Das Angebot einer kostenlosen Zweitbrille als Einstärken- oder Sonnenbrille bei dem Kauf einer Brille mit einem Mindestauftragswert fällt unter das Zuwendungsverbot gem. § 7 Abs. 1 HWG, wenn die Kostenlosigkeit der Zweitbrille blickfangmäßig durch die Aussage „ZWEI FÜR EINS: Beim Kauf einer Brille gibt`s eine ARMANI-Brille – GESCHENKT“ beworben wird. Warenrabatte i. S. der Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b HWG setzen gleiche Ware voraus; das erfordert Gattungs- und Qualitätsidentität. Das Verbot des § 7 Abs. 1 HWG setzt voraus, dass die Werbung geeignet ist, den Kunden durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich zu beeinflussen. Einer unmittelbaren oder mittelbaren Gesundheitsgefährdung bedarf es dabei nicht.

Das Verbot des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG bezweckt den Schutz des Verbrauchers, so dass ein Verstoß gegen diese Vorschrift damit zugleich unlauter i. S. des § 4 Nr. 11 UWG ist1.
Die beworbenen Brillen und Brillengläser sind als Sehhilfen Medizinprodukte i. S. des § 3 Nr. 1 MPG, auf die daher gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1a HWG das Heilmittelwerbegesetz Anwendung findet2.
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ist es grundsätzlich unzulässig, im Zusammenhang mit der produktbezogenen Werbung für Heilmittel Zuwendungen und sonstige Werbeabgaben3 anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren. Dieses Zuwendungsverbot umfasst auch Werbegaben an Verbraucher. Die Verbraucher sollen bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, nicht unsachlich durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben beeinflusst werden4. Ein ausreichender Produktbezug ist bei der streitgegenständlichen Werbung gegeben. Eine Werbung i. S. des § 7 HWG und nicht nur eine allgemeine Imagewerbung liegt dann vor, wenn ein Heilmittel so eindeutig beschrieben und angepriesen wird, dass der Verkehr dadurch zur Entscheidung für eine Behandlung mit einem Mittel dieser Art verleitet werden kann5. Die Händlerin hat in der beanstandeten Werbeaussage hinreichend konkret den Kauf einer Brille oder Brillengläsern in Sehstärke mit einem Mindestauftragswert von 199 € bei einer Einstärkenbrille und 299 € bei einer Mehrstärkenbrille beworben6.
Dass es sich bei der ausgelobten Armani-Einstärkenbrille bzw. Sonnenbrille in Sehstärke um eine Zuwendung bzw. eine sonstige Werbegabe i. S. des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG handelt, wird auch von der Händlerin nicht in Frage gestellt7. Denn mit der Armani-Brille wird eine Werbegabe angekündigt. Es handelt sich nicht etwa um das Angebot von zwei Brillen zu einem besonders günstigen Preis8. Der Wortlaut der streitgegenständlichen Werbung ist insoweit eindeutig. Denn die Armani-Brille gibt es „geschenkt“. Der maßgebliche Preis richtet sich allein nach der ausgesuchten Erstbrille, die voll zu bezahlen ist. Es geht in der Werbung nicht um ein „Komplettpaket“, das zwei Brillen beinhaltet. Ein bestimmter oder günstigerer Preis für die Armani-Brille wird gerade nicht beworben.
Der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b HWG geregelte Ausnahmefall, dass die Zuwendung oder Werbegabe in einer bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Menge gleicher Ware gewährt wird, ist nicht gegeben. Fraglich ist insoweit, wie der Begriff der „gleichen Ware“ zu verstehen ist. Die Händlerin geht davon aus, dass ein Produkt bereits dann in dem vorgenannten Sinne zu verstehen sei, wenn es der gleichen Warengattung angehört und qualitativ gegenüber dem ersten Produkt nicht abfällt und deshalb bei einer funktionalen Betrachtung die Verbraucherbedürfnisse ebenso befriedigt, wie das erste Produkt. Danach seien die als Zugabe angebotenen Brillengläser mit dem Erwerb der beworbenen Brillengläser identisch, da sie auf die individuelle Sehstärke des Verbrauchers angepasst werden würde. Die Brillenfassung der Marke „Armani“ sei qualitativ zumindest gleichwertig gegenüber der beworbenen Erstbrille.
Warenrabatte i. S. der Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b HWG setzen gleiche Ware voraus; das erfordert Gattungs- und Qualitätsidentität9. Insoweit ist auf das Verständnis des § 1 Abs. 2 Buchst. c ZugabeVO zurückzugreifen10. In der Gesetzesbegründung zu § 7 HWG i. d. F. vom 27.06.200111 heißt es dazu: „Durch die Vorschrift werden bestimmte Ausnahmetatbestände, die bislang durch Verweis auf § 1 Abs. 2 ZugabeVO im Bereich der Heilmittelwerbung zulässig waren, in das Heilmittelwerbegesetz aufgenommen“.
Der Begriff „gleiche Ware“ ist deshalb grundsätzlich dahin zu verstehen, dass die zugegebene Ware mit der Hauptware qualitativ völlig identisch sein muss; es muss sich um die Hingabe einer Menge der „verkauften“ Ware handeln12. Nach dem Verständnis des durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers wird eine Armani-Einstärkenbrille bzw. eine Sonnenbrille in Sehstärke mit der beworbenen Brille nicht als identisch anzusehen sein. Eine Sonnenbrille ist mit einer „normalen“ Brille wegen des unterschiedlichen Verwendungszwecks nicht identisch. Soweit es sich bei der Erstbrille nicht um eine Brille mit der Fassung der Marke „Armani“ handelt, würde es bereits an der notwendigen Markenidentität fehlen. Soweit das Landgericht Flensburg in dem Urteil vom 21.03.201213 darauf abstellt, dass es sich bei einer Korrekturbrille und der zugegebenen Sonnenbrille um Produkte mit identischen Eigenschaften handeln würde, reicht dies nicht aus, die Vorgaben der Zugabeverordnung zu erfüllen.
Im Ergebnis kann daher dahingestellt bleiben, ob die Ausnahmeregelung für einen Mengenrabatt auch für Waren gilt, die individuell für den Käufer hergestellt werden; es sich mithin bei der verkauften Ware um ein Einzelstück handele14.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht der Zweck der in § 7 HWG enthaltenen Regelungen vor allem darin, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, nicht durch die Aussicht auf Zugaben und Werbegaben unsachlich beeinflusst werden sollen15. Unter diese Vorgaben fällt die streitgegenständliche Werbung, da der angesprochene Verbraucher mit der als besonders luxuriös empfundenen Marke „Armani“ übermäßig angelockt wird und damit nicht mehr qualitäts- sondern vor allem markenbezogen seine Kaufentscheidung trifft. Es besteht zudem die Gefahr, dass sich der Kunde bei der Wahl seiner Brille entgegen seinen Bedürfnissen für ein teureres Modell entscheidet, um in den Genuss der Werbegabe zu kommen.
Die Händlerin kann sich nicht auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf16 berufen. Weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch im Hinblick auf die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährte Berufsausübungsfreiheit ergibt sich, dass das Verbot eine unmittelbare oder mittelbare Gesundheitsgefährdung voraussetzt17. Anlass, die Regelung des § 7 HWG in vorgenannter Weise auszulegen, besteht aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht18. Dem schließt sich das Oberlandesgericht an. Neben dem Ziel des Gesundheitsschutzes umfasst das Heilmittelwerbegesetz auch den Schutz gegen wirtschaftliche Übervorteilung besonders schutzbedürftiger Privater19, so dass ein Verbot nach § 7 HWG bereits dann gerechtfertigt ist, wenn die Werbung Kunden unsachlich zu beeinflussen vermag.
Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 13. März 2014 – 13 U 106/13
- BGH, Urteil vom 06.07.2006 – I ZR 145/03 – Kunden werben Kunden 25; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 4 Rn. 11.135[↩]
- BGH, Urteil vom 06.07.2006, a. a. O. 23; OLG Hamburg, Urteil vom 07.04.2005 – 3 U 176/04 44 ff.[↩]
- Waren oder Leistungen[↩]
- BGH, Urteil vom 06.07.2006, a. a. O. 24; OLG Stuttgart, Urteil vom 17.01.2013 – 2 U 92/12 46[↩]
- Gröning, Heilmittelwerberecht, Stand: 3. Aktualisierungslieferung, § 7 HWG Rn. 17[↩]
- so auch BGH, Urteil vom 06.07.2006, a. a. O. 23[↩]
- vgl. hierzu nur BGH, Urteil vom 06.07.2006, a. a. O. 24; OLG Stuttgart, Urteil vom 17.01.2013, a. a. O.[↩]
- so aber OLG Oldenburg, Beschluss vom 16.01.2009 – 1 U 117/08[↩]
- Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Ergänzungslieferung 135, § 7 HWG Rn. 28[↩]
- vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 07.04.2005 – 3 U 176/04 76[↩]
- BT-Drs. 14/6469[↩]
- vgl. nur BGH, Urteil vom 24.04.1978 – I ZR 165/76 – Automatentruhe 47; Baumbach/Hefermehl, UWG, 22. Aufl., § 1 ZugabeVO Rn. 76 m. w. N.[↩]
- 6 O 117/11 22[↩]
- so Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 17.01.2013, a. a. O. 70 ff.[↩]
- BGH, Urteil vom 09.09.2010 – I ZR 125/08 – Bonussystem 17 m. w. N.[↩]
- Urteil vom 15.01.2013 – 20 U 93/1219[↩]
- so aber OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.01.2013, a. a. O.; Gröning, a. a. O., § 7 HWG Rn. 29[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 28.09.2011 – I ZR 96/10 – INJECTIO 37 ff. zu § 5 HWG; Köhler in Köhler/Bornkamm, a. a. O., § 4 Rn. 11.133a[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 28.09.2011, a. a. O. 40[↩]