgrundsatz des Unionsrechts wider, wonach die missbräuchliche Berufung auf Normen des Unionsrechts ausgeschlossen ist; mithin kann die Anwendung von Unionsrecht nicht so weit reichen, dass missbräuchliche Praktiken, d. h. Vorgänge geschützt werden, die nicht im Rahmen des normalen Geschäftsverkehrs, sondern nur zu dem Zweck durchgeführt werden, missbräuchlich in den Genuss von im Unionsrecht vorgesehenen Vorteile zu gelangen17. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger durch die Lieferung von Übermengen der Schläge 21 und 60 an die Emsland-Stärke GmbH versucht hat, missbräuchlich in den Genuss von im Unionsrecht vorgesehenen Vorteilen zu gelangen. Er hat wie andere Erzeuger im Rahmen von Anbauverträgen mit Stärkeunternehmen Kartoffeln erzeugt und geliefert und damit einen Anspruch auf Beihilfe nach Art. 93 und 94 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 begründet. In diesem Zusammenhang hat die Beklagte nicht aufgezeigt, dass der Kläger diese Voraussetzungen „künstlich“ geschaffen hat. Soweit der Kläger Übermengen an Kartoffeln an die Emsland-Stärke GmbH geliefert hat, obwohl diese Kartoffeln im Rahmen eines mit einem anderen Stärkeunternehmen geschlossenen Anbauvertrags erzeugt wurden, belegt dies nicht den Versuch, im Unionsrecht vorgesehene Vorteile missbräuchlich in Anspruch nehmen zu wollen. Denn einem Erzeuger wird für die Lieferung von Übermengen nach Art. 93 und 94 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 ohnehin keine Beihilfe gewährt. Dementsprechend war es dem Kläger gar nicht möglich, für diese Lieferungen Beihilfen nach der genannten Stützungsregelung zu erlangen.
Im Übrigen handelt es sich bei Art. 29 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 nicht um eine Sanktionsbestimmung im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates vom 18. Dezember 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften18, die allein Grundlage für eine weitergehende Kürzung oder dem vollständigen Entzug einer Beihilfe sein kann. Vielmehr stellt die Versagung oder der Entzug eines Vorteils, der den Zielsetzungen des einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften zuwiderläuft, indem künstlich die Voraussetzungen für die Erlangung dieses Vorteils geschaffen werden, eine verwaltungsrechtliche Maßnahme dar (Art. 4 Abs. 3 der genannten Verordnung). Mit Blick auf den auch im Unionsrecht geltenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit19 rechtfertigt Art. 29 der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 deshalb allein die Versagung einer Zahlung, soweit die Voraussetzungen für den Erhalt solcher Zahlungen künstlich geschaffen worden sind, nicht aber eine darüber hinausgehende Kürzung oder den vollständigen Entzug des vorgesehenen Vorteils20. Wollte man in der Lieferung von Übermengen von Kartoffeln an ein Stärkeunternehmen von Anbauflächen, die im Rahmen eines mit einem anderen Stärkeunternehmen geschlossenen Anbauvertrags erzeugt wurden, ein künstlichen Schaffen der Voraussetzungen für die Gewährung einer Beihilfe nach Art. 93 und 94 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 sehen, wäre allenfalls für diese Übermengen eine Versagung der Zahlung, nicht jedoch die vollständige Versagung der Beihilfe nach Art. 29 der Verordnung gerechtfertigt.
Der Beihilfeanspruch des Klägers ist auch nicht nach Art. 52 Abs. 1 und 3 Verordnung (EG) Nr. 796/2004 zu kürzen. Nach diesen Vorschriften wird die zu zahlende Beihilfe um das Doppelte der festgestellten Differenz gekürzt, wenn die tatsächlich bebaute Fläche um mehr als 10 % geringer als die für die Zahlung der Beihilfe für Stärkekartoffeln gemäß Kapitel 6 von Titel IV der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 angemeldeten Flächen ist. Falls der Betriebsinhaber die in Absatz 1 aufgeführte Unregelmäßigkeit vorsätzlich begangen hat, wird der gesamte Betrag der Beihilfe verweigert. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Die Beklagte hat erstmals mit Schriftsatz vom 26. Juli 2011 auf die Möglichkeit einer Sanktion verwiesen. Tragende Feststellungen hat sie hierzu bisher nicht getroffen. Zwar ist der Beklagten einzuräumen, dass bei ex-post Betrachtung unter Berücksichtigung der tatsächlich erzielten Kartoffelerträge es dem Kläger möglich gewesen wäre, die in dem Anbauvertrag mit der AVEBE vereinbarte Kartoffelmenge auf einer um rd. 1,07 ha geringeren Fläche zu erzeugen. Hieraus kann aber nicht der Gegenschluss gezogen werden, dass der Kläger die an die AVEBE gelieferten Kartoffeln tatsächlich auf einer Anbaufläche zur Größe von nur 4,19 ha angebaut hat. Dementsprechend lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger nicht mindestens 90 % der angemeldeten Flächen tatsächlich dazu nutzte, für zur Stärkeherstellung bestimmte Kartoffeln für die jeweiligen Stärkeunternehmen anzubauen. Wollte man der Beklagten folgen, wäre die Beihilfe nach Art. 93 und 94 Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 auch für den Fall zu kürzen, dass ein Stärkeunternehmen Übermengen nicht abnimmt und deshalb diese Kartoffelmengen nicht zur Stärkeherstellung verwendet worden sind. Denn auch in diesem Fall wäre nicht die gesamte vorgesehene Fläche für die Erzeugung der tatsächlich angelieferten Kartoffelmenge erforderlich gewesen.
Dass das Verwaltungsgericht entgegen § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO die Beklagte lediglich zur Neubescheidung, nicht aber zur Gewährung einer Beihilfe in bestimmter Höhe verpflichtet hat, beschwert allein den Kläger und rechtfertigt es nicht, das angefochtene Urteil zu ändern (§ 129 VwGO).
Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 9. August 2011 – 10 LB 115/09
- ABl. Nr. L 270 S. 1[↩]
- ABl. Nr. L 91 S. 1[↩]
- ABl. Nr. L 339 S. 45[↩]
- ABl. Nr. L 312 S. 18[↩]
- ABl. Nr. L 181 S. 21[↩]
- ABl. Nr. L 181 S. 12[↩]
- vgl. 2. Erwägungsgrund der Verordnung (EWG) Nr. 1765/92 sowie 2. und 3. Erwägungsgründe der Verordnung (EWG) Nr. 1766/92[↩]
- ABl. Nr. L 154 S. 4[↩]
- zu den Folgen im Einzelnen vgl. Nds. OVG, Urteil vom 17.05.2011 – 10 LC 287/08[↩]
- Art. 8 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 1766/92 in der Fassung der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1863/95 des Rates vom 17. Juli 1995, ABl. Nr. L 179 S. 1[↩]
- für die Wirtschaftsjahre 1995/96 bis 2003/04: Art. 4 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 97/95; für die Wirtschaftsjahre ab 2004/2005 Art. 3 Abs. 4 Verordnung (EG) Nr. 2236/2003[↩]
- VG Osnabrück, Urteil vom 17.06.2008 – 1 A 196/07[↩]
- Art. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1868/94 und ab dem Wirtschaftsjahr 2004/2005 Art. 3 Abs. 3 Verordnung (EG) Nr. 2236/2003[↩]
- Art. 4 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 97/95 der Kommission vom 17. Januar 1995 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EWG) Nr. 1766/92 – ABl. Nr. L 16 S. 3 – und ab dem Wirtschaftsjahr 2004/2005 Art. 3 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 2236/2003[↩]
- vgl. 4. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 97/95 und 3. Erwägungsgrund der Verordnung (EG) Nr. 2236/2003[↩]
- ABl. Nr. L 327 S. 11[↩]
- vgl. EuGH Urteil vom 05.07.2007 – C‑321/05, Kofoed, Slg. 2007, I‑5795, Rdnr. 38; Urteil vom 21.02.2006 – C‑255/02, Halifax, Slg. 2006 I‑1609, Rdnr. 68 f.; Urteil vom 21.07.2005 – C‑515/03, Eichsfelder Schlachtbetrieb, Slg. 2005 I‑7355, Rdnr. 39; Urteil vom 14.12.2000 – C‑110/99, Emsland-Stärke, Slg. 2000 I‑11569, Rdnr. 50 f.[↩]
- ABl. Nr. L 312 S. 1[↩]
- vgl. EuGH, Urteil vom 05.05.2011 – C‑201/10, Ze Fu Fleischhandel; Urteil vom 05.05.2011 – C‑230/09, Etling und Etling[↩]
- vgl. durch den Rechtsfolgen einer Sanktion: Art. 5 Abs. 1 Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95[↩]