Fahrgastrechtegesetz – Was darf die Zugverspätung kosten?

Heute hat das „Gesetz zur Anpassung eisenbahnrechtlicher Vorschriften an die Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr“ ( Fahrgastrechtegesetz)  den Deutschen Bundestag passiert. Hiernach sollen ab der kommenden  Sommerreisesaison 2009  vor allem bei Verspätungen und Zugausfällen die  Rechte der Bahnfahrer gestärkt werden. Das Gesetz beruht auf einer EG-Verordnung, die ab dem 3. Dezember 2009 europaweit gelten wird. Künftig besteht ein gesetzlicher Anspruch auf Erstattung eines Fahrpreisanteil sowohl bei größeren Verspätungen wie auch in den Fällen, in denen ein Fahrgast wegen einer vergleichsweise kleinen Verspätung einen Anschluss verpasst hat. Im Nahverkehr werden die Fahrgäste außerdem bei Verspätungen oder Zugausfällen auf andere Verkehrsmittel ausweichen können, gegebenenfalls sogar auf ein Taxi. 

Fahrgastrechtegesetz – Was darf die Zugverspätung kosten?

1. Unpünktlichkeit und Ausfall von Zügen im Fern- und Nahverkehr

  • Hat ein Zug Verspätung oder fällt er aus, muss das Eisenbahnunternehmen dem Fahrgast künftig eine Entschädigung zahlen. Diese wird wie folgt berechnet:
    • Kommt der Fahrgast 60 Minuten verspätet am Zielort an, sind 25 % des Fahrpreises zu erstatten.
    • Liegt die Verspätung bei 120 Minuten, sind 50 % des Fahrpreises zu erstatten.

    Der Betrag muss dem Fahrgast auf Wunsch bar ausgezahlt werden. Außerdem muss das Eisenbahnunternehmen bei einer Verspätung von mindestens 60 Minuten eine kostenlose Hotelunterkunft anbieten, wenn wegen der Unpünktlichkeit oder des Ausfalls eine Übernachtung erforderlich wird. Maßgeblich ist die verspätete Ankunft am Zielort.

  • Sonderregeln gelten für Zeitfahrkarten wie etwa die Bahncard 100. Hier greifen die genannten Pauschalen nicht. In diesen Fällen sind aber die Eisenbahnunternehmen verpflichtet, in ihren Beförderungsbedingungen eine angemessene Entschädigung vorzusehen, wenn der Fahrgast wiederholt Verspätungen erleidet.
  • Das Eisenbahnunternehmen haftet nicht, wenn die Verspätung durch außerhalb des Eisenbahnbetriebs liegende Umstände verursacht wird und das Eisenbahnunternehmen diese Umstände trotz der gebotenen Sorgfalt nicht vermeiden kann.
  • Das Eisenbahnunternehmen kann von einer Zahlung absehen, wenn der zu erstattende Betrag unterhalb einer Bagatellgrenze von 4€ liegt.
  • Ist eine Ver­spä­tung von mehr als 60 Mi­nu­ten absehbar, kann der Fahr­gast auch von einer Fahrt ab­se­hen und Rück­er­stat­tung des Fahr­prei­ses ver­lan­gen oder die Fahrt zu einem spä­te­ren Zeit­punkt auch mit ge­än­der­ter Stre­cken­füh­rung durch­füh­ren.

 

    2. Unpünktlichkeit und Ausfall von Zügen im Nahverkehr

    Für den Nahverkehr werden im Vergleich zu den europäischen Vorgaben weitergehende Regelungen getroffen. Um Nahverkehr handelt es sich, wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Zuges

    • die Reiseweite nicht mehr als 50 Kilometer oder
    • die Reisezeit nicht mehr als eine Stunde beträgt.

    Im Nahverkehr ist eine anteilige Fahrpreiserstattung meist nur von geringer Attraktivität (wenn sie überhaupt oberhalb der Bagatellgrenze läge), weil die Fahrpreise niedriger als im Fernverkehr sind. Im Vordergrund steht hier vor allem das Interesse des Fahrgastes, sein Nahverkehrsziel so schnell wie möglich zu erreichen. Hier gelten – entsprechend den derzeit von der Deutschen Bahn praktizierten Regeln – auch zukünftig weitergehende Rechte:

    • Ist abzusehen, dass der Fahrgast wegen einer Unpünktlichkeit oder eines Ausfalls eines Zuges im Nahverkehr wenigstens 20 Minuten verspätet sein Ziel erreicht, kann er einen anderen Zug, insbesondere auch einen Zug des Fernverkehrs nutzen. Für diesen anderen Zug darf jedoch keine umfassende Reservierungspflicht – wie beispielsweise beim City Night Line oder ICE Sprinter – bestehen oder dieser eine Sonderfahrt durchführen.
    • Wenn die fahrplanmäßige Ankunftszeit in die Zeit zwischen 0.00 Uhr und 5.00 Uhr fällt, kann der Fahrgast bei einer Verspätung von mindestens 60 Minuten auch auf ein Taxi umsteigen, wenn keine preisgünstigeren öffentlichen Verkehrsmittel mehr zur Verfügung stehen, um den Zielort zu erreichen. Der Erstattungsanspruch ist allerdings auf einen Betrag von 80 Euro begrenzt.
    • Bei Ausfall des letzten fahrplanmäßigen Zuges des Tages kann der Fahrgast ebenfalls auf ein Taxi umsteigen, wenn er seinen Zielort ohne die Nutzung des anderen Verkehrsmittels nicht mehr bis um 24.00 Uhr erreichen kann. Auch hier ist der Erstattungsanspruch auf einen Betrag von 80 Euro begrenzt.

     

    3. Haftung bei Personenschäden

    Bei einem Eisenbahnunfall müssen die Eisenbahnunternehmen, soweit ein Fahrgast getötet oder verletzt wurde, künftig einen Vorschuss zahlen, der die unmittelbaren wirtschaftlichen Bedürfnisse des geschädigten Fahrgasts oder seiner Angehörigen deckt. Wird ein Fahrgast getötet, beträgt dieser Vorschuss mindestens 21.000 Euro. Wenn die Verordnung in Kraft tritt, werden europaweit außerdem einheitliche Haftungsregeln und Mindestentschädigungssummen bei Personenschäden gelten. Dann kann kein Mitgliedstaat mehr geringere Haftungshöchstsummen festschreiben als umgerechnet ca. 200.000 Euro.

     

    4. Rechte von Personen mit eingeschränkter Mobilität

    Zugunsten von behinderten Personen und sonstigen Personen mit eingeschränkter Mobilität, etwa alte Menschen oder kleine Kinder, werden die Eisenbahnunternehmen und Bahnhofsbetreiber zukünftig verpflichtet, gemeinsam mit Interessenvertretern dieser Gruppen Zugangsregelungen für die Beförderung aufzustellen. Sie müssen dafür sorgen, dass der Bahnhof, die Bahnsteige, die Fahrzeuge und andere Einrichtungen für Personen mit eingeschränkter Mobilität zugänglich sind. Soweit entsprechendes Personal vorhanden ist und der Unterstützungsbedarf vorher angemeldet wurde, werden die Eisenbahnunternehmen und Bahnhofsbetreiber verpflichtet, kostenlos Unterstützung beim Ein- und Aussteigen sowie bei der Fahrt zu leisten.

     

    5. Informationspflichten der Eisenbahnunternehmen

    Die Eisenbahnunternehmen müssen die Fahrgäste beim Fahrkartenverkauf imd während der Fahrt insbesondere darüber informieren, welche die kürzeste und preisgünstigste Zugverbindung ist, welche Rechte der Fahrgast hat, ob der Zug Verspätung hat und welche Anschlüsse erreicht werden können. Dies gilt allerdings hauptsächlich im Fernverkehr. Im Nahverkehr sind die Informationspflichten weniger umfangreich, hier können etwa die Informationen über die Anschlussverbindungen während der Fahrt entfallen. Außerdem können die Fahrgäste im Nahverkehr durch eine Zusammenfassung informiert werden. Die Information selbst kann durch Aushang oder Auslage sowie den Einsatz eines Informations- und Buchungssystems erfolgen.

     

    6. Qualitätsmanagement, Beschwerdestellen und Schlichtung

    Eisenbahnunternehmen, die Schienenpersonenfernverkehr betreiben, müssen Qualitätsstandards festlegen und systematisch überprüfen. Diese beziehen sich auf Informationen, Fahrkarten, Pünktlichkeit, Zuausfälle, Sauberkeit, Kundenbefragungen, Beschwerdebearbeitung und Hilfeleistung für Personen mit Behinderungen und Personen mit eingeschränkter Mobilität. Ferner müssen alle Eisenbahnunternehmen ein Verfahren zur Bearbeitung von Beschwerden einrichten. Die Eisenbahnunternehmen sind verpflichtet, die Fahrgäste in weitem Umfang, insbesondere an auffälliger Stelle über die Kontaktdaten der unternehmenseigenen Beschwerdestelle zu unterrichten. Die Beschwerden müssen innerhalb eines Monats oder, wenn der Fahrgast hierüber unterrichtet worden ist, innerhalb von spätestens 3 Monaten beantwortet sein. Zusätzlich werden Beschwerdestellen bei den Eisenbahnaufsichtsbehörden eingerichtet, damit der Fahrgast eine Anlaufstelle hat, wenn er von einem Eisenbahnunternehmen nicht zufriedenstellend behandelt worden ist. Gesetzlich klargestellt wird schließlich, dass der Fahrgast darüber hinaus die Möglichkeit hat, eine Schlichtungsstelle anzurufen. Gedacht ist hierbei beispielsweise an die Schlichtungsstelle Mobiltät, die Schlichtungsstelle Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen und die Ombudsstelle Nahverkehr in Bayern oder an eine sonstige für die Zukunft geplante privatrechtlich organisierte verkehrsträgerübergreifende Schlichtungsstelle.

    7. Inkrafttreten

    Das heute vom Bundestag beschlossene Gesetz bedarf noch der Zustimmung des Bundesrates, der sich voraussichtlich am 15. Mai 2009 mit dem Gesetz befassen wird. Das Gesetz soll zwei Monate nach Verkündung in Kraft treten.

    Das Europäische Parlament hat im Übrigen heute zwei Verordnungen mit vergleichbaren Regelungen für Busreisende und Schiffsreisende zugestimmt.

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