Das Internet-Informationsportal und der fremde RSS-Feed

Der Betreiber eines Informationsportals, der erkennbar fremde Nachrichten anderer Medien (hier: RSS-Feeds) ins Internet stellt, ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist erst verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Betreiber eines solchen Informationsportals auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Inhalt einer in das Portal eingestellten Nachricht hin, kann der Betreiber des Portals als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern.

Das Internet-Informationsportal und der fremde RSS-Feed

Die Haftungsbeschränkung des § 10 Satz 1 TMG gilt nicht für Unterlassungsansprüche1. Der Betreiber eines Informationsportals im Internet haftet gleichwohl nicht deshalb auf Unterlassung, weil sie durch die beanstandete Berichterstattung selbst unzulässig in ein fremdes Persönlichkeitsrecht eingegriffen hätte, wenn und soweit sie die Meldung nicht selbst verfasst und sie sich auch nicht zu eigen gemacht hat.

Maßgeblich für die Frage, ob sich der Anbieter die auf seinem Internetportal eingestellten Inhalte, die er nicht selbst geschaffen hat, zu eigen macht, ist eine objektive Sicht auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtung aller relevanten Umstände, wobei insbesondere die Frage der inhaltlichen redaktionellen Kontrolle der fremden Inhalte und die Art der Präsentation von Bedeutung sind. Ein ZuEigenMachen liegt regelmäßig vor, wenn die fremde Äußerung so in den eigenen Gedankengang eingefügt wird, dass die gesamte Äußerung als eigene erscheint. Auch lediglich undistanziert wiedergegebene Äußerungen Dritter können dem Vertreiber zugerechnet werden, wenn er sie sich zu Eigen gemacht hat. Ob dies der Fall ist, ist jedoch mit der im Interesse der Meinungsfreiheit und zum Schutz der Presse gebotenen Zurückhaltung zu prüfen. Schon aus der äußeren Form der Veröffentlichung kann sich ergeben, dass lediglich eine fremde Äußerung ohne eigene Wertung oder Stellungnahme mitgeteilt wird. Dies ist beispielsweise bei dem Abdruck einer Presseschau der Fall2. Im Streitfall liegt es vergleichbar.

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Im Streitfall wird eine redaktionelle Kontrolle nicht durchgeführt; vielmehr ist der beanstandete Feed automatisiert im Rahmen eines bestehenden Abonnementvertrages ungeprüft übernommen worden.

Die auf der Website dargestellten Inhalte sind auch als fremd gekennzeichnet worden, indem sich direkt unter der Überschrift der Verweis auf die Ursprungs- bzw. Zielseite – hier: „Bild.de“ – befindet. Dadurch wird dem Leser hinreichend deutlich gemacht, dass es sich bei dem Artikel nicht um eine eigene Berichterstattung der Beklagten, sondern um eine fremde Nachricht handelt.

Anhaltspunkte dafür, dass die Betreiberin des Informationsportals eine inhaltliche Verantwortung für die veröffentlichten Nachrichten Dritter übernehmen wollte, finden sich nicht. Die Internetseite war als Informationsportal ausgestaltet, welches keine eigenen Inhalte enthielt, sondern mit Hilfe sogenannter RSS-Feeds Schlagzeilen aus Medien und Blogs wiedergab und jeweils einen Link zu dem entsprechenden Ursprungsartikel bereit hielt. In dem Impressum wies die Beklagte insofern unter anderem darauf hin, dass „alle Artikel und grafischen Elemente, so wie sie sind, … weiterverbreitet werden“.

Unter diesen Umständen reicht im Rahmen der erforderlichen Gesamtbetrachtung allein die Tatsache, dass die Portalbetreiberin die Medien, von denen sie mittels eines Abonnementvertrages die RSS-Feeds bezog, vorausgewählt hatte, nicht aus, um einen Unterlassungsanspruch gegen sie unter dem Gesichtspunkt des „Zu-Eigen-Machens“ zu begründen.

Die Portalbetreiberin haftet auch nicht deshalb auf Unterlassung, weil sie die beanstandete Meldung auf ihrem Informationsportal zum Abruf bereitgestellt und dadurch verbreitet hat.

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Unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Störerhaftung ist verpflichtet, wer, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt3. Diese Voraussetzungen könnten bei der Betreiberin des Internetportals erfüllt sein. Denn sie betrieb ein Informationsportal, stellte dort RSS-Feeds für die Nutzer bereit und ermöglichte deren Abruf über das Internet. Dadurch trug sie willentlich und adäquat kausal zur Verbreitung der hier zu prüfenden (Bild-) Berichterstattung bei, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht von Frau H. beeinträchtigen konnte.

Die Störerhaftung in der Form der Verbreiterhaftung darf jedoch nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Denn zu dem von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Kommunikationsprozess kann die Mitteilung einer fremden Meinung oder Tatsachenbehauptung auch dann zählen, wenn der Mitteilende sich diese weder zu Eigen macht noch sie in eine eigene Stellungnahme einbindet, sondern die fremde Äußerung lediglich verbreitet4. Eine Haftung des Verbreiters fremder Nachrichten als Störer setzt deshalb die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten, voraus; deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles unter Berücksichtigung seiner Funktion und Aufgabenstellung sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat, eine Prüfung zuzumuten ist5.

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Der Betreiber eines Informationsportals, der wie die Beklagte erkennbar fremde Nachrichten anderer Medien und Blogs ins Internet stellt, ist danach grundsätzlich nicht verpflichtet, die Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Das würde den Betrieb des dem Informationsinteresse der Mediennutzer dienenden, auf schnelle und aktuelle Information ausgerichteten Informationsportals unzuträglich hemmen. Den Betreiber eines Informationsportals trifft deshalb erst dann eine Prüfpflicht, wenn er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Betreiber eines Informationsportals auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Inhalt einer in das Portal eingestellten Nachricht hin, kann der Betreiber des Portals als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern6.

Im hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall hat die Portalbetreiberin, nachdem sie auf die Verletzung des Persönlichkeitsrechts hingewiesen worden ist, die beanstandete Berichterstattung aus ihrem Angebot genommen. Infolgedessen ist sie nicht zur Störerin geworden und war auch keinem Unterlassungsanspruch ausgesetzt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. März 2012 – VI ZR 144/11

  1. st. Rspr., vgl. BGH, Urteile vom 27.03.2007 – VI ZR 101/06, VersR 2007, 1004 Rn. 7 – Meinungsforum; vom 30.06.2009 – VI ZR 210/08, VersR 2009, 1417 Rn. 17 – Domainverpächter; vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10, aaO Rn.19; BGH, Urteile vom 19.04.2007 – I ZR 35/04, BGHZ 172, 119 Rn.19 – InternetVersteigerung II; vom 22.07.2010 – I ZR 139/08, GRUR 2011, 152 Rn. 26 – Kinderhochstühle im Internet[]
  2. vgl. BVerfG NJW 2004, 590, 591; WM 2009, 1706, 1709; BGH, Urteil vom 17.11.2009 – VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 11 mwN[]
  3. vgl. BGH, Urteile vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10, aaO; vom 30.06.2009 – VI ZR 210/08, aaO Rn. 13 f. – Domainverpächter, jeweils mwN[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 17.11.2009 – VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 13 mwN; BVerfGE 85, 1, 22; BVerfG, WM 2009, 1706[]
  5. vgl. BGH, Urteile vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10, aaO Rn. 22 und vom 30.06.2009 – VI ZR 210/08, aaO Rn. 18 – Domainverpächter, jeweils mwN[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10, aaO Rn. 24 – Hostprovider und vom 30.06.2009 – VI ZR 210/08, aaO Rn. 27 – Domainverpächter[]
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