Fluggesellschaften können aus unerlaubter Handlung und Wettbewerbsrecht gegen Flughäfen vorgehen, die Konkurrenten Beihilfen gewähren, entschied jetzt der Bundesgerichtshof. Zwei Klagen von Fluglinien gegen die Flughäfen Frankfurt-Hahn und Lübeck wegen Beihilfen an Ryanair müssen daher neu verhandelt werden.

Im ersten der beiden jetzt vom Bundesgerichtshofs entschiedenen Fall1 wendet sich die Lufthansa gegen Konditionen, die der Flughafen Frankfurt-Hahn der Fluggesellschaft Ryanair eingeräumt hat, und die sie für unzulässige staatliche Beihilfen hält. Aufgrund der Beteiligungsverhältnisse ist der Flughafen ein öffentliches Unternehmen, so dass in Betracht kommt, dem Staat das Handeln des Flughafens zuzurechnen. Die Lufthansa verlangt Auskunft über die Ryanair gewährten Vorteile und Unterlassung, Ryanair „Marketing Support“ oder sonstige Zuschüsse zu gewähren.
Sowohl das erstinstanzlich mit der Klage befasste Landgericht Bad Kreuznach2 wie in der Berufungsinstanz auch das Oberlandesgericht Koblenz3 haben die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht Koblenz hat angenommen, es bestehe keine Grundlage für Ansprüche der Klägerin gegen den Flughafen. Insbesondere komme Art. 88 Abs. 3 S. 3 EGV (jetzt Art. 108 Abs. 3 S. 3 AEUV), nach dem die Mitgliedstaaten ohne Genehmigung der Kommission keine Beihilfemaßnahmen durchführen dürfen, nicht als Anspruchsgrundlage in Betracht. Ob der Flughafen tatsächlich Beihilfen an Ryanair gewährt habe, bedürfe deshalb keiner Entscheidung.
In dem zweiten jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Parallelfall4 hat Air Berlin wegen Beihilfen zugunsten von Ryanair gegen den Flughafen Lübeck geklagt.
Der Bundesgerichtshof hat jeweils die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben: Es kommt in Betracht, urteilte der Bundesgerichtshof, dass die Ansprüche der Lufthansa auf deliktsrechtlicher Grundlage (§ 823 Abs. 2 BGB) begründet sind. Das beihilferechtliche Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV ist ein Schutzgesetz, das auch im Interesse der Konkurrenten des Beihilfeempfängers besteht. Darüber hinaus ist es auch eine Marktverhaltensregelung i. S. des § 4 Nr. 11 UWG, so dass Verstöße gegen das Verbot wegen Rechtsbruchs unlauter sein können. Wer gegen das Durchführungsverbot verstößt, kann daher delikts- und wettbewerbsrechtlich auf Unterlassung, Auskunft, Beseitigung der Beeinträchtigung und Schadenersatz in Anspruch genommen werden. Der wettbewerbsrechtliche Anspruch verjährt allerdings grundsätzlich in sechs Monaten (§ 11 UWG), während für den Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB die Regelverjährungsfrist von drei Jahren gilt.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union begründet das Durchführungsverbot Rechte der Einzelnen, die von den nationalen Gerichten zu beachten sind. Das Verbot hat gerade die Funktion, die Interessen derjenigen zu schützen, die von der Wettbewerbsverzerrung infolge der Beihilfe betroffen sind.
Gewährt ein staatlicher Flughafen unter Verstoß gegen das Durchführungsverbot einer Fluggesellschaft Beihilfen, so können daher deren Konkurrenten von dem Flughafen verlangen, die Beihilfe zurückzufordern.
Die Oberlandesgericht in Koblenz und Schleswig haben nunmehr zu prüfen, ob die Ryanair eingeräumten Konditionen staatliche Beihilfen sind, die der Kommission anzumelden waren. Dabei wird es insbesondere darauf ankommen, ob die entsprechenden Handlungen des Flughafens dem Staat zurechenbar sind, ob andere Fluggesellschaften dieselben Konditionen wie Ryanair erhalten konnten und ob sich der Flughafen wie ein privater Eigentümer verhalten hat. Sollte das Oberlandesgericht Beihilfen feststellen, darf es nicht darüber entscheiden, ob sie genehmigt werden können. Diese Beurteilung obliegt allein der EU-Kommission. Die Kommission hat zwar bereits ein Beihilfeprüfverfahren eingeleitet. Die Verfahren vor den Oberlandesgerichten sind aber nicht auszusetzen, bis die Kommission eine Entscheidung getroffen hat.
Bundesgerichtshof, Urteile vom 10. Februar 2011 – I ZR 136/09 [Flughafen Frankfurt-Hahn] und I ZR 213/08 [Flughafen Lübeck]