Es liegt ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung vor, wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden einer Apotheke aber gekoppelt an den Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb des preisgebundenen Arzneimittels für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lassen. Dagegen handelt es sich um keinen Verstoß gegen die Preisbindungsvorschriften, wenn dem Kunden nach Abschluss des Kaufs preisgebundener Arzneimittel zum Zwecke der Kundenbindung nicht zuvor ausgelobte geringwertige Sachzuwendungen mitgegeben werden.

Mit dieser Begründung hat das Oberverwaltungsgericht Münster in dem hier vorliegenden Fall die Abgabe von Gutscheinen für eine Rolle Geschenkpapier bzw. ein Paar Kuschelsocken – einzulösen bei Abgabe eines Rezeptes – verboten und die Berufung gegen ein gleichlautendes Urteil des Verwaltungsgerichts Münster1 zurückgewiesen.
Der Sachverhalt
Geklagt hatte die Inhaberin einer Apotheke, die im November 2013 Werbeflyer herausgegeben hatte, mit denen sie für die Abgabe eines Rezeptes einen Gutschein für eine Rolle Geschenkpapier (November 2013) angeboten hat. Im darauf folgenden Januar wurde unter den gleichen Bedingungen mit einem Paar Kuschelsocken geworben. Von der Apothekerkammer Westfalen-Lippe wurde die Abgabe solcher Gutscheine untersagt, weil ihrer Meinung nach darin einen Verstoß gegen die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel zu sehen sei.
Das bisherige Verfahren
Gegen die sofortige Vollziehung der Untersagungsverfügung hat sich die Klägerin mit dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gewehrt. Er wurde vom Verwaltungsgericht Münster2 abgelehnt. Auch die hiergegen erhobene Beschwerde wies das Oberverwaltungsgericht Münster3 zurück. Darüber hinaus hat die Apothekerin am 30. April 2014 Klage erhoben. Nachdem das Verwaltungsgericht Münster1 die Klage abgewiesen hatte, verfolgte die Klägerin mit der Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster ihr Ziel weiter.
Urteilsbegründung
In seiner Urteilsbegründung hat das Oberverwaltungsgericht Münster ausgeführt, dass ein Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung nicht nur dann vorliegt, wenn der Apotheker ein preisgebundenes Arzneimittel zu einem anderen als dem nach der Arzneimittelpreisverordnung zu berechnenden Preis abgibt. Die Bestimmungen der Arzneimittelpreisverordnung werden danach auch verletzt, wenn für das preisgebundene Arzneimittel zwar der korrekte Preis angesetzt wird, dem Kunden aber gekoppelt an den Erwerb des Arzneimittels Vorteile gewährt werden, die den Erwerb des preisgebundenen Arzneimittels für ihn wirtschaftlich günstiger erscheinen lässt. Dagegen fehlt es nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Münster an einer Kopplung, wenn der Vorteil nicht für den Erwerb eines preisgebundenen Arzneimittels, sondern aus anderem Anlass gewährt wird, etwa weil der Kunde Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen muss, wie etwa im Fall der Nachlieferung eines Präparats, weil dies nicht vorrätig ist, oder im Fall des Auftretens längerer Wartezeit bei der Zubereitung eines Arzneimittels. Weiterhin wird betont, dass die bloße (wohl regelmäßig bestehende) Absicht des Apothekers, durch die Abgabe eines (geringwertigen) Vorteils eine Bindung des Kunden an seine Apotheke herbeizuführen, rechtfertigt die Annahme einer Kopplung nicht. Für den Verstoß gegen die Preisbindungsvorschriften ist es erforderlich, dass der Vorteil gerade für den Erwerb des preisgebundenen Arzneimittels gewährt wird und er zudem den Erwerb des preisgebundenen Arzneimittels günstiger erscheinen lässt.
An diesen Voraussetzungen fehlt es nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Münster regelmäßig dann, wenn dem Kunden nach Abschluss des Kaufs preisgebundener Arzneimittel zum Zwecke der Kundenbindung und in Erfüllung einer auf Grund der allgemeinen Üblichkeit existierender Kundenerwartung nicht zuvor ausgelobte geringwertige Sachzuwendungen mitgegeben werden. Zu diesen geringwertigen Sachzuwendungen können Werbeartikel wie z.B. Warenproben, Papiertaschentücher, Traubenzucker oder auch Halsbonbons zählen.
Handelt es sich bei den Sachzugaben um Werbeartikel von geringem Wert (weniger als 0,50 €), beeinflusst das nicht die Beurteilung bezüglich eines Verstoßes gegen die Preisbindungsvorschriften. Denn eine Bagatellgrenze für zulässige Abweichungen enthalten die Preisbindungsvorschriften nicht.
Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Münster sind die Preisbindungsvorschriften verfassungsgemäß, auch wenn nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs4 die Preisbindungsvorschriften für ausländische Versandapotheken nicht gälten.
Aus diesen Gründen ist die Berufung der Klägerin zurückgewiesen worden.
Oberverwaltungsgericht Münster, Urteil vom 8. September 2017 – 13 A 2979/15