Die allgemeinverständliche Arzneimittelverpackung

Auf der äußeren Umhüllung eines Arzneimittels können im Rahmen der weiteren Angaben i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG einzelne Anwendungsgebiete angegeben werden.

Die allgemeinverständliche Arzneimittelverpackung

Dabei können statt der im Zulassungsbescheid gebrauchten Fachbegriffe im selben Sinne gebräuchliche umgangssprachliche Begriffe verwendet werden1.

Dies entschied jetzt der Bundesgerichtshof in dem Rechtsstreit um den Zusatztext „Zur Behandlung von Bluthochdruck“ auf der Arzneimittelverpackung, in der der Kläger eine nach § 10 Abs. 1 HWG unzulässige und damit zugleich wettbewerbswidrige Heilmittelwerbung zu erblicken glaubte.

Das erstinstanzlich mit dem Rechtsstreit befasste Landgericht Hamburg hat die Klage abgewiesen. Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, das den Unterlassungsantrag im vorangegangenen Verfahren der einstweiligen Verfügung noch als begründet angesehen hatte2, hat die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen3 und in dem umstrittenen Aufdruck nur eine zulässige weitere Angabe i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG gesehen. Zu Recht, wie jetzt der Bundesgerichtshof befand.

Die genannten Bestimmungen lassen weitere Angaben auf der äußeren Umhüllung zu, soweit diese mit der Anwendung des Arzneimittels in Zusammenhang stehen, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und den Angaben nach § 11a AMG nicht widersprechen. Eine zulässige weitere Angabe kann danach auch die Angabe der Anwendungsgebiete des Mittels sein. Für die gesundheitliche Aufklärung können solche Angaben freilich nur dann wichtig sein, wenn sie vollständig sind und die Anwendungsgebiete des Mittels daher auch so wiedergeben, wie sie im Zulassungsbescheid ausgewiesen sind4.

Weiterlesen:
Rabatte im pharmazeutischen Großhandel

Die Angabe eines Anwendungsgebiets ist danach nicht zulässig, wenn ein differentialdiagnostischer Hinweis (etwa: „Bei … sollte ein Arzt aufgesucht werden.“) weggelassen wird, weil eine solche Angabe ein unzutreffendes Bild von dem Anwendungsgebiet des Mittels vermittelt5. Dasselbe gilt, wenn der Anwendungsbereich eines Arzneimittels mit einem Oberbegriff bezeichnet wird, zu dem neben dem Anwendungsgebiet, für das das Mittel zugelassen ist, auch ein Anwendungsgebiet gehört, für das es an einer Zulassung fehlt6. Beides trifft im Streitfall nicht zu.

Die weiteren Angaben i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG müssen, da sie freiwillig erfolgen, nicht in jeder Hinsicht vollständig sein; sie müssen jedoch zu einer zutreffenden gesundheitlichen Aufklärung beitragen. Es ist deshalb bei einem für mehrere Anwendungsgebiete zugelassenen verschreibungspflichtigen Arzneimittel grundsätzlich nicht unzulässig, lediglich – wie hier – eines oder einzelne dieser Anwendungsgebiete auf seiner äußeren Umhüllung anzugeben7.

Die Klägerin hat allerdings auch eltend gemacht, die beanstandete Angabe auf der Verpackung des Mittels der Beklagten sei für diejenigen Patienten verwirrend, denen das Mittel zur Behandlung einer anderen Krankheit als Bluthochdruck verordnet worden sei. Dabei handelt es sich nach Ansicht des BGH indes eher um eine theoretische Gefahr. Bei ihrer Bewertung muss insbesondere auch berücksichtigt werden, dass der Verbraucher aufgrund der in der Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 HWG zu machenden Angaben daran gewöhnt ist, dass er nähere Informationen über das Mittel, dessen Einnahme er erwägt, namentlich über die Packungsbeilage erhalten kann; in diese kann er bei einem bereits erworbenen Arzneimittel und damit in der von der Revision hier gesehenen Gefahrenlage ohne weiteres Einblick nehmen. Es kommt hinzu, dass dem von der Revision insoweit geltend gemachten Nachteil der Vorteil gegenübersteht, dass die Mehrzahl der möglichen Anwender des Mittels der Beklagten durch die für sie zutreffende Angabe, das Mittel sei zur Behandlung von Bluthochdruck zugelassen, eine schnelle Information erhält. Von ihr geht auch nicht eine im Blick auf die Regelung des Art. 62 Halbs. 2 der Richtlinie unzulässige Werbewirkung aus. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Wettbewerbsvorteil, den die alleinige Nennung des Anwendungsgebiets „Bluthochdruck“ auf der Verpackung möglicherweise zur Folge hat, durch die Nichterwähnung der weiteren Anwendungsgebiete, für die das Mittel der Beklagten weiterhin zugelassen ist, jedenfalls teilweise ausgeglichen wird.

Weiterlesen:
Erwerbsbedingter Betreuungsbedarf 2000 und 2001

Es unterliegt ferner, so der BGH weiter, keinen durchgreifenden Bedenken, dass die Beklagte auf der Verpackung ihres Mittels statt der im Zulassungsbescheid gewählten Fachbegriffe („Arterieller Bluthochdruck“ und „Hypertonie“) den nicht weiterreichenden, sondern im selben Sinne gebrauchten umgangssprachlichen Begriff „Bluthochdruck“ verwendet hat. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die weiteren Angaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG im Interesse der gesundheitlichen Aufklärung gerade zur Information der Patienten bestimmt sind.

Der Zulässigkeit einer weiteren Angabe i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG steht es schließlich nicht entgegen, dass diese mit der zwar unvollständigen, aber deswegen nicht unrichtigen Nennung der Anwendungsgebiete des Mittels nicht der Fachinformation nach § 11a AMG entspricht, in der die Anwendungsgebiete gemäß § 11a Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 lit. a AMG vollständig angegeben werden müssen. Die weiteren Angaben i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 4 AMG müssen den Angaben in der Fachinformation nicht entsprechen, sondern dürfen diesen lediglich nicht widersprechen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 5. Februar 2009 – I ZR 124/07 – Metropolol

  1. Ergänzung zu BGH, Urteil vom 13.03.2008 – I ZR 95/05, GRUR 2008, 1014 Tz. 24 = WRP 2008, 1335 – Amlodipin[]
  2. OLG Hamburg PharmR 2007, 294[]
  3. OLG Hamburg PharmR 2008, 126[]
  4. BGH GRUR 2008, 1014 Tz. 24 – Amlodipin[]
  5. vgl. OVG Berlin, Urteil vom 16.08.2001 – 5 B 3.00, Tz. 26 ff.; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand 1.10.2006, § 10 AMG Anm. 74[]
  6. BGH GRUR 2008, 1014 Tz. 29 – Amlodipin[]
  7. vgl. BGHZ 86, 277, 283 – Grippewerbung II, zu § 4 Abs. 1 Nr. 4 HWG; Großkomm.UWG/Teplitzky, § 1 Rdn. G 50; differenzierend Bülow in Bülow/Ring, HWG, 3. Aufl., § 4 Rdn. 61; grundsätzlich a.A. Doepner, HWG, 2. Aufl., § 4 Rdn. 37; Gröning, Heilmittelwerberecht, Stand August 1998, § 4 HWG Rdn. 59, jeweils m.w.N.; zu § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AMG bzw. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AMG a.F. wie hier Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Stand 2007, § 11 AMG Anm. 29; Sander, Arzneimittelrecht, Stand Juli 2000, § 11 AMG Erl. 6[]
Weiterlesen:
Umsatzsteuer bei entgeltlicher Schülerverpflegung