Eine von einer ausländischen Versandapotheke gegenüber Kunden in Deutschland unter der Überschrift „Anwendbares Recht/Gerichtsstand“ verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung, nach der für alle im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung entstehenden Meinungsverschiedenheiten und Rechtsstreitigkeiten ausschließlich das Recht des Staates gilt, in dem die Versandapotheke ihren Sitz hat, benachteiligt die Kunden in Deutschland unangemessen.

Eine ausländische Versandapotheke ist nicht gehindert, Tätigkeiten, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Abgabe von Arzneimitteln an die Kunden stehen, auch dann im Inland durch von ihr beauftragte Unternehmen ausführen zu lassen oder selbst auszuführen, wenn sie hier über keine Apothekenbetriebserlaubnis verfügt.
Eine ausländische Versandapotheke darf Anrufe von Kunden im Inland, die Arzneimittel bestellen oder pharmazeutisch beraten werden wollen, nicht über eine Dienstleistungstelefonnummer von einer Drittfirma entgegennehmen und bearbeiten lassen.
Die deutschen Gerichte sind für die Entscheidung dieses Streitfalls nach Art. 5 Nr. 3 BrüsselIVO international zuständig. Das beanstandete Verhalten ist lauterkeitsrechtlich nach dem deutschen Wettbewerbsrecht als dem Recht des Orts zu beurteilen, auf dessen Markt die wettbewerblichen Interessen der Parteien aufeinanderträfen [1]. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob es der Versandapotheke mit der in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Rechtswahlklausel im Verhältnis zu ihren Kunden gelungen ist, die Geltung des niederländischen Rechts zu vereinbaren; denn eine – mittlerweile durch Art. 6 Abs. 4 RomIIVO überhaupt ausgeschlossene – Rechtswahl des Deliktsstatuts hätte nach Art. 42 Satz 1 EGBGB nur nachträglich erfolgen können und zudem nach Art. 42 Satz 2 EGBGB die Rechte Dritter unberührt gelassen.
Rechtswahlklausel
Die beanstandete Rechtswahlklausel der Versandapotheke benachteiligt die Kunden sowohl nach der Rechtslage, die bis zum Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-I-VO) am 17.12.2009 gegolten hat (vgl. Art. 28, 29 Rom-I-VO), als auch nach der Rechtslage, die für ab diesem Zeitpunkt geschlossene Schuldverträge gilt, entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen, weil sich aus ihr nicht klar und verständlich ergibt, welche Rechtsvorschriften für im Zusammenhang mit der Geschäftsbeziehung zwischen der Versandapotheke und ihren Kunden entstandene Streitigkeiten gelten sollen.
Gemäß Art. 29 Abs. 1 EGBGB durfte eine Rechtswahl der Parteien bei bis zum 16.12.2009 geschlossenen Verbraucherverträgen dem Verbraucher insbesondere dann nicht den Schutz entziehen, den ihm die zwingenden Vorschriften des Rechts des Staates gewährten, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn dem Vertragsabschluss ein ausdrückliches Angebot oder eine Werbung in diesem Staat vorausgegangen war und der Verbraucher die zum Abschluss des Vertrags erforderlichen Rechtshandlungen dort vorgenommen (Nummer 1) oder der Vertragspartner die Bestellung des Verbrauchers dort entgegengenommen hatte (Nummer 2). Gemäß Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Rom-I-VO können die Parteien auch bei seither abgeschlossenen Verbraucherverträgen das anzuwendende Recht grundsätzlich gemäß Art. 3 Rom-I-VO frei wählen. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom-I-VO darf eine solche Rechtswahl dem Verbraucher allerdings nicht den Schutz der Bestimmungen entziehen, von denen nach dem ohne die Rechtswahl anzuwendenden Recht nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf. Dementsprechend sind die §§ 305 ff. BGB auf Verbraucherverträge, die Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland geschlossen haben, sowohl nach dem früheren Recht als auch nach dem geltenden Recht anzuwenden [2].
Der Gesetzgeber geht danach davon aus, dass es dem Verbraucher grundsätzlich zuzumuten ist, sich bei einem Verbrauchervertrag auf die Wahl des Rechts eines anderen Staates als dem einzulassen, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass das Nebeneinander von zwingendem Verbraucherschutzrecht dieses Staates und dem ansonsten geltenden gewählten Recht (noch) nicht zur Folge hat, dass die Rechtslage aufgrund der getroffenen Rechtswahl so wenig klar und verständlich ist, dass sich daraus für den Verbraucher eine gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unangemessene Benachteiligung ergibt.
Bei grenzüberschreitenden Arzneimittelkaufverträgen, wie sie im Streitfall in Rede stehen, kommen allerdings Besonderheiten hinzu, die jedenfalls zusammengenommen die Abwahl des im Hinblick auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verbrauchers an sich anzuwendenden deutschen Rechts zugunsten des niederländischen Rechts als des Heimatrechts der Versandapotheke jedenfalls dann als unangemessene Benachteiligung erscheinen lassen, wenn dem Verbraucher dabei keine aufklärenden Hinweise gegeben werden.
Zu berücksichtigen ist vor allem, dass beim Arzneimittelkauf die dafür geltenden bürgerlichrechtlichen Bestimmungen der §§ 433 ff. BGB insbesondere im Bereich der Nebenpflichten durch die nicht zur Disposition der Parteien stehenden, sondern zwingenden öffentlichrechtlichen Bestimmungen des Apothekenrechts ergänzt und modifiziert werden. So begründet etwa die oben unter Randnummer 18 behandelte Bestimmung des § 20 ApBetrO keine mit ihrer Einführung im Jahr 1987 neu geschaffene originäre Informations- und Beratungspflicht des Apothekers, sondern spezifiziert lediglich andere, im Kaufrecht statuierte und entwickelte schuldrechtliche (Neben-)Pflichten [3]. Dementsprechend haftet der Apotheker bei Verletzung einer nach dieser Bestimmung bestehenden Pflicht nicht nur gemäß § 823 Abs. 2 BGB wegen Verletzung eines Schutzgesetzes, sondern auch wegen Vertragsverletzung (bei Kassenpatienten analog § 328 BGB) auf Schadensersatz [4]. Vor diesem Hintergrund stellt sich die streitgegenständliche Rechtswahlklausel, die nicht nur keine Differenzierung vorsieht, sondern mit der Formulierung „… alle … Ansprüche …“ im Gegenteil den Eindruck zu erwecken versucht, deutsches Recht sei in keiner Hinsicht anwendbar, als nicht klar und verständlich im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB dar.
Dem vorstehend Ausgeführten kommt dann besondere Bedeutung zu, wenn ein Fehlverhalten des Apothekers bei seinem Kunden zu einem Gesundheitsschaden geführt hat. In solchen Fällen wird der Apotheker regelmäßig nicht nur gegen eine vertragliche, sondern auch gegen eine den Schutz des Kunden bezweckende, nach dem Apothekenrecht bestehende zwingende öffentlichrechtliche Pflicht verstoßen haben. Fraglich und zweifelhaft ist zudem, ob die Verweisung auf das niederländische Recht in entsprechenden Fällen immerhin für die Rechtsfolgenseite gilt. Auch in dieser Hinsicht fehlt es an einer zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung des Kunden im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderlichen Klarstellung in der Rechtswahlklausel.
Dabei ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs auch zu berücksichtigen, dass die streitgegenständliche Rechtswahlklausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Versandapotheke unter der Überschrift „Anwendbares Recht/Gerichtsstand“ enthalten ist. Dieser Umstand ist geeignet, Verbraucher glauben zu machen, sie könnten ihnen zustehende Ansprüche gegen die Versandapotheke allein auf der Grundlage des niederländischen Rechts und auch nur vor einem dortigen Gericht geltend machen. Er ist daher – ebenso wie die vorstehend in den Randnummern 36 und 37 angesprochenen Umstände – geeignet, den Verbraucher, der sich auf die streitgegenständliche Rechtswahlklausel einlässt, dadurch im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB unangemessen zu benachteiligen, dass ihm ein falsches Bild von den ihm nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Versandapotheke zustehenden Rechtsschutzmöglichkeiten vermittelt wird.
Der deutsche Versand
Mit der seit 2004 geltenden Regelung des Versandhandels mit Arzneimitteln verzichtet das Gesetz zwar auf die räumliche Bindung der Abgabe apothekenpflichtiger Arzneimittel an die Apotheke, hält aber gleichwohl am Erfordernis fest, dass die Abgabe solcher Arzneimittel institutionell allein durch eine Apotheke erfolgen darf [5]. Dieses Erfordernis hindert den Apotheker, der über eine Versandhandelserlaubnis verfügt, allerdings nicht daran, in seinen Vertrieb etwa Logistikunternehmen einzuschalten oder auch mit Drogerien zusammenzuarbeiten, deren Niederlassungen als Abholstationen fungieren, solange diese Unternehmen sich nicht so verhalten, wie wenn sie selbst Arzneimittelhandel betrieben [6].
Danach ist die Versandapotheke – auch wenn sie über keine Apothekenbetriebserlaubnis verfügt – nicht gehindert, Tätigkeiten, die nicht – wie die pharmazeutische Beratung von Kunden – in unmittelbarem Zusammenhang mit der Abgabe von Arzneimitteln an die Kunden stehen, auch im Inland durch von ihr beauftragte Unternehmen ausführen zu lassen oder auch selbst auszuführen. Dementsprechend bestünden beispielsweise keine Bedenken dagegen, dass die Versandapotheke über eine Niederlassung in Deutschland Marketingstrategien entwickelt oder überwacht sowie mit deutschen Lieferanten, Dienstleistern, Krankenkassen und Logistikunternehmen Verhandlungen führt und Verträge schließt.
Die Versandapotheke verstößt jedoch gegen §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG, §§ 11a, 2 ApoG, soweit sie nach ihrem Vortrag im Falle der Belegung ihrer Kapazitäten in den Niederlanden mittels eines „Überlaufs“ Anrufe über eine zur Bestellannahme und Beratung geschaltete Dienstleistungstelefonnummer von einer Drittfirma in Kornwestheim entgegennehmen und bearbeiten lässt.
Das Berufungsgericht hat dazu zutreffend festgestellt, dass eine solche Vorgehensweise – anders als das Einsammeln und Übermitteln von Rezepten und die Übergabe von Arzneimittelsendungen – pharmazeutisch relevante Tätigkeiten betrifft, die sich nicht auf die innere Organisation der Versandapotheke beschränken, sondern unmittelbar auf die Kunden einwirken. Nach § 4 Abs. 4 Satz 3 ApBetrO (seit 12.06.2012: § 4 Abs. 4 Satz 2 ApBetrO) muss die pharmazeutische Beratung von Räumen aus erfolgen, die in angemessener Nähe zu der Apotheke liegen. Diesem Erfordernis entspricht die in Kornwestheim durch ein beauftragtes Dienstleistungsunternehmen vorgenommene fernmündliche Beratung und Rezeptannahme nicht.
Das Berufungsgericht hat in diesem Zusammenhang mit Recht auch die Kapazitäten der Versandapotheke in den Niederlanden und die Zahl der in Kornwestheim bearbeiteten Anrufe als unerheblich angesehen, weil bereits die Bearbeitung jeder einzelnen Anfrage durch das von der Versandapotheke beauftragte inländische Dienstleistungsunternehmen die vom Gesetzgeber als schutzwürdig anerkannten Rechtsgüter beeinträchtigt. Ebenso wenig unterliegt seine Beurteilung Bedenken, die begangenen Verstöße seien auch geeignet, die Interessen von Mitbewerbern oder Verbrauchern im Sinne von § 3 Abs. 1 UWG spürbar zu beeinträchtigen, weil die Versandapotheke mittelbar selbst einräume, dass ein Hinweis auf die tatsächlichen Gegebenheiten Verbraucher davon abhalten könnte, mit ihr in geschäftliche Verbindung zu treten, und eine Erheblichkeit schon wegen des betroffenen Schutzguts und des Umfangs der Werbung gegeben sei.
Die vorliegende Beurteilung steht auch nicht in Widerspruch zu dem in BSGE 101, 161 veröffentlichten Urteil des Bundessozialgerichts. Dort wird ausgeführt, die Regelung des § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG – gemeint war ersichtlich § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a AMG – wolle die tatsächlich bestehenden Sicherheitsstandards für den Versandhandel und den elektronischen Handel mit Arzneimitteln auf einem dem deutschen Recht entsprechenden Niveau absichern [7]. Dieses Niveau wird insbesondere dadurch bestimmt, dass pharmazeutische Tätigkeiten allein auf der Grundlage einer Apothekenbetriebserlaubnis erbracht werden, deren Einhaltung durch die zuständige Behörde überwacht wird. Daran fehlt es bei pharmazeutischen Tätigkeiten, die eine Versandhandelsapotheke, die im Ausland ansässig ist und auch nur dort über eine Apothekenbetriebserlaubnis verfügt, durch ein von ihr beauftragtes Dienstleistungsunternehmen im Inland vornehmen lässt, das über keine solche Erlaubnis verfügt. Die pharmazeutische Tätigkeit des beauftragten Dienstleistungsunternehmens unterliegt in einem solchen Fall keiner adäquaten behördlichen Aufsicht.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. Juli 2012 – I ZR 40/11
- vgl. BGH, Urteil vom 30.03.2006 I ZR 24/03, BGHZ 167, 91 Rn. 25 – Arzneimittelwerbung im Internet, mwN[↩]
- vgl. H. Schmidt in Ulmer/Brandner/Hensen aaO Teil 3 [7] Rechtswahlklauseln Rn. 8 und 12[↩]
- vgl. Cyran/Rotta aaO § 20 Rn. 6; Mand/Könen, WRP 2006, 841, 847[↩]
- vgl. Cyran/Rotta aaO § 20 Rn. 30 bis 32[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2012 I ZR 211/10, GRUR 2012, 954 Rn. 15 = WRP 2012, 1101 – Europa-Apotheke Budapest; BVerwG, Urteil vom 13.03.2008 – 3 C 27.07, BVerwGE 131, 1 Rn. 25[↩]
- BGH, GRUR 2012, 954 Rn. 17 – Europa-Apotheke Budapest; BVerwGE 131, 1 Rn. 25[↩]
- BSGE 101, 161, Rn. 27[↩]