Der Bundesgerichtshof hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung des urheberrechtlichen Begriffs des Pastiches gerichtet.

Dem zugrunde liegt die Klage von zwei Mitgliedern der Musikgruppe „Kraftwerk“ (bzw. inzwischen 1 Bandmitglied und der Erbin des zweiten Mitglieds), die im Jahr 1977 einen Tonträger veröffentlichte, auf dem sich das Musikstück „Metall auf Metall“ befindet, gegen die beiden Komponisten des Titels „Nur mir“, und die Produzentin, die den Titel mit der Sängerin Sabrina Setlur auf im Jahr 1997 erschienenen Tonträgern einspielte. Zur Herstellung des Titels hatten die Komponisten und die Produzentin von „Nur mir“ zwei Sekunden einer Rhythmussequenz aus dem Titel „Metall auf Metall“ elektronisch kopiert („gesampelt“) und dem Titel „Nur mir“ in fortlaufender Wiederholung unterlegt.
Die klagenden Kraftwerk-Musiker sehen dadurch ihre Rechte als Tonträgerhersteller und das Urheberrecht eines der Musiker verletzt. Sie haben die Komponisten und die Produzentin von „Nur mir“ auf Unterlassung in Anspruch genommen, Tonträger mit der Aufnahme „Nur mir“ herzustellen und in Verkehr zu bringen. Außerdem haben sie die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Komponisten und der Produzentin sowie Auskunftserteilung und Herausgabe der Tonträger zum Zweck der Vernichtung verlangt.
- Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Hamburg hat der Klage im Oktober 2004 stattgegeben ((LG Hamburg, Urteil vom 08.10.2004 – 308 O 90/99)).
- Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten ist vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg ohne Erfolg geblieben1.
- Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof mit seiner „Metall auf Metall I“-Entscheidung das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen2
- Das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg hat in der Folge die Berufung der Beklagten wiederum zurückgewiesen3.
- Die erneute Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof in seiner „Metall auf Metall II“-Entscheidung zurückgewiesen4.
- Auf die Verfassungsbeschwerde der Beklagten hat das Bundesverfassungsgericht die beiden Revisionsurteile des Bundesgerichtshofs und das zweite Berufungsurteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache an den Bundesgerichtshof zurückverwiesen5.
- Daraufhin hat der Bundesgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft und der Richtlinie 2006/115/EG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums vorgelegt6 („Metall auf Metall III“),
- die der Unionssgerichtshof mit Urteil vom 29. Juli 2019 beantwortet hat7.
- Mit seinem dritten Revisionsurteil („Metall auf Metall IV“) hat der Bundesgerichtshof sodann die Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen8.
- Das Hanseatische Oberlandesgericht hat das Urteil des Landgerichts Hamburg daraufhin dahingehend abgeändert, dass die Beklagten unter Abweisung der weitergehenden Klage zur Auskunft über die Anzahl der zwischen dem 22.12.2002 und dem 07.06.2021 hergestellten und/oder ausgelieferten Tonträger mit Schallaufnahmen des Titels „Nur mir“ sowie zur Herausgabe von Vervielfältigungsstücken dieser Tonträger zum Zwecke der Vernichtung verurteilt werden und insoweit ihre Verpflichtung zum Schadensersatz festgestellt wird9. Zugleich hat das Hanseatische Oberlandesgericht die Revision zugelassen, soweit es hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche ab dem 7. Juni 2021 zum Nachteil der klagenden Kraftwerk-Musiker erkannt hat.
- Die beiden Kläger verfolgen mit ihrer daraufhin erhobenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, ihre mit der Klage ab dem 7. Juni 2021 geltend gemachten Ansprüche weiter, worauf der nunmehr wiederum zuständige Bundesgerichtshof mit der vorliegenden „Metall auf Metall V“-Entscheidung das Verfahren erneut ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der „Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft“ vorgelegt hat:
Die Revision hat Erfolg, wenn das Hanseatische Oberlandesgericht zu Unrecht angenommen hat, dass die von den klagenden Kraftwerk-Musikern geltend gemachten Ansprüche ab dem 7. Juni 2021 ausgeschlossen sind, weil die Übernahme der Rhythmussequenz aus dem Titel „Metall auf Metall“ im Wege des Sampling eine nach § 51a Satz 1 UrhG in der ab dem 7. Juni 2021 geltenden Fassung zulässige Nutzung zum Zwecke des Pastiches ist, sodass keine Verletzung der von den Klägern geltend gemachten Leistungsschutzrechte als Tonträgerhersteller oder ausübende Künstler sowie des Urheberrechts des Klägers zu 1 vorliegt. Hierauf kommt es im Streitfall an, weil das Musikstück „Nur mir“ die Voraussetzungen einer Karikatur oder Parodie des Musikstücks „Metall auf Metall“ mangels Ausdrucks von Humor oder einer Verspottung nicht erfüllt10.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs stellt sich zunächst die Frage, ob die Schrankenregelung der Nutzung zum Zwecke von Pastiches im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG ein Auffangtatbestand jedenfalls für eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem vorbestehenden Werk oder sonstigen Bezugsgegenstand einschließlich des Samplings ist und ob für den Begriff des Pastiches einschränkende Kriterien wie das Erfordernis von Humor, Stilnachahmung oder Hommage gelten.
Die Pastiche-Schranke könnte als allgemeine Schranke für die Kunstfreiheit zu verstehen sein, die deshalb notwendig ist, weil der Kunstfreiheit allein durch die immanente Begrenzung des Schutzbereichs der Verwertungsrechte auf eine Nutzung der Werke und Leistungen in wiedererkennbarer Form11 und die übrigen Schrankenregelungen wie insbesondere Parodie, Karikatur und Zitat nicht in allen Fällen der gebotene Raum gegeben werden kann.
- Die hier in Rede stehende Technik des „Elektronischen Kopierens von Audiofragmenten“ (Sampling), bei der ein Nutzer einem Tonträger ein Audiofragment entnimmt und dieses zur Schaffung eines neuen Werks nutzt, ist eine künstlerische Ausdrucksform, die unter die durch Art. 13 EU-Grundrechtecharta geschützte Freiheit der Kunst fällt12.
- Die Rechte der Urheber, Tonträgerhersteller und ausübenden Künstler gemäß Art. 2 und 3 der Richtlinie 2001/29/EG genießen den Schutz des geistigen Eigentums gemäß Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta.
- Dem Ziel des angemessenen Ausgleichs von Rechten und Interessen trägt der in Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehene „Drei-Stufen-Test“ Rechnung, dessen Voraussetzungen nach den Feststellungen des Hanseatischen Oberlandesgerichts erfüllt sind.
Sodann stellt sich nach Ansicht des Bundesgerichtshofs die weitere Frage, ob die Nutzung „zum Zwecke“ eines Pastiches im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG die Feststellung einer Absicht des Nutzers erfordert, einen urheberrechtlichen Schutzgegenstand zum Zwecke eines Pastiches zu nutzen oder ob die Erkennbarkeit des Charakters als Pastiche für denjenigen genügt, dem der in Bezug genommene urheberrechtliche Schutzgegenstand bekannt ist und der das für die Wahrnehmung des Pastiches erforderliche intellektuelle Verständnis besitzt.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. September 2023 – I ZR 74/22
- OLG Hamburg, Urteil vom 07.06.2006 – 5 U 48/05, GRUR-RR 2007, 3[↩]
- BGH, Urteil vom 20.11.2008 – I ZR 112/06, GRUR 2009, 403 = WRP 2009, 308[↩]
- OLG Hamburg, Urteil vom 17.08.2011 – 5 U 48/05, GRUR 2011, 396[↩]
- BGH, Urteil vom 13.12.2012 – I ZR 182/11, GRUR 2013, 614 = WRP 2013, 804[↩]
- BVerfG, Urteil vom 31.5.2016 – 1 BvR 1585/13, BVerfGE 142, 74[↩]
- BGH, Beschluss vom 01.06.2017 – I ZR 115/16, GRUR 2017, 895 = WRP 2017, 1114[↩]
- EuGH, Urteil vom 29.07.2019 – C-476/17, GRUR 2019, 929 = WRP 2019, 1156 – Pelham u.a.[↩]
- BGH, Urteil vom 30.04.2020 – I ZR 115/16, BGHZ 225, 222[↩]
- OLG Hamburg, Urteil vom 22.4.2022 – 5 U 48/05, GRUR 2022, 1217[↩]
- dazu BGHZ 225, 222 – Metall auf Metall IV[↩]
- vgl. EuGH, GRUR 2019, 929 – Pelham u.a.[↩]
- EuGH, GRUR 2019, 929 – Pelham u.a.; zu Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vgl. BVerfGE 142, 74[↩]
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