Abbildungen von Zigarettenpackungen auf den Auswahltasten von Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen müssen die gesetzlich vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweise zeigen.

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall hatte ein eingetragener Verbraucherverein gegen die Betreiberin zweier Supermärkte geklagt. An deren Kassen werden Zigarettenpackungen in Warenausgabeautomaten zum Kauf bereitgehalten. Die Zigarettenpackungen sind mit den vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweisen versehen. Kunden, die eine Zigarettenpackung erwerben wollen, müssen durch Drücken einer am Warenausgabeautomaten befindlichen Taste die Zigarettenmarke auswählen. Die für den Kunden zuvor nicht sichtbare Zigarettenpackung wird dann von einer Ausgabevorrichtung auf das Kassenband befördert und von dem Kunden an der Kasse bezahlt, falls er sich nicht anders entscheidet und von einem Kauf der Zigaretten absieht. Die Auswahltasten des Zigarettenautomaten sind mit Abbildungen versehen, die zwar keine naturgetreuen Zigarettenpackungen zeigen, aber hinsichtlich Markenlogo, Proportion, Farbgebung und Dimensionierung wie Zigarettenpackungen gestaltet sind. Diese Abbildungen zeigen keine gesundheitsbezogenen Warnhinweise.
Der Verbraucherverein hat den Supermarktbetreiber wegen Verstoßes gegen die Tabakerzeugnisverordnung auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht München I hat die Klage abgewiesen1. Die hiergegen eingelegte Berufung ist vor dem Oberlandesgericht München ohne Erfolg geblieben2.
Auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Verbrauchervereins hat der Bundesgerichtshof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union vier Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2014/40/EU (Tabakerzeugnisrichtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt3. Der Unionsgerichtshof hat diese Fragen nur teilweise beantwortet4. Da es für die Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch auf die Antworten zu den übrigen Fragen ankam, hat der Bundesgerichtshof das Verfahren erneut dem Gerichtshof der Europäischen Union vorgelegt5, der daraufhin auch die weiteren vorgelegten Rechtsfragen entschiedenen hat6.
In Umsetzung dieser beiden Vorabentscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union hat der Bundesgerichtshof nunmehr
die Abweisung des vorrangig verfolgten Hauptantrags bestätigt, mit dem der Verbraucherverein der Supermarktbetreiber verbieten lassen wollte, Zigaretten in Ausgabeautomaten zum Verkauf anzubieten, wenn dadurch die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf den Packungen verdeckt werden. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 TabakerzV bestimmt, dass gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Zigarettenpackungen zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht verdeckt werden dürfen. Diese Vorschrift setzt Art. 8 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2014/40/EU ins deutsche Recht um und ist daher richtlinienkonform auszulegen. Aus der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ergibt sich, dass Zigaretten zwar schon mit ihrem Anbieten über Ausgabeautomaten und nicht erst mit dem Abschluss eines Kaufvertrags in den Verkehr gebracht werden. Allerdings sind gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Zigarettenpackungen nicht im Sinne dieser Vorschriften verdeckt, wenn die Zigarettenpackungen in Ausgabeautomaten vorrätig gehalten werden und deshalb von außen überhaupt nicht sichtbar sind. Kann der Verbraucher – wie im Streitfall – die im Automaten eingeschlossene Packung von außen überhaupt nicht sehen, wird er keinen Kaufimpuls verspüren, dem durch die gesundheitsbezogenen Warnhinweise entgegengewirkt werden soll.
Die Revision des Verbrauchervereins hat allerdings Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung des Hilfsantrags wendet, der auf das Verbot der Verwendung von Abbildungen von Zigarettenverpackungen ohne gesundheitsbezogene Warnhinweise auf den Auswahltasten des Automaten gerichtet ist. Insoweit hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und den Supermarktbetreiber zur Unterlassung verurteilt. Gemäß § 11 Abs. 2 TabakerzV müssen Abbildungen von Packungen, die für an Verbraucher gerichtete Werbemaßnahmen in der Europäischen Union bestimmt sind, den Anforderungen der Tabakerzeugnisverordnung zur Verpackung und zu Warnhinweisen genügen. Diese Vorschrift setzt Art. 8 Abs. 8 der Richtlinie 2014/40/EU ins deutsche Recht um und ist deshalb gleichfalls richtlinienkonform auszulegen. Nach der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen liegt eine Abbildung im Sinne dieser Vorschriften nicht nur bei einer naturgetreuen Abbildung einer Zigarettenpackung vor, sondern bereits dann, wenn die Abbildung – wie im Streitfall – an eine Zigarettenpackung erinnert. Von einer solchen Abbildung geht ein vergleichbarer Kaufimpuls aus. Sie muss daher ebenfalls einen gesundheitsbezogenen Warnhinweis aufweisen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Oktober 2023 – I ZR 176/19
- LG München I, Urteil vom 05.07.2018 – 17 HK O 17753/17[↩]
- OLG München, Urteil vom 25.07.2019 – 29 U 2440/18, WRP 2019, 1380[↩]
- BGH, Beschluss vom 25.06.2020 – I ZR 176/19, GRUR 2020, 1002[↩]
- EuGH, Beschluss vom 09.12.2021 – C-370/20, GRUR 2022, 93[↩]
- BGH, Beschluss vom 24. Februar 2022 – I ZR 176/19, GRUR 2022, 993[↩]
- EuGH, Urteil vom 09.03.2023 – C-356/22, GRUR 2023, 501[↩]
Bildnachweis:
- Zigarettenautomat: Michael Gaida | CC0 1.0 Universal