Bewertungsportale – und kein Auskunftsanspruch

Dem durch persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte einer Internetseite (hier: zur Bewertung von Ärzten) Betroffenen kann ein Unterlassungsanspruch gegen den Diensteanbieter zustehen1. Darüber hinaus darf der Diensteanbieter nach § 14 Abs. 2, § 15 Abs. 5 Satz 4 TMG auf Anordnung der zuständigen Stellen im Einzelfall Auskunft über Bestands, Nutzungs- und Abrechnungsdaten erteilen, soweit dies u.a. für Zwecke der Strafverfolgung erforderlich ist.

Bewertungsportale – und kein Auskunftsanspruch

Der Betreiber eines Internetportals ist in Ermangelung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Sinne des § 12 Abs. 2 Telemediengesetz (TMG) dagegen grundsätzlich nicht befugt, ohne Einwilligung des Nutzers dessen personenbezogene Daten zur Erfüllung eines Auskunftsanspruchs wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung an den Betroffenen zu übermitteln.

Allerdings besteht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Auskunftspflicht bei jedem Rechtsverhältnis, dessen Wesen es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen2. Für die erforderliche besondere rechtliche Beziehung zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem genügt auch ein gesetzliches Schuldverhältnis3. Ein derartiges gesetzliches Schuldverhältnis besteht vorliegend aufgrund des aus §§ 823, 1004 BGB folgenden; und vom rechtskräftig zuerkannten Unterlassungsanspruchs des Betroffenen gegen die Betroffene4.

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zudem anerkannt, dass der Berechtigte unter den vorstehend genannten Voraussetzungen auch die Nennung der Namen Dritter zur Ermittlung der Quelle der Rechtsbeeinträchtigung verlangen kann, um künftige Beeinträchtigungen zu vermeiden; Schuldner des Hauptanspruchs muss daher nicht der Inanspruchgenommene, sondern kann auch ein Dritter sein5.

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Offen bleiben kann, ob § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG, wonach ein Diensteanbieter die Nutzung von Telemedien anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen hat, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist, einer Auskunftserteilung über Nutzerdaten entgegensteht6.

Die vom Betroffenen begehrte Auskunftserteilung scheitert jedenfalls daran, dass die Betroffene gemäß § 12 Abs. 2 TMG nicht zur Herausgabe der zur Bereitstellung des Telemediums erhobenen Anmeldedaten befugt ist. Der Betroffenen ist aufgrund dieser Bestimmung die Herbeiführung des geschuldeten Erfolges rechtlich unmöglich (§ 275 Abs. 1 BGB)7. Es fehlt an der erforderlichen datenschutzrechtlichen Ermächtigungsgrundlage, die die Betroffene zur Erfüllung eines Auskunftsanspruchs des Betroffenen berechtigten würde,8.

Nach dem Gebot der engen Zweckbindung des § 12 Abs. 2 TMG9 dürfen für die Bereitstellung von Telemedien erhobene personenbezogene Daten für andere Zwecke nur verwendet werden, soweit eine Rechtsvorschrift dies erlaubt oder der Nutzer – was hier nicht in Rede steht – eingewilligt hat. Ein Verwenden im Sinne des § 12 Abs. 2 TMG stellt auch die Übermittlung der Daten an Dritte dar (vgl. § 3 Abs. 5, Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 BDSG)10. Eine Erlaubnis durch Rechtsvorschrift kommt außerhalb des Telemediengesetzes nach dem Gesetzeswortlaut lediglich dann in Betracht, wenn sich eine solche Vorschrift ausdrücklich auf Telemedien bezieht (sog. Zitiergebot)11.

Der aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleitete allgemeine Auskunftsanspruch beinhaltet keine Erlaubnis im Sinne des § 12 Abs. 2 TMG, die sich ausdrücklich auf Telemedien bezieht12.

Eine Ermächtigung zur Erteilung der begehrten Auskunft ergibt sich auch nicht aus § 14 Abs. 2 TMG. Nach dieser Bestimmung, die nach § 15 Abs. 5 Satz 4 TMG auf Nutzungs- und Abrechnungsdaten entsprechend anwendbar ist, darf zwar der Diensteanbieter auf Anordnung der zuständigen Stellen im Einzelfall Auskunft über Bestandsdaten erteilen, soweit dies für Zwecke der Strafverfolgung, zur Gefahrenabwehr durch die Polizeibehörden der Länder, zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes oder des Militärischen Abschirmdienstes oder des Bundeskriminalamtes im Rahmen seiner Aufgabe zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus oder zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist. Eine Ermächtigung zur Auskunftserteilung zu Zwecken des Schutzes von Persönlichkeitsrechten ist darin jedoch nicht enthalten13.

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Eine analoge Anwendung von § 14 Abs. 2 TMG, § 15 Abs. 5 Satz 4 TMG scheidet ebenfalls aus, da es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt.

Eine Analogie setzt voraus, dass das Gesetz eine Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Die Unvollständigkeit des Gesetzes muss „planwidrig“ sein14.

Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergibt, sollte mit der Erweiterung der Auskunftsermächtigung auf Auskünfte zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum in § 14 Abs. 2 bzw. § 15 Abs. 5 Satz 4 TMG die mitgliedstaatliche Verpflichtung zur Sicherstellung bestimmter Auskunftsrechte nach der Richtlinie 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums15 umgesetzt werden16. Die Richtlinie bezieht sich nach Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 jedoch nicht auf Persönlichkeitsrechte, sondern dient ausschließlich dem Schutz des geistigen Eigentums, um Innovation und kreatives Schaffen zu fördern, den Arbeitsmarkt zu entwickeln und die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern17.

Die Frage, ob dem Betroffenen bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen – neben der Möglichkeit, Unterlassungsansprüche gegen den Diensteanbieter geltend zu machen18, – ein Auskunftsanspruch gegen den Diensteanbieter zustehen solle, wurde in den Gesetzesberatungen diskutiert, ohne dass dies zu einer Ausweitung des § 14 Abs. 2 TMG geführt hätte19. Der Sachverständige von Braunmühl sprach sich vor dem Ausschuss dafür aus, dass man bei schwerwiegenden Persönlichkeitseingriffen die Daten „der dahinter stehenden Person“ erfahren müsse20. Demgegenüber äußerte der Sachverständige Dr. Bizer, dass es z.B. bei Beleidigungen oder Verleumdungen den Auskunftsanspruch zu Zwecken der Strafverfolgung gebe, der völlig ausreichend sei21. Davon, dass der Gesetzgeber die Begrenzung der Auskunftsansprüche auf die Durchsetzung von Rechten am geistigen Eigentum übersehen haben könnte22, kann unter diesen Umständen nicht ausgegangen werden.

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Die Beschränkung der Ermächtigung zur Auskunftserteilung auf Inhaber von Rechten am geistigen Eigentum mag zwar wenig nachvollziehbar23 und eine Ausweitung auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen – in Anlehnung an § 14 Abs. 2 TMG in Verbindung mit § 101 UrhG, § 19 MarkenG und § 140b PatG – wünschenswert sein24. Eine solche Regelung müsste jedoch der Gesetzgeber treffen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 1. Juli 2014 – VI ZR 345/13

  1. vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219[]
  2. st. Rspr. seit BGH, Urteil vom 28.10.1953 – II ZR 149/52, BGHZ 10, 385, 386 f.; in jüngerer Zeit etwa BGH, Beschluss vom 20.02.2013 – XII ZB 412/11, BGHZ 196, 207 Rn. 30; vgl. auch BGH, Urteil vom 28.11.1989 – VI ZR 63/89, VersR 1990, 202 mwN[]
  3. BGH, Urteile vom 31.03.1971 – VIII ZR 198/69, WM 1971, 565, 566; vom 05.06.1985 – I ZR 53/83, BGHZ 95, 274, 279 – GEMA-Vermutung I; vom 13.06.1985 – I ZR 35/83, BGHZ 95, 285, 288 – GEMA-Vermutung II; vom 24.03.1994 – I ZR 42/93, BGHZ 125, 322, 331 – Cartier-Armreif; vom 17.05.1994 – X ZR 82/92, BGHZ 126, 109, 113; vom 13.11.2001 – X ZR 134/00, BGHZ 149, 165, 175[]
  4. vgl. OLG Dresden, aaO; Kohl, Die Haftung der Betreiber von Kommunikationsforen im Internet und virtuelles Hausrecht, S. 157[]
  5. BGH, Urteile vom 24.03.1994 – I ZR 42/93, aaO, 330 f.; vom 17.05.2001 – I ZR 291/98, BGHZ 148, 26, 30 mwN – Entfernung der Herstellungsnummer II; Teilurteil vom 01.10.2009 – I ZR 94/07, NJW 2010, 2213 Rn. 35 – Oracle[]
  6. vgl. hierzu einerseits OLG Hamm, CR 2012, 128; andererseits Harting, Internetrecht 5. Aufl., Rn. 2189; Rössel, ITRB 2011, 253, 254; Lauber-Rönsberg, MMR 2014, 10, 13; Siebert, Geheimnisschutz und Auskunftsansprüche im Recht des Geistigen Eigentums, S. 217; zweifelnd OLG Dresden, aaO[]
  7. vgl. BGH, Urteile vom 25.10.2012 – VII ZR 146/11, BGHZ 195 Rn. 33; vom 21.01.2010 – Xa ZR 175/07, WM 2010, 410 Rn. 23; zur fehlenden Befugnis zur Auskunftserteilung vgl. auch BGH, Urteil vom 04.04.1979 – VIII ZR 118/78, NJW 1979, 2351, 2353[]
  8. zur Unterscheidung zwischen Auskunftsanspruch und datenschutzrechtlicher Öffnungsklausel vgl. BT-Drs. 16/3135, S. 2; Schmitz in Hoeren/Sieber/Holznagel, Handbuch Multimedia-Recht, Teil 16.02. Rn. 3, 30, 37, 167, 174 ff. (Stand: Dezember 2009); Hullen/Roggenkamp in Plath, BDSG, § 14 TMG Rn. 17; Zscherpe in Taeger/Gabel, BDSG, 2. Aufl., § 14 TMG Rn. 42[]
  9. hierzu Schmitz, aaO Rn. 34, 109, 130 (Stand: Dezember 2009); Spindler/Nink in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 2. Aufl., § 12 TMG Rn. 7; FA IT-Recht/Kamps, 2. Aufl., Kap.20 Rn. 170; vgl. auch BT-Drs. 13/7385, S. 22, zur Vorgängerregelung des § 3 Abs. 2 TDDSG[]
  10. Heckmann in jurisPK-Internetrecht, 4. Aufl., Kap. 9 Rn. 163 f.; Spindler/Dorschel, CR 2005, 38, 44[]
  11. vgl. BT-Drs. 16/3078, S. 16; Schmitz, aaO Rn. 30, 168, 189, (Stand: Dezember 2009); Bizer/Hornung in BeckRTD-Komm, § 12 TMG Rn. 63, 96; Spindler/Nink, aaO; Heckmann, aaO Rn. 183; Müller-Broich, TMG, § 12 Rn. 4; Hullen/Roggenkamp, aaO, § 12 TMG Rn. 30[]
  12. vgl. LG München I, CR 2013, 677, 678; AG München, MMR 2011, 417; Spindler/Nink, aaO; Rössel, ITRB 2011, aaO; Müller-Piepenkötter, ITRB 2011, 162, 164; Lauber-Rönsberg, aaO; Schöttler, jurisPR-ITR 7/2007 Anm. 4; zur Vorschrift des § 3 Abs. 2 TDDSG bereits KG, CR 2007, 261, 262; LG Berlin, Urteil vom 27.10.2009 – 27 O 536/09 49[]
  13. vgl. LG München I, aaO; BeckRTD-Komm/Dix, § 14 TMG Rn. 53; Roggenkamp/Stadler in jurisPK-Internetrecht, 4. Aufl., Kap. 10 Rn. 538; Spindler, CR 2007, 239, 243; Lauber-Rönsberg, aaO; Kohl, aaO, S. 174[]
  14. vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2013 – VI ZR 150/12, VersR 2013, 1013 Rn. 14; BGH, Urteil vom 14.12 2006 – IX ZR 92/05, BGHZ 170, 187 Rn. 15 mwN[]
  15. ABl. EU L 157 S. 45[]
  16. vgl. Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Vereinheitlichung von Vorschriften über bestimmte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste, BT-Drs. 16/3078, S. 12 und 16[]
  17. vgl. Erwägungsgrund 1 der Richtlinie[]
  18. vgl. insbes. BGH, Urteil vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10, BGHZ 191, 219 Rn. 18 ff.[]
  19. vgl. das Wortprotokoll der öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie am 11.12 2006, Protokoll Nr. 16/25, S. 22 ff.[]
  20. aaO S. 24[]
  21. aaO, S. 25[]
  22. so Hullen/Roggenkamp, aaO, § 14 TMG Rn. 22[]
  23. Spindler, aaO; Lauber-Rönsberg, aaO, 13 f.[]
  24. vgl. Kohl, aaO, S.194 ff.; Lauber-Rönsberg, aaO; Spindler, Persönlichkeitsschutz im Internet – Anforderungen und Grenzen einer Regulierung, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages 2012, Band I, Gutachten F 111 f.; Beschluss Nr. 18 der Abteilung IT- und Kommunikationsrecht des 69. Deutschen Juristentages zum vorgenannten Thema, in: Verhandlungen des 69. Deutschen Juristentages 2012, Band II, O 227[]
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