Die Sicherung des Anwaltshonorars – und die Drohung mit der Mandatsniederlegung

Veranlasst der Rechtsanwalt den persönlich nicht haftenden Gesellschafter seiner Mandantin erstmals unmittelbar vor einem anberaumten Gerichtstermin mit dem Hinweis, anderenfalls das Mandat niederzulegen, zum Abschluss einer Haftungsübernahme, kann hierin eine widerrechtliche Drohung liegen.

Die Sicherung des Anwaltshonorars – und die Drohung mit der Mandatsniederlegung

Keine Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit

Auch wenn der Rechtsanwalt nicht im Vorfeld des Gerichtstermins auf eine Mandatsniederlegung hingewiesen, sondern erst anlässlich des Gerichtstermins mit der Niederlegung des Mandats gedroht hat, ist der Abschluss der Haftungsübernahme nicht nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig.

Eine – widerrechtliche – Drohung macht ein Rechtsgeschäft lediglich nach § 123 BGB anfechtbar; nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig ist es nur dann, wenn besondere Umstände hinzukommen, die das Geschäft nach seinem Gesamtcharakter als sittenwidrig erscheinen lassen1. Dies gilt auch für die Beurteilung einer in Aussicht gestellten Mandatskündigung durch den Rechtsanwalt2. Solche besonderen Umstände konnte im vorliegenden Fall im Rahmen einzelfallbezogener Erwägungen, insbesondere im Hinblick auf die Geschäftserfahrenheit der Beklagten und darauf, dass ihr der fragliche Vereinbarungstext bereits vier Wochen zuvor zugesandt wurde, verneint werden.

Anfechtung wegen widerrechtlicher Drohung

Nach gefestigter Rechtsprechung begründet der Tatbestand einer rechtswidrigen Drohung oder arglistigen Täuschung außer der Anfechtungsmöglichkeit auch einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens beim Vertragsschluss (§ 311 Abs. 2 BGB), der dem Bedrohten oder Getäuschten das Recht gibt, auch ohne Ausübung eines Gestaltungsrechts Befreiung von der eingegangenen Verbindlichkeit zu verlangen3, sofern dem Betroffenen durch den Vertragsschluss ein Schaden entstanden ist4. Auf einen derartigen Schadensersatzanspruch findet die Jahresfrist des § 124 BGB weder direkt noch entsprechend Anwendung5.

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In der Ankündigung eines Rechtsanwaltes, das Mandat niederzulegen, um hierdurch eine günstigere Vergütungsabrede durchzusetzen, kann ausnahmsweise eine rechtswidrige Drohung liegen6. Ob eine Drohung in einem solchen Fall rechtswidrig ist, hängt von dem Verhältnis zwischen dem verfolgten Zweck und dem dazu eingesetzten Mittel ab; entscheidend ist, ob der Drohende an der Erreichung des Zwecks ein berechtigtes Interesse hat und die Drohung nach Treu und Glauben als ein angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zwecks anzusehen ist7.

So ist aufgrund der Mittel-Zweck-Relation eine widerrechtliche Drohung gegeben, wenn der Verteidiger unmittelbar vor Beginn der Hauptverhandlung erstmals seinen Mandanten mit dem Hinweis, anderenfalls das Mandat niederzulegen, zur Unterzeichnung einer Gebührenvereinbarung veranlasst8. Unter derartigen Gegebenheiten missbraucht der Verteidiger die Zwangslage seines Mandanten, der sich in der unmittelbar bevorstehenden Hauptverhandlung seines vertrauten Wahlverteidigers bedienen möchte, in verwerflicher Weise zur Durchsetzung von Gebühreninteressen. Unterrichtet dagegen der Anwalt längere Zeit vor Beginn der Hauptverhandlung den Mandanten über den Inhalt der von ihm gewünschten Gebührenvereinbarung als Voraussetzung für die Fortsetzung der weiteren Verteidigung, so wird dieser in der Lage sein, die ihn angesonnene Gebührenvereinbarung zurückzuweisen und rechtzeitig vor Beginn der in Rede stehenden Verhandlung auf der Grundlage einer ihm genehmen Gebührenabrede andere Wahlverteidiger einzusetzen9.

Diese Grundsätze sind auch auf die Prozessvertretung im Zivilrechtsstreit übertragbar. Nicht nur der Strafprozess wird durch ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Mandanten und Verfahrensbevollmächtigten gekennzeichnet, sondern dies gilt auch für Mandate im zivilgerichtlichen Verfahren. Ohnehin ist der Anwaltsvertrag in besonderer Weise durch gegenseitiges Vertrauen geprägt10. Dass auch im Zivilprozess von einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwalt auszugehen ist, zeigt die vorliegende Fallgestaltung. Wird unmittelbar vor dem anberaumten Verhandlungstermin der Mandant mit der Ankündigung des Prozessbevollmächtigten überrascht, er werde das Mandat unverzüglich niederlegen, wird der Mandant im Anwaltsprozess nur selten in der Lage sein, einen neuen Prozessanwalt für diesen Termin zu stellen. Da sich die Partei die Mandatsniederlegung selbst dann als eigenes Verschulden zurechnen lassen muss, wenn der Anwalt die Kündigung zur Unzeit ausspricht11, liegt es nicht fern, dass im anberaumten Termin gegen die nicht vertretene Partei Versäumnisurteil ergehen wird12. Der Grundsatz, dass der Anwalt seinen Mandanten nicht im Stich lassen darf13, erfährt daher im Zivilprozess besondere Bedeutung.

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Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze ist die erstmalige Androhung einer Mandatsniederlegung kurz vor Aufruf der Sache im Zivilprozess zur Durchsetzung einer günstigeren Vergütungsabrede oder einer entsprechenden Haftungsübernahme kein angemessenes Mittel zur Erreichung des an sich berechtigten Anliegens, eine beträchtliche, offenstehende Vergütung zu erhalten oder zu sichern.

Gemäß § 627 Abs. 2 Satz 1 BGB ist es dem Dienstpflichtigen verwehrt, die Kündigung des Dienstvertrages zur Unzeit auszusprechen. Eine derartige Kündigung liegt bei einem Anwaltsvertrag vor, wenn sie zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Mandant nicht in der Lage ist, sich die notwendigen Dienste eines anderen Anwalts zu besorgen14. Daher ist es dem Anwalt verwehrt, das Mandat im oder unmittelbar vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung niederzulegen15. Verstößt der Anwalt gegen das Verbot zur Unzeit zu kündigen, ist zwar die Kündigung regelmäßig wirksam16, der Anwalt macht sich aber schadensersatzpflichtig17 und handelt rechtswidrig.

Aus dem Umstand, dass die Kündigung wirksam ist, kann nicht geschlossen werden, der Anwalt sei zur Kündigung berechtigt, ein derartiges Verhalten sei nicht rechtswidrig. Die Kompensation durch die von § 627 Abs. 2 Satz 2 BGB angeordnete Rechtsfolge der Schadensersatzpflicht zeigt bereits, dass das Verhalten des Anwalts als widerrechtlich angesehen wird. Ein derartiges Verhalten ist nur dann nicht gegeben, wenn für die unzeitgemäße Kündigung ein wichtiger Grund (§ 627 Abs. 2 BGB) vorliegt18. Derartige Gründe können auf objektiv äußeren Umständen sowie dem Berufsrecht beruhen oder auch in der Beziehung zwischen Anwalt und Mandanten liegen, etwa wenn der Mandant den unaufschiebbaren Kündigungswunsch des Anwalts durch Beleidigung, tätliche Angriffe oder schwere Beanstandungen auslöst19. Das alleinige Interesse an einer Erhöhung oder Sicherung der Vergütung vermag dagegen keinen wichtigen Grund im Sinne dieser Bestimmung zu bilden. Der Anwalt hat sein (erweitertes) Vergütungsverlangen nicht zur Unzeit, sondern im Rahmen angemessener Fristen gegenüber seinem Mandanten zu verfolgen. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung kann sich die Rechtsanwältin als Vorleistungsverpflichtete nicht auf die Bestimmung des § 321 BGB stützen. Die Unsicherheitseinrede des § 321 Abs. 1 BGB greift nicht mehr, sobald der Vorleistungspflichtige seine Leistung erbracht hat20. Dies war bei den von der Rechtsanwältin in den EMails vom 31.07.2006 und vom 10.08.2006 aufgeführten offenstehenden Vergütungsvorgängen der Fall. Im Übrigen wird § 321 BGB bei Dienstverträgen durch die spezielleren Bestimmungen des Dienstvertragsrechts verdrängt21.

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Ebenso, wie es dem Anwalt grundsätzlich verwehrt ist, unmittelbar vor einem Verhandlungstermin das Mandat aus Gebühreninteresse niederzulegen, darf er eine solche Maßnahme auch zur Unzeit nicht androhen. Es ist ihm daher versagt, kurz vor einem Verhandlungstermin die Fortführung des Mandats von der Zahlung eines weiteren Honorars abhängig zu machen22. Auch eine derartige Drohung ist widerrechtlich, wenn der Anwalt nicht eine angemessene Zeit vor dem Termin hinreichend deutlich macht, die von ihm gewünschte Vergütungsabrede sei die Voraussetzung für die Fortsetzung der weiteren Vertretung vor dem Zivilgericht. Nur dann ist der hiervon betroffene Mandant oder sind [im Falle der Vertretung einer juristischen Person], wie hier, die angesprochenen Gesellschafter in der Lage, die angesonnene Abrede zurückzuweisen und rechtzeitig vor dem in Betracht kommenden Verhandlungstermin andere Prozessbevollmächtigte zu bestellen23.

Im vorliegenden Fall wirde dem Gesellschafter erstmals unmittelbar vor dem Verhandlungstermin außerhalb des Gerichtsgebäudes seitens des Prozessanwalts erklärt, bei Nichtunterzeichnung der Haftungsübernahme werde er das Mandat unverzüglich niederlegen und im Termin nicht auftreten. Eine unter diesen Umständen zustande gekommene Abrede beruht im Hinblick auf die widerrechtliche Drohung auf einer unzulässigen Willensbeeinflussung und begründet nach § 311 Abs. 2 BGB den Anspruch auf Befreiung von der eingegangenen Verbindlichkeit24.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. Februar 2013 – IX ZR 138/11

  1. BGH, Urteil vom 07.06.1988 – IX ZR 245/86, WM 1988, 1156, 1158 f; vom 17.01.2008 – III ZR 239/06, NJW 2008, 982 Rn. 11; vgl. auch Urteil vom 23.02.1995 – IX ZR 29/94, WM 1995, 1064, 1068 und vom 26.09.1995 – XI ZR 159/94, WM 1995, 1950 f zur arglistigen Täuschung[]
  2. BGH, Urteil vom 04.07.2002 – IX ZR 153/01, NJW 2002, 2774, 2775; vom 04.02.2010 – IX ZR 18/09, BGHZ 184, 209 Rn. 43[]
  3. BGH, Urteil vom 11.05.1979 – V ZR 75/78, NJW 1979, 1983 f; vom 24.10.1996 – IX ZR 4/96, WM 1997, 77, 78; vom 03.02.1999 – VIII ZR 14/98, WM 1999, 1034, 1035; vom 18.09.2001 – X ZR 107/00, NJW-RR 2002, 308, 309 f[]
  4. BGH, Urteil vom 26.09.1997 – V ZR 29/96, WM 1997, 2309, 2311 f; vom 04.07.2002 – IX ZR 153/01, NJW 2002, 2774, 2775; vom 10.01.2006 – XI ZR 169/05, WM 2006, 377, 380[]
  5. BGH, Urteil vom 18.09.2001, aaO S. 310[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 12.01.1978 – III ZR 53/76, AnwBl 1978, 227, 228 f; D. Fischer in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 938; Gehrlein, Anwalts- und Steuerberaterhaftung, 2. Aufl., S. 180 f[]
  7. BGH, Urteil vom 04.11.1982 – VII ZR 11/82, WM 1983, 90, 91; vom 04.07.2002, aaO; vom 04.02.2010, aaO Rn. 33 ff[]
  8. BGH, Urteil vom 04.02.2010, aaO Rn. 37; vgl. auch vom 12.01.1978, aaO[]
  9. BGH, Urteil vom 04.02.2010, aaO Rn. 38[]
  10. BGH, Urteil vom 23.02.1995 – IX ZR 29/94, NJW 1995, 1425, 1430[]
  11. BGH, Beschluss vom 24.01.1985 – I ZR 113/84, VersR 1985, 542, 543; vom 25.06.1991 – VI ZB 15/91, VersR 1992, 378 f; Urteil vom 15.03.2006 – XII ZR 138/01, NJW 2006, 2334 Rn. 16; Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 85 Rn. 24[]
  12. vgl. BGH, Beschluss vom 24.01.1985, aaO[]
  13. BGH, Urteil vom 12.01.1978, aaO, S. 228[]
  14. MünchKomm-BGB/Henssler, 6. Aufl., § 627 Rn. 33; Zugehör/Rinkler, aaO Rn. 95; Vollkommer/Greger/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 3. Aufl., § 6 Rn. 6[]
  15. BGH, Urteil vom 12.01.1978, aaO; MünchKomm-BGB/Henssler, aaO; Vollkommer/Greger/Heinemann, aaO[]
  16. MünchKomm-BGB/Henssler, aaO Rn. 34; Zugehör/Rinkler, aaO Rn. 94[]
  17. BGH, Urteil vom 04.07.2002 – IX ZR 153/01, NJW 2002, 2774, 2775[]
  18. vgl. MünchKomm-BGB/Henssler, aaO Rn. 35[]
  19. vgl. MünchKomm-BGB/Henssler, aaO[]
  20. vgl. BGH, Urteil vom 08.10.1990 – VIII ZR 247/89, BGHZ 112, 279, 287[]
  21. vgl. MünchKomm-BGB/Emmerich, aaO, § 321 Rn. 6; Erman/H. P. Westermann, BGB, 13. Aufl., § 321 Rn. 3[]
  22. BGH, Urteil vom 12.01.1978, aaO[]
  23. vgl. BGH, Urteil vom 04.02.2010 – IX ZR 18/09, BGHZ 184, 209 Rn. 38[]
  24. vgl. BGH, Urteil vom 04.07.2002, aaO[]
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