Außendienstmitarbeiter eines Arzneimittelherstellers dürfen Apothekern kostenlos je eine einzelne Verkaufsverpackung eines nicht verschreibungspflichtigen Schmerzgels mit dem Aufdruck „Zu Demonstrationszwecken“ abgeben. Die Abgabe verstößt weder gegen das Arzneimittelgesetz noch gegen das Heilmittelwerbegesetz. Es liegt vielmehr eine geringwertige Zugabe vor, die auch nicht geeignet ist, den Apotheker unsachlich zu beeinflussen.

Dies entschied jetzt das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in einem Rechtsstreit zwischen zwei Arzneimittelgroßhändlerinnen und setzte damit eine vom Bundesgerichtshof eingeholte Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union um. Das Sortiment der Beklagten umfasst ein nicht verschreibungspflichtiges Schmerzgel mit einem Apothekenabgabepreis von 9,97 €. Dieses Arzneimittel gaben Außendienstmitarbeiter der Beklagten kostenlos an Apotheken ab. Die Verkaufsverpackungen waren dabei mit der Aufschrift „Zu Demonstrationszwecken“ gekennzeichnet. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Unterlassen in Anspruch. Sie sieht in dieser Abgabe einen Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) sowie gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG).
Das Landgericht Frankfurt am Main hatte zunächst einen Unterlassungsanspruch wegen unzulässiger Abgabe von Mustern eines Fertigarzneimittels an Apotheken im Sinne des § 47 Abs. 3 AMG bejaht1. Auf die Revision gegen das die Berufung zurückweisende Urteil des Landgerichts hatte der Bundesgerichtshof den Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung der § 47 Abs. 3 AMG zugrundeliegenden Richtlinie angerufen. Dieser entschied, dass die Richtlinie nicht der Abgabe von Gratismustern nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Apotheken entgegenstehe (EuGH, Urteil vom 11.6.2020 – C-786/18).
Im daraufhin neu durchzuführenden Berufungsrechtzug wies das Oberlandesgericht Frankfurt nunmehr die Unterlassungsanträge der Klägerin zurück. Die Abgabe des Arzneimittels zu Demonstrationszwecken verstieße gemäß der Auslegung des EuGH nicht gegen § 47 Abs. 3 AMG. Es liege aber auch kein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 S. 1 HWG vor, entschied das OLG. Nach § 7 Abs. 1 HWG sei es unzulässig, “Zuwendungen und sonstige Werbegaben … anzubieten oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, dass es sich … um Gegenstände von geringem Wert, die durch eine dauerhafte und deutlich sichtbare Bezeichnung des Werbenden oder des beworbenen Produktes oder beider gekennzeichnet sind, oder um geringwertige Kleinigkeiten handelt“. Hier sei von einer Zuwendung von geringem Wert auszugehen. Die Außendienstmitarbeiter hätten den Apotheken jeweils nur ein einzelnes Exemplar zu Demonstrationsprodukts überlassen. Der Einkaufswert habe bei 5,34 € gelegen. Durch den Aufdruck „zu Demonstrationszwecken“ werde das Produkt jedoch nicht mit dem handelsüblichen Original gleichgesetzt. Sein Wert sei wesentlich geringer. Die überwiegend geöffnet übergebenen Packungen überschritten jedenfalls nicht die Ein-Euro-Grenze.
Darüber hinaus habe aber auch nicht die Gefahr der Weitergabe der Packung an Apothekenkunden und damit eine realistische Gefahr der unsachlichen Beeinflussung des Apothekers bestanden. Das Überlassen eines einzelnen Exemplars mit dem Aufdruck „Zu Demonstrationszwecken“ habe erkennbar der Eigenerprobung des Apothekers bzw. seines Personals gedient. Der Apotheker habe gewöhnlich kein nennenswertes Interesse, nur einem einzelnen Kunden ein Probeexemplar überlassen zu können. „Eine für den Betrieb wirtschaftlich interessante Kundenbindung lässt sich so nicht aufbauen“, stellt das OLG fest. Die Klägerin habe nicht widerlegen können, dass es allein darum gegangen sei, den Apothekern Konsistenz und Geruch des Produkts vorzuführen.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 10. Februar 2022 – 6 U 161/15
- LG Frankfurt am Main, Urteil vom 30.7.2015 – 2-03 O 473/14[↩]
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