EU-Versandapotheken unterliegen bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an deutsche Kunden ebenso der deutschen Arzneimittelpreisbindung wie deutsche Apotheken. Damit beurteilen sich ihre Rabatt- und Bonussystem, wie der Bundesgerichtshof jetzt in fünf bei ihm anhängigen Sachen entschied, auch nach dem (restriktiven) deutschen Apothekenrecht.

Beklagte in drei dieser nun vom Bundesgerichtshof entschiedenen Verfahren1 ist eine in den Niederlanden ansässige Apotheke, die im Wege des Internet-Versandhandels Medikamente für den deutschen Markt anbietet. In dem vierten Verfahren2 richtet sich die Klage gegen drei in Nordrhein-Westfalen ansässige Apotheken, die für den Einkaufsservice einer in den Niederlanden ansässigen Versandapotheke werben. In dem fünften Verfahren3 schließlich ist ein großes deutsches Versandhandelsunternehmen beklagt, das mit einem Einleger in seinem Katalog für eine in den Niederlanden ansässige Versandapotheke warb, die Boni für die Einlösung von Rezepten versprach.
Die Kläger, Betreiber von inländischen Apotheken, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs sowie zwei Apothekerverbände, haben die Verhaltensweise der Beklagten unter anderem wegen Verstoßes gegen die im Arzneimittelrecht für verschreibungspflichtige Arzneimittel geltenden Preisbindungsvorschriften beanstandet. Sie haben die Beklagten auf Unterlassung der Ankündigung oder Gewährung der Boni bzw. Empfehlung der niederländischen Versandhandelsapotheke in Anspruch genommen. Die Oberlandesgericht in Frankfurt am Main und München sowie das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg haben den Klagen in vier der fünf Sachen stattgegeben4. Lediglich das Oberlandesgericht Köln sah dies anders und wies die bei ihm anhängige Unterlassungsklage ab5.
Der Bundesgerichtshof hat die Frage, ob deutsches Arzneimittelpreisrecht auch für den Apothekenabgabepreis verschreibungspflichtiger Arzneimittel gilt, die im Wege des Versandhandels von einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Versandapotheke im Inland in den Verkehr gebracht werden, in der Frankfurter Sache6 bejahen wollen, sich hieran aber durch eine Entscheidung des Bundessozialgerichts gehindert gesehen. Der vom Bundesgerichtshof deshalb angerufene Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes hat sodann entschieden, dass die Vorschriften des Arzneimittelgesetzes eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage darstellen, ausländische Versandapotheken, die verschreibungspflichtige Arzneimittel im Inland an Endverbraucher abgeben, deutschem Arzneimittelpreisrecht zu unterwerfen7.
Nunmehr hat der Bundesgerichtshof diese Rechtsansicht des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes umgesetzt und auf der Grundlage des Beschlusses des Gemeinsamen Senats abschließend entschieden.
In drei Sachen8 hat der Bundesgerichtshof dabei nur noch über die Kostentragung entschieden, nachdem die Parteien in der mündlichen Revisionsverhandlung den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten. Er hat den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt, da ihre Rechtsmittel keinen Erfolg gehabt hätten, wenn es nicht zur Erledigung der Hauptsache gekommen wäre. In einer Sache3 hat er die Revision der Beklagten zurückgewiesen. In letzten Sache2 hat der Bundesgerichtshof auf die Revision der Klägerin das klageabweisende Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Köln aufgehoben und das der Klage stattgebende erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Köln9 wiederhergestellt.
Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs war in dem zugrundeliegenden Sachverhalt nicht entscheidend, dass die niederländische Versandapotheke die Verbraucher, die bei ihr verschreibungspflichtige Arzneimittel bestellen, bei dem beanstandeten Geschäftsmodell nicht direkt, sondern unter Einschaltung der Beklagten beliefert, da die hinsichtlich des Erfüllungsorts getroffene Regelung ersichtlich der Umgehung des deutschen Arzneimittelpreisrechts dient.
Bundesgerichtshof, Entscheidungen vom 26. Februar 2014 – I ZR 72/08 – I ZR 77/09 – I ZR 119/09 – I ZR 120/09 und I ZR 79/10
- BGH – I ZR 72/08, I ZR 119/09 und I ZR 120/09[↩]
- BGH – I ZR 77/09[↩][↩]
- BGH – I ZR 79/10[↩][↩]
- OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.11.2007 – 6 U 26/07, GRUR 2008, 306, WRP 2008, 969; OLG München, Urteile vom 02.07.2009 – 29 U 3648/08 und 29 U 3744/08; OLG Hamburg, Urteil vom 25.03.2010 – 3 U 126/09, PharmR 2010, 410[↩]
- OLG Köln, Urteil vom 08.05.2009 – 6 U 213/08, PharmR 2010, 197, APR 2010, 109[↩]
- BGH – I ZR 72/08[↩]
- GmS-OBG, Beschluss vom 22.08.2012 – GmS-OGB 1/10, BGHZ 194, 354 = GRUR 2013, 417 = WRP 2013, 621[↩]
- BGH – I ZR 72/08, I ZR 119/09, I ZR 120/09[↩]
- LG Köln, Urteil vom 23.10.2008 – 31 O 353/08[↩]
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