Flugbuchungen im Internet – und die Preisdarstellung

Ein Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 kann – auch wenn er als Ordnungswidrigkeit sanktioniert ist – als Wettbewerbsverstoß verfolgt werden. Ansprüche wegen eines Verstoßes gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 können gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG geltend gemacht werden. Darauf, dass die Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 nicht in den Katalog der Verbraucherschutzgesetze des § 2 Abs. 2 UKlaG aufgenommen worden ist, kommt es nicht an. Ein Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 ist geeignet, die Interessen der Verbraucher im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG spürbar zu beeinträchtigen.

Flugbuchungen im Internet – und die Preisdarstellung

Die Vorschrift des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG dar1. Sie soll Information und Transparenz in Bezug auf die Preise für Flugdienste gewährleisten und trägt damit zum Schutz des Kunden bei, der diese Dienste in Anspruch nimmt2. Die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, die nach ihrem Artikel 4 in ihrem Anwendungsbereich (Art. 3) zu einer vollständigen Harmonisierung des Lauterkeitsrechts geführt hat, kennt zwar keinen der Bestimmung des § 4 Nr. 11 UWG entsprechenden Unlauterkeitstatbestand. Dieser Umstand steht der Anwendung der genannten Vorschrift aber deshalb nicht entgegen, weil es sich bei der Bestimmung des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 um eine Rechtsvorschrift der Union handelt, die einen besonderen Aspekt unlauterer Geschäftspraktiken regelt und daher nach Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG den Bestimmungen dieser Richtlinie vorgeht.

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Ein Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 kann ungeachtet dessen, dass er als Ordnungswidrigkeit sanktioniert ist, als Wettbewerbsverstoß verfolgt werden3. Ein solcher Nachrang wettbewerbsrechtlicher Ansprüche scheidet aus, weil die wettbewerbsrechtlichen Abwehransprüche gemäß § 8 UWG anders als die Sanktionierung eines Verhaltens als Ordnungswidrigkeit gemäß § 10 OWiG weder ein vorsätzliches noch ein fahrlässiges Verhalten voraussetzen. Im Streitfall kommt hinzu, dass die insoweit einschlägige Bestimmung des § 108 Abs. 5 der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung4 erst durch Artikel 1 Nr. 6 der Dreizehnten Verordnung zur Änderung der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 02.10.20095 in diese Verordnung eingefügt und gemäß Art. 2 der Änderungsverordnung am 14.10.2009 in Kraft getreten ist. Sie stellt damit keine Grundlage für eine Ahndung der Verhaltensweisen der Fluggesellschaft im November 2008 und Mai 2009 dar, auf die sich der Kläger zur Begründung seiner Klage gestützt hat (§ 3 OWiG).

Der Berechtigung eines Verbraucherschutzverbandes, Ansprüche wegen Verstößen gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG geltend zu machen, steht nicht entgegen, dass die Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 nicht in den Katalog der Verbraucherschutzgesetze des § 2 Abs. 2 UKlaG aufgenommen worden ist. Die Verbraucherschutzverbände sind gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG nicht auf die Verfolgung von Verstößen gegen Verbraucherschutzgesetze im Sinne von § 2 UKlaG beschränkt, sondern zur Verfolgung von Wettbewerbsverstößen berechtigt, soweit diese Verbraucherschutzinteressen beeinträchtigen und die Prozessführung im konkreten Einzelfall vom Satzungszweck des klagenden Verbands gedeckt ist6. Zudem enthält § 2 Abs. 2 UKlaG keine abschließende Aufzählung der Verbraucherschutzgesetze im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG7. Zu den Verbraucherschutzgesetzen im Sinne dieser Bestimmung gehören deshalb – ungeachtet ihrer fehlenden ausdrücklichen Nennung auch die dem Schutz der Verbraucher vor Beeinträchtigungen ihrer Entscheidungsfreiheit dienenden Vorschriften des Preisangabenrechts8. Hierzu zählt die Bestimmung des Art. 23 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008.

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Der Gerichtshof der Europäischen Union hat auf den Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs hin ausgesprochen, dass der zu zahlende Endpreis nach Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 stets auszuweisen ist, ohne dass zwischen dem Zeitpunkt, zu dem dieser Preis erstmalig angezeigt wird, dem Zeitpunkt, zu dem der Kunde einen bestimmten Flug auswählt, oder dem Zeitpunkt des verbindlichen Vertragsschlusses unterschieden wird9. Damit genügt es nicht, wenn der Endpreis erstmals am Beginn des eigentlichen Buchungsvorgangs ausgewiesen wird. Gegenteiliges folgt nicht aus der Bestimmung des Art. 23 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008, die allein fakultative Zusatzkosten betrifft10. Im Rahmen eines elektronischen Buchungssystems wie des im Streitfall in Rede stehenden ist der Endpreis daher bei jeder Angabe von Preisen für Flugdienste und damit auch bei ihrer erstmaligen Angabe vor Beginn eines Buchungsvorgangs auszuweisen11. Im Interesse der mit Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 bezweckten Preisvergleichsmöglichkeit12 gilt die Verpflichtung, den Endpreis stets auszuweisen, nicht nur für den vom Kunden ausgewählten Flugdienst, sondern für jede Form der Veröffentlichung von Flugpreisen und damit ebenso für solche Preise, die für eine Reihe von Flugdiensten in tabellarischer Form angeboten werden13.

Nach diesen Maßstäben verstieß die tabellarische Preisdarstellung des beanstandeten Buchungssystems in der von der Fluggesellschaft bis Ende 2008 verwendeten Fassung schon deshalb gegen die Vorgaben des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008, weil für die in der dortigen Tabelle dargestellten Flugdienste bis auf einen (vor)ausgewählten Flug lediglich die reinen Flugpreise ausgewiesen waren und der Endpreis für einen bestimmten Flugdienst erst im weiteren Buchungsprozesses auf späteren Bildschirmseiten angegeben wurde. Damit fehlte es an einer übersichtlichen Darstellung der Endpreise, so dass der mit der genannten Vorschrift bezweckte Vergleich mit den Preisen anderer Luftfahrtunternehmen nicht ohne weiteres möglich war.

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Für eine ordnungsgemäße Ausweisung des Endpreises fehlte es zudem an der Einbeziehung der von der Fluggesellschaft erhobenen „Service Charge“. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass es sich bei dieser Servicegebühr um ein im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 unvermeidbares und im Zeitpunkt der Veröffentlichung vorhersehbares und daher in den Endpreis einzubeziehendes Entgelt handelte14.

Für das von der Fluggesellschaft im Hinblick auf das Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 geänderte Buchungssystem gilt im Ergebnis nichts Abweichendes.

Der Annahme eines Verstoßes gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 steht nicht entgegen, dass die „Service Charge“ in der geänderten Fassung des Buchungssystems nunmehr bereits im zweiten Buchungsschritt ausdrücklich angesprochen und für den Verbraucher ohne weiteres ersichtlich dem Flugpreis und den sonstigen Entgelten hinzugerechnet wurde. Dasselbe gilt für den Umstand, dass der Flugpreis nebst Steuern und Gebühren sowie Kerosinzuschlag nunmehr innerhalb der Tabelle mit den angezeigten Flugdiensten aufgeführt war. Auch bei diesem geänderten Buchungssystem erfolgte die Angabe eines Endpreises entgegen den Vorgaben des Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 nur in Form einer anschließenden rechnerischen Auflösung allein für einen bestimmten Flugdienst, ohne dass für sämtliche in der Tabelle angezeigten Flugdienste sogleich die Endpreise erkennbar waren.

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Das Berufungsgericht hat weiterhin mit Recht angenommen, dass die beiden Verstöße der Fluggesellschaft gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 geeignet waren, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen (§ 3 Abs. 2 Satz 1 UWG). Wenn dem Verbraucher Informationen vorenthalten werden, die das Unionsrecht als wesentlich einstuft, ist damit zugleich das Erfordernis der Spürbarkeit nach § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG erfüllt15.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 30. Juli 2015 – I ZR 29/12

  1. vgl. BGH, GRUR 2013, 1247 Rn. 8 Buchungssystem I[]
  2. EuGH, GRUR 2015, 281 Rn. 33 Air Berlin/Bundesverband, mwN[]
  3. vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 11.185; MünchKomm-.UWG/Schaffert, 2. Aufl., § 4 Nr. 11 Rn. 37 mwN[]
  4. in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.07.2008 [BGBl. I, S. 1229][]
  5. BGBl. I, S. 3535[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 22.09.2011 – I ZR 229/10, GRUR 2012, 415 Rn. 11 bis 15 = WRP 2012, 467 Überregionale Klagebefugnis; Bergmann/Goldmann in Harte/Henning, UWG, 3. Aufl., § 8 Rn. 372; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 8 Rn.03.52; Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 8 Rn. 270; MünchKomm-.UWG/Ottofülling aaO § 8 Rn. 421; GroßKomm.UWG/Paal, 2. Aufl., § 8 D Rn. 229[]
  7. BGH, GRUR 2012, 415 Rn. 23 Überregionale Klagebefugnis; Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 2 UKlaG Rn. 10[]
  8. OLG Frankfurt, OLG-Rep 2008, 640, 641; LG Rostock, RRa 2012, 201, 202 mwN[]
  9. EuGH, GRUR 2015, 281 Rn. 33 Air Berlin/Bundesverband[]
  10. EuGH, GRUR 2015, 281 Rn. 28 f. Air Berlin/Bundesverband; BGH, GRUR 2013, 1247 Rn. 17 bis 19 Buchungssystem I[]
  11. EuGH, GRUR 2015, 281 Rn. 26, 30 und 35 Air Berlin/Bundesverband[]
  12. vgl. den Erwägungsgrund 16 der Verordnung[]
  13. EuGH, GRUR 2015, 281 Rn. 39 und 45 Air Berlin/Bundesverband[]
  14. vgl. BGH, GRUR 2013, 1247 Rn. 9 Buchungssystem I; OLG Dresden, GRUR 2011, 248, 249; OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2012, 392, 395; KG, MMR 2012, 813, 814[]
  15. st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 21.12 2011 – I ZR 190/10, GRUR 2012, 842 Rn. 25 = WRP 2012, 1096 Neue Personenkraftwagen; Urteil vom 18.04.2013 – I ZR 180/12, GRUR 2013, 1169 Rn.19 = WRP 2013, 1459 – Brandneu von der IFA[]
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