Ein Honorarverzicht, der zur Unterschreitung der HOAI-Mindestsätze führen würde, ist vor Abschluss der Architektentätigkeit nicht zulässig.
Eine Bindung an eine wegen Unterschreitung der Mindestsätze unwirksame Honorarvereinbarung bzw. eine Bindung an eine Schlussrechnung, der dieses unwirksam vereinbarte Honorar zugrunde liegt, kann nur im Ausnahmefall angenommen werden, wenn die Berufung auf die Unwirksamkeit den Grundsätzen von Treu und Glauben widerspräche. Bei einem im Baugewerbe unternehmerisch tätigen Auftraggeber darf die Kenntnis des Mindestpreischarakters der HOAI erwartet werden, so dass sein Vertrauen in die Wirksamkeit einer die Mindestsätze unterschreitenden Honorarabrede in der Regel nicht schützenswert ist.
Ist das von den Parteien vereinbarte Pauschalhonorar wegen unzulässiger Unterschreitung der Mindestsätze gemäß § 4 HOAI a. F. nicht wirksam vereinbart, ist der Mindestsatz nach HOAI geschuldet.
Einem Architekten sind allerdings nach der HOAI Verzichte auf ihm zustehendes Honorar nicht möglich, insoweit dadurch der Mindestsatz unzulässigerweise unterschritten wird. Vergleiche der Parteien eines Architektenvertrages über das Honorar sind, solange die Arbeiten noch nicht abgeschlossen sind, nur im preisrechtlichen Rahmen der HOAI möglich. Bei Abschluss der Vereinbarung Anl. B 2 am 13.08.2008 waren unstreitig die Arbeiten des Archtikten noch nicht abgeschlossen. Ein hierin vereinbarter Verzicht ist daher rechtlich nicht zulässig. Anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Bauherrin auch nicht aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.03.1996, VII ZR 75/95: Dort wurde ein nachträglich erklärter Totalverzicht für zulässig erklärt, weil die Verzichtsvereinbarung als actus contrarius der vertraglichen Anspruchsbegründung unmittelbar nur den von der HOAI nicht erfassten Anspruchsgrund betreffe. Der Bundesgerichtshof hielt seine Rechtsprechung zur Beschränkung der Vertragsfreiheit hinsichtlich der Honorarhöhe jedoch ausdrücklich aufrecht. Im Zeitraum zwischen Auftragserteilung und Abschluss der Architektentätigkeit sind nach dem Regelungszweck des § 4 Abs. 4 HOAI a. F. daher sämtliche Vertragsänderungen ausgeschlossen, die nur die Höhe des Honorars für einen noch nicht erledigten Auftrag betreffen. Der Architekt war demzufolge nicht befugt, sich auf einen Teilverzicht, der zu einem unterhalb der verbindlichen Mindestsätze liegenden Pauschalhonorar führt, einzulassen.
Honorarnachforderungen des Archtikten sind auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil er an die unwirksame Pauschalvereinbarung gebunden wäre.
Ein Architekt kann ausnahmsweise an eine unwirksame Honorarvereinbarung gebunden sein, wenn die weitere Geltendmachung von darüber hinausgehenden Honorarforderungen treuwidrig im Sinne von § 242 BGB ist. Ein Architekt, welcher zunächst unterhalb der Mindestsätze seine Arbeiten zusagt, später aber nach den Mindestsätzen abrechnen will, verhält sich widersprüchlich. Dieses widersprüchliche Verhalten steht nach Treu und Glauben einer Abrechnung nach Mindestsätzen entgegen, sofern der Auftraggeber sich auf die Wirksamkeit der Pauschalvereinbarung in einer Weise eingerichtet hat, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrages nicht zugemutet werden kann, und er auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut hat und auch vertrauen durfte1.
Es bestehen bereits Zweifel, ob die Bauherrin auf die Wirksamkeit der Honorarabrede vertrauen durfte. Da es sich bei der Bauherrin um eine im Siedlungs- und Wohnungsbau unternehmerisch tätige Auftraggeberin handelt, darf die Kenntnis des Mindestpreischarakters der HOAI erwartet werden. Wer um die Unzulässigkeit der Honorarunterschreitung weiß, ist in seinem Vertrauen auf die Wirksamkeit einer die Mindestsätze nicht erreichenden Honorarabrede in der Regel nicht schützenswert.
In jedem Fall reicht der Vortrag der Bauherrin, sie könne die Kosten nicht weiterreichen, nicht aus, um das Merkmal des Sich-Einrichtens auf die Honorarvereinbarung substantiiert darzulegen.
Darüber hinaus ist auch die Unzumutbarkeit der Zahlung des Differenzbetrags nicht genügend dargetan. Bei einer geschätzten Größenordnung des bei Abrechnung nach Mindestsätzen noch geschuldeten Differenzbetrags zwischen ca.20.000 EUR und 80.000 EUR ist nicht ersichtlich, dass eine Nachzahlung die Bauherrin, deren wirtschaftliche Situation im Einzelnen nicht bekannt ist, unzumutbar hart träfe. Dies gilt vor allem, wenn der Differenzbetrag in Relation zu den Gesamtkosten des Bauvorhabens von nach Angaben der Bauherrin ca.02.000.000 EUR gesetzt wird.
Im Stellen der Schlussrechnung über den vereinbarten Pauschalbetrag liegt auch kein konkludent erklärter Honorarverzicht. Regelmäßig kann das Stellen einer Rechnung ohne weitere Anhaltspunkte nicht als Verzichtserklärung auf nicht abgerechnete, aber noch geschuldete Beträge ausgelegt werden2.
Eine Nachforderung des Architekten nach erteilter Schlussrechnung kann im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen, was sich allerdings noch nicht aus der Erteilung einer Schlussrechnung für sich genommen, sondern nur aus einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen ergeben kann.
Wird eine Schlussrechnung erteilt, kann der Auftraggeber regelmäßig davon ausgehend, dass in ihr die Leistungen abschließend berechnet sind. Allerdings ist nicht jedes dahingehende Vertrauen schutzwürdig. Es müssen deshalb in jedem Einzelfall die Interessen des Architekten und die des Auftraggebers umfassend geprüft und gegeneinander abgewogen werden. Da die vorliegende Schlussrechnung eine nach HOAI unzulässige Mindestsatzunterschreitung beinhaltet und die Bauherrin als professionell im Wohnungsbau tätiges Unternehmen die Grundsätze der HOAI kennen muss, ist ihr Vertrauen auf die Endgültigkeit der erteilten Schlussrechnung nicht schützenswert.
Weil es sich um eine in jedem Einzelfall vorzunehmende Abwägung handelt, kann der Hinweis auf eine Entscheidung des OLG München vom 29.06.123, in welcher eine Bindung an die Schlussrechnung angenommen wurde, nicht verfangen. Dort wurde entschieden, dass wegen des Gesamtverhaltens des Architekten (nämlich „abschließende Honorarberechnung mit Schlussrechnung in Kenntnis der veränderten Kostensituation, verbindliche Vereinbarung über die Bezahlung des Restbetrages aus der Schlussrechnung, völlig überraschende Stornierung der Schlussrechnung unmittelbar nach Zahlungseingang“) eine Nachzahlung nicht zugemutet werden könne. Der Unterschied zu dem hier zu entscheidenden Sachverhalt liegt vor allem darin begründet, dass die Parteien in der Münchener Entscheidung nach Erteilung der Schlussrechnung noch eine weitere Zahlungsabrede über den Schlussrechnungsbetrag getroffen hatten, an die sich der Auftraggeber gehalten hatte.
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 21. Oktober 2014 – 10 U 70/14