Ist über das Vermögen eines Rechtsanwalts das Insolvenzverfahren eröffnet worden, wird der Eintritt des Vermögensverfalls vermutet (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Am Eintritt des Vermögensverfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs vermag auch die Freigabe der selbständigen Tätigkeit des Rechtsanwalts durch den Insolvenzverwalter nichts zu ändern1.

Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Wertung ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn die Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen des Vermögensverfalls folgt, wird sie im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden können2. Denn die Annahme der Gefährdungswirkung bei einem Vermögensverfall des beauftragten Rechtsanwalts ist regelmäßig schon im Hinblick auf dessen Umgang mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt3.
Von dem in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalt ist zu fordern, dass er die zum Schutz der Interessen Rechtsuchender erforderlichen Vorkehrungen trifft sowie deren Einhaltung vertragsrechtlich und tatsächlich sicherstellt. Das setzt regelmäßig die Aufgabe einer Tätigkeit als Einzelanwalt und den Abschluss eines Anstellungsvertrags mit einer Anwaltssozietät voraus, der nach der Organisation der Sozietät, dem Umfang der Tätigkeitsverpflichtung des Rechtsanwalts gegenüber der Sozietät und den getroffenen Maßnahmen einen effektiven Schutz (auch in Vertretungsfällen) erwarten lässt4. Der Kläger ist indessen nach wie vor als Einzelanwalt tätig und kann daher nicht wirksam darauf überwacht werden, ob er selbst auferlegte Beschränkungen hinsichtlich der Annahme von Fremdgeld einhält5.
Auch mit seinem Vorbringen, er gehe als Fachanwalt für Verwaltungsrecht in der Regel nicht mit Mandantengeldern um, kann der Anwalt nicht durchdringen. Es existiert kein Erfahrungssatz des Inhalts, dass ein (nur) im Verwaltungsrecht tätiger Rechtsanwalt generell keinen Umgang mit Fremdgeldern hat.
Eine Gefährdung der Interessen Rechtsuchender wird schließlich nach ständiger Rechtsprechung, an der der Bundesgerichtshof festhält, allein durch die Freigabe der selbständigen Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter weder ausgeschlossen noch vermindert6. Die Gefährdung entfällt vielmehr grundsätzlich erst mit dem Beschluss nach § 289 InsO7.
Die durch den Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung aufgestellten strengen Anforderungen an die Ausräumung einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verstoßen – anders als der Kläger unter Hinweis auf eine Entscheidung des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs8 meint – nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG9.
Die Regelung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO dient dem Schutz der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege, also eines überragend wichtigen Gemeinschaftsguts10. Mildere, ebenso wirksame Maßnahmen, die dem Anliegen des Gesetzes in gleicher Weise Rechnung trügen, kommen nicht in Betracht.
Insoweit kann aus § 12 Abs. 2 Satz 2 RDG keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung mit Personen hergeleitet werden, die außergerichtliche Rechtsdienstleistungen erbringen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob § 12 Abs. 2 Satz 2 RDG höhere Anforderungen an die Annahme einer Gefährdung der Interessen Rechtsuchender stellt als § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO11. Denn das in §§ 1 bis 3 BRAO zum Ausdruck kommende Leitbild des Anwaltsberufs weist dem Rechtsanwalt eine besondere Stellung zu. Er allein ist als unabhängiges Organ der Rechtspflege zu einer umfassenden und unabhängigen Beratung sowie Vertretung der Rechtsuchenden berufen. Diese weitreichenden Pflichten und Befugnisse berechtigen den Gesetzgeber, höhere Anforderungen an die Eignung und Zuverlässigkeit von Rechtsanwälten zu stellen12.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 4. Januar 2014 – AnwZ (Brfg) 62/13
- st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 23.06.2012 – AnwZ (Brfg) 23/12, m.w.N.[↩]
- st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 15.03.2012 – AnwZ (Brfg) 55/11[↩]
- st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 15.03.2012 – AnwZ (Brfg) 55/11, aaO m.w.N.[↩]
- st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 04.04.2012 – AnwZ (Brfg) 62/11; vom 05.09.2012 – AnwZ (Brfg) 26/12, NJW-RR 2013, 175 Rn. 5; jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 15.03.2012 – AnwZ (Brfg) 55/11, aaO Rn. 10 m.w.N.[↩]
- vgl. BGH, Beschlüsse vom 23.06.2012 – AnwZ (Brfg) 23/12, aaO Rn. 4; vom 26.11.2007 – AnwZ (B) 96/06; vom 21.03.2011 – AnwZ (B) 37/10, NZI 2011, 464 Rn. 8[↩]
- BGH, Beschluss vom 23.06.2012 – AnwZ (Brfg) 23/12, aaO Rn. 4 m.w.N.[↩]
- BRAKMitt.2011, 287[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 22.06.2011 – AnwZ (Brfg) 12/11, m.w.N.[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 12.02.2001 – AnwZ (B) 7/00; vom 15.03.2012 – AnwZ (Brfg) 55/11, m.w.N.[↩]
- vgl. dazu Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Rechtsberatungsrechts, BT-Drs. 16/3655, S. 68; VG Göttingen, Urteil vom 21.11.2012 – 1 A 45/12[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 31.05.2010 – AnwZ (B) 46/09, m.w.N.; vom 04.11.2013 – AnwZ (Brfg) 49/13[↩]