Verstößt der Abschluss eines Werbevertrages nicht gegen ein gesetzliches Verbot und liegt keine Sittenwidrigkeit vor, handelt es sich um kein Scheingeschäft.

So hat das Oberlandesgericht Hamm in dem hier vorliegenden Fall einer Klage entschieden und der klagenden Großstadt die Rückzahlung von insgesamt gut 225.000 € zugesprochen. Gleichzeitig ist das klageabweisende Urteil des Landgerichts Bochum [1] abgeändert worden. Zu dem Verfahren ist es durch einen im Jahr 2004 abgeschlossenen Vertrag einer Großstadt in Nordrhein-Westfalen und einem Bochumer Unternehmen gekommen. Das Unternehmen befasst sich mit der Überlassung von gesponserten Kraftfahrzeugen an Leistungssportler und Funktionäre. Mit dem als „Werbevertrag“ zwischen der Großstadt und dem Unternehmen bezeichneten Vertrag verpflichtete sich die Beklagte, alle über die Kfz-Zulassungsstelle der klagenden Großstadt zugelassenen Kraftfahrzeuge mit einem 30 cm x 5 cm großen Werbeaufkleber der klagenden Großstadt, den diese zur Verfügung stellen sollte, zu versehen. Die Beklagte sollte für jedes während der Vertragslaufzeit über die Kfz-Zulassungsstelle der Beklagten zugelassene Kfz, das mit einem entsprechenden Werbeaufkleber versehen worden ist, 8,70 € netto erhalten. Die Beklagte ließ bis Anfang des Jahres 2016 Fahrzeuge über die Kfz-Zulassungsstelle der Klägerin zu.
Nun verlangt die klagende Großstadt in dem vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten die Rückzahlung von in den Jahren 2013, 2014 und 2015 nach diesem Werbevertrag geflossenen Zahlungen von insgesamt gut 225.000 €. Ihre Forderung begründet sie damit, dass die Beklagte die von ihr zugesagten und in diesen Jahren abgerechneten Werbeleistungen nicht erbracht habe, weil die Werbeaufkleber auf den zugelassenen Fahrzeugen nicht angebracht worden seien. Dagegen hat sich die Beklagte auf den Standpunkt gestellt, der Werbevertrag sei nur der Form halber aufgesetzt worden, um die Zahlungen an sie als Kostenposition haushaltsmäßig besser darstellen zu können. Die klagende Großstadt habe vom hohen Wiedererkennungswert der typischen Nummernschilder für die Stadt profitieren wollen und auch ein Interesse gehabt, die Einnahmen aus den Zulassungskosten von etwa 26,00 € pro Fahrzeug, insgesamt also bis zu einer Viertelmillionen Euro pro Jahr, zu erhalten. Die Aufkleber seien nur eine zusätzliche Idee gewesen, um die Leistungspflicht der Beklagten nach außen und für den schriftlichen Vertrag etwas handfester und griffiger definieren zu können. Allein aus der Tatsache, dass die Klägerin über viele Jahre hinweg Quartal für Quartal Rechnungen in jeweils vier- bis fünfstelliger Höhe erhalten und anstandslos bezahlt habe, obwohl sie gewusst habe, keine weiteren Aufkleber mehr geliefert zu haben, ergebe sich, dass die Aufkleber von untergeordneter Bedeutung gewesen seien und die klagende Großstadt stets davon ausgegangen sei, die Beklagte habe lediglich die Pflicht gehabt, die Fahrzeuge in der Großstadt zuzulassen.
Nach Auffassung des Landgerichts Bochum habe der „Werbevertrag“ aus dem Jahr 2004 nicht den tatsächlich getroffenen Vertragsabsprachen entsprochen. Insbesondere sei die Regelung zur Anbringung der Werbeaufkleber – wie sich aus den Aussagen von vernommenen Zeugen ergebe – nur zum Schein getroffen worden, um eine nach dem Gebührenrecht unzulässige Reduzierung der gesetzlich bundesweit vorgeschriebenen Zulassungsgebühren zu verschleiern. Aus diesen Gründen hat das Landgericht Bochum die zunächst nur auf die Zahlungen für die Jahre 2013 und 2014 gerichtete Klage abgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat sich die Klägerin mit der Berufung gewehrt.
In seiner Urteilsbegründung hat das Oberlandesgericht Hamm ausgeführt, dass es sich entgegen der Auffassung des Landgerichts Bochum bei dem “Werbevertrag“ aus dem Jahr 2004 nicht um ein zum Schein abgeschlossenes Geschäft handele. Dass die Vereinbarung „Vergütung gegen Aufkleber“nicht dem wirklichen Willen der Parteien entsprochen habe, sei insbesondere den Aussagen der bereits vom Landgericht vernommenen Zeugen nicht zu entnehmen. Vielmehr spreche unter anderem die Bestellung von 13.200 Aufklebern zu Beginn des Vertragsverhältnisses e‑her dafür, dass der abgeschlossene “Werbevertrag“ – jedenfalls zunächst – tatsächlich gelebt worden sei. Dass das Anbringen der Aufkleber später eingestellt worden oder eingeschlafen sei, lasse keinen Rückschluss auf den Willen der Parteien bei Abschluss des Vertrags zu.
Darüber hinaus könne auch nicht festgestellt werden, dass der Abschluss des “Werbevertrags“ gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen habe oder sittenwidrig sei. Insbesondere ein zur Unwirksamkeit des Werbevertrags führendes gesetzliches Verbot, Zulassungsgebühren nicht unterhalb der in der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr festgesetzten Gebühren zu erheben, sei nicht zu erkennen. Soweit sich bei einer wirtschaftlichen Betrachtung eine geringere Zahlungspflicht der Beklagten ergeben habe, sei es den Parteien zwar offensichtlich darum gegangen, der Beklagten einen finanziellen Anreiz zu schaffen, ihre Fahrzeuge bei der Klägerin zuzulassen. Dieser Anreiz sei aber über den Werbevertrag geschaffen worden, dessen Inhalt an sich nicht gegen die grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung verstoße und dessen (in-direkte) Koppelung an die Zulassung nicht im krassen Widerspruch zum Gemeinwohl stehe. Der klagenden Großstadt seien die Zulassungsgebühren im gesetzlich festgesetzten Umfang zugekommen und der gezahlten Vergütung habe nach dem Vertrag eine (Werbe-)Leistung gegenübergestanden.
Aus diesen Gründen hatte die Berufung der klagenden Großstadt ganz überwiegend Erfolg. Die Großstadt kann nach Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm die Rückzahlung von insgesamt gut 225.000 € für die Jahre 2013 bis 2015 verlangen.
Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 25. September 2020 – 12U 91/18
- LG Bochum, Urteil vom 06.06.2018 – I‑13 O 13/17[↩]
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