Ein formularmäßig aufgemachtes Angebotsschreiben für einen Eintrag in ein Branchenverzeichnis, das nach seiner Gestaltung und seinem Inhalt darauf angelegt ist, bei einem flüchtigen Leser den Eindruck hervorzurufen, mit der Unterzeichnung und Rücksendung des Schreibens werde lediglich eine Aktualisierung von Eintragungsdaten im Rahmen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses vorgenommen, verstößt gegen das Verschleierungsverbot des § 4 Nr. 3 UWG sowie gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 UWG.

Der Unterlassungsanspruch, den im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall der örtliche Herausgeber der „Gelben Seiten“ geltend gemacht hatte, ist gemäß § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 4 Nr. 3, § 5 Abs. 1 UWG begründet, weil die Beklagte den Werbecharakter ihres an Gewerbetreibende gerichteten Anschreibens verschleiert.
Eine Verschleierung im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG und damit auch eine Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 UWG liegt vor, wenn das äußere Erscheinungsbild einer geschäftlichen Handlung so gestaltet wird, dass die Marktteilnehmer den geschäftlichen Charakter nicht klar und eindeutig erkennen1. An einer hinreichend klaren und eindeutigen Erkennbarkeit fehlt es, wenn der Werbeadressat zur Annahme eines vom Unternehmer unterbreiteten Angebots verleitet werden soll, dessen werbender Charakter dadurch getarnt wird, dass der unzutreffende Eindruck vermittelt wird, die beworbene Ware oder Dienstleistung sei bereits bestellt2.
Für die Frage, wie die Werbung verstanden wird, ist die Sichtweise des durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Marktteilnehmers maßgebend3. Hiervon ist auch bei der Beurteilung auszugehen, ob der Werbecharakter einer geschäftlichen Handlung verschleiert wird4. Richtet sich die Handlung an Gewerbetreibende oder Freiberufler, so ist das durchschnittliche Verständnis der Mitglieder dieser Gruppe maßgebend.
Für die Feststellung des Verständnisses des Verkehrskreises, an den die Beklagte das beanstandete Schreiben gerichtet hat, sind die Gerichte davon ausgegangen, dass sich die Werbung an Gewerbetreibende und deren Mitarbeiter richtet, die mit der Bearbeitung von allgemeinem Schriftverkehr des Unternehmens betraut sind. Bei diesem Personenkreis kann jedenfalls eine durchschnittlich intellektuelle Erkenntnisfähigkeit erwartet werden. Gerade Gewerbetreibende und deren Mitarbeiter stehen aber nicht selten unter Zeitdruck und nehmen deshalb den Inhalt von Schreiben der hier in Rede stehenden Art oft selbst dann nicht mit der an sich gebotenen Aufmerksamkeit zur Kenntnis, wenn ihnen eine Einverständniserklärung in Form einer Unterschrift abverlangt werde. Diese Annahme hat schon in dem allgemeinen Erfahrungssatz, dass im Geschäftsleben Schreiben von vermeintlich geringer Bedeutung auch mit weniger Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen werden, eine hinreichende Grundlage.
Das von der Beklagten versandte Schreiben enthält Elemente, die zumindest bei nur oberflächlicher Befassung an einen Korrekturabzug erinnern. Für diese Feststellung brauchte das Berufungsgericht für seine Feststellung nicht einen in der Praxis üblichen Korrekturabzug zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Das Berufungsgericht hat seine Annahme vor allem auf die graphische Gestaltung des Anschreibens und die Zwischenüberschrift „Bitte die Adressdaten überprüfen und auf Wunsch vervollständigen“ gestützt. Außerdem hat es darauf abgestellt, dass der Titel „Branchenbuch Berg“ in dem Schreiben blickfangartig mit einem gelben Rechteck unterlegt ist. Dies könne – so das Berufungsgericht – bei einem Teil der Empfänger die Annahme hervorrufen, die Versendung stehe in irgendeinem Zusammenhang zu dem bekannten Branchenverzeichnis „Gelbe Seiten“, was ebenfalls dazu beitragen könne, dass der Inhalt des Schreibens vor der Unterzeichnung nur mit eingeschränkter Aufmerksamkeit überprüft werde, da der Empfänger wegen der vermeintlichen Verbindungen zu den „Gelben Seiten“ davon ausgehe, dass es damit „seine Richtigkeit haben“ werde. Diese tatrichterliche Beurteilung steht mit der Lebenserfahrung in Einklang und lässt auch sonst keinen Rechtsfehler erkennen. Soweit die Revision zu einem abweichenden Ergebnis gelangt, ersetzt sie die tatrichterliche Würdigung lediglich durch ihre eigene Sichtweise, ohne dabei einen durchgreifenden Rechtsfehler des Berufungsgerichts aufzuzeigen.
Das Berufungsgericht ist auch ohne Rechtsfehler davon ausgegangen, dass das von der Beklagten versandte Schreiben die für eine Werbung typische Anpreisung der beworbenen Ware oder Dienstleistung vermissen lässt und dass diejenigen Empfänger, die seinen Angebotscharakter erkennen, eine Kaufentscheidung angesichts des verlangten Preises nicht ernsthaft in Betracht ziehen. Das mit einer Werbung verfolgte Ziel der Absatzförderung lässt sich daher nur erreichen, wenn ein Teil der Adressaten mag es sich auch nur um einen kleinen Teil handeln den Inhalt des Schreibens bloß flüchtig zur Kenntnis nimmt. Daraus hat das Berufungsgericht mit Recht geschlossen, dass die Werbung der Beklagten gerade darauf angelegt ist, den flüchtigen Betrachter in seinem ersten unzutreffenden Eindruck zu bestätigen, es bestehe bereits ein Vertragsverhältnis mit der Beklagten5.
Für die Feststellung einer solchen Motivation der Beklagten hat das Berufungsgericht mit Recht den Inhalt des Anschreibens herangezogen6. Entgegen der Ansicht der Revision sind die Feststellungen des Berufungsgerichts zum Fehlen aussagekräftiger Angaben über die beworbene Dienstleistung der Beklagten nicht deshalb rechtsfehlerhaft, weil die auf der Rückseite des Anschreibens abgedruckten Allgemeinen Geschäftsbedingungen im vierten Abschnitt das Leistungsangebot der Beklagten darstellen und die auf der Vorderseite aufgeführten Vertragsbedingungen die Empfehlung enthalten, sich über das Leistungsangebot auf der Internetseite der Beklagten zu informieren. Das Berufungsgericht hat sich hiermit wie auch mit dem weiteren Umstand auseinandergesetzt, dass das Anschreiben auf der Vorderseite unter der Überschrift „Eintragungsbeschreibung“ einige kleingedruckte Erläuterungen zu den angebotenen Leistungen enthält. Es hat dies aber nicht als eine besondere inhaltliche Darstellung der Vorzüge der angebotenen Leistung angesehen, was wegen der Vielzahl der konkurrierenden Angebote jedoch zu erwarten gewesen wäre. Eine besondere Leistungsdarstellung ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis auf die Internetseite der Beklagten. Denn damit bleibt es allein dem Adressaten der Werbung überlassen, ob er die beworbene Leistung näher zur Kenntnis nimmt oder nicht.
Die Würdigung des Berufungsgerichts trägt zudem dem Umstand Rechnung, dass sich die Angaben zur beworbenen Dienstleistung lediglich an unauffälliger Stelle des Schreibens befinden. Mit ihrer gegenteiligen Ansicht, wonach das Anschreiben aussagekräftige Angaben über die Gegenleistung enthalte, setzt die Revision lediglich ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Berufungsgerichts, ohne einen durchgreifenden Rechtsfehler des Berufungsgerichts aufzuzeigen.
Das beanstandete Anschreiben vermittelt damit bei flüchtiger Betrachtung, auf die es die Beklagte gerade abgesehen hat, den unzutreffenden Eindruck, die beworbene Leistung sei bereits bestellt. Ist die Werbung aber gerade auf diesen flüchtigen Eindruck ausgerichtet, kann ebenso wie bei einer „dreisten Lüge„7 auch davon ausgegangen werden, dass ein ausreichender Teil des in dieser Weise angesprochenen Verkehrs getäuscht wird.
Entgegen der Ansicht der Revision setzt die Annahme einer Täuschung darüber hinaus nicht voraus, dass dem Werbeschreiben auch eine Rechnung oder ein ähnliches Dokument mit einer Zahlungsaufforderung beigefügt worden ist. Ist dies der Fall, kann die Werbung, wenn sie an Verbraucher gerichtet ist, zwar den Verbotstatbestand der Nr. 22 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG erfüllen. Daraus folgt jedoch nicht im Umkehrschluss, dass ein von diesem Verbotstatbestand nicht erfasstes Verhalten hinzunehmen ist. Vielmehr greift dann die Prüfung nach den allgemeinen Bestimmungen über unlautere Geschäftspraktiken ein8. Dies darf zwar nicht zu einem Wertungswiderspruch führen9. Ein solcher liegt hier aber auch nicht vor. Die Annahme einer Irreführung über das Bestehen einer geschäftlichen Handlung ohne Zusendung einer Zahlungsaufforderung beruht nicht darauf, dass strengere Maßstäbe an das Verhalten des Werbenden gegenüber sonstigen Marktteilnehmern angelegt werden als gegenüber Verbrauchern. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Werbung planmäßig und systematisch die Unaufmerksamkeit der Adressaten des Anschreibens ausnutzt und damit in gleicher Weise geeignet ist, über das Bestehen einer vertraglichen Bindung zu täuschen, wie in dem Fall, der Gegenstand des Verbots gemäß Nr. 22 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist.
Die danach zu bejahende Verschleierung des Werbecharakters des beanstandeten Anschreibens ist auch geeignet, die Adressaten zu einem Vertragsabschluss mit der Beklagten zu veranlassen. Das Verhalten ist somit geschäftlich relevant10. Zugleich erfüllt das Verhalten der Beklagten nicht nur die Voraussetzungen der speziellen Norm des § 4 Nr. 3 UWG, sondern – worauf das Berufungsgericht seine Entscheidung gestützt hat – auch die Anforderungen an eine unzulässige geschäftliche Handlung im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 UWG, weil dadurch über die Bedingungen irregeführt wird, unter denen die Dienstleistung erbracht wird11. Da kein Bagatellverstoß vorliegt, ist der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch begründet.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. Juni 2011 – I ZR 157/10
- Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn.03.11; Lehmler in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Medienrecht, 2. Aufl., § 4 Nr. 3 UWG Rn. 9[↩]
- vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn.03.49; MünchKomm-.UWG/Heermann, § 4 Nr. 3 Rn. 4[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2009 – I ZR 194/06, GRUR 2009, 1064 Rn. 37 = WRP 2009, 1229 – GeldzurückGarantie II[↩]
- vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn.03.11[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 26.11.1997 I ZR 109/95, GRUR 1998, 415, 416 = WRP 1998, 383 Wirtschaftsregister[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 26.01.1995 – I ZR 39/93, GRUR 1995, 358, 360 = WRP 1995, 389 – Folgeverträge II[↩]
- vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn.02.107[↩]
- vgl. Köhler/Bornkamm aaO Anh. zu § 3 Abs. 3 Rn. 0.8[↩]
- vgl. Köhler/Bornkamm aaO Anh. zu § 3 Abs. 3 Rn. 0.12[↩]
- vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 3 Rn.03.12[↩]
- vgl. Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 5 Rn.07.138[↩]