Gaspreis-Erhöhungen

Gaspreiserhöhungsklauseln waren in letzter Zeit bereits mehrfach Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Nun muss sich auch der Gerichtshof der Europäischen Union hiermit befassen, denn der Bundesgerichtshof hat ihm mehrere Fragen zur Auslegung der Klausel-Richtlinie 93/13/EWG und der Gas-Richtlinie 2003/55/EG zur Vorabentscheidung vorgelegt.

Gaspreis-Erhöhungen

In dem beim Bundesgerichtshof anhängigen Verfahren verlangt der Kläger, die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V., von der Beklagten, einem Gasversorgungsunternehmen, aus abgetretenem Recht von 25 Haushaltskunden die Rückzahlung von Gaspreisentgelten, die diese in der Zeit von Januar 2003 bis Oktober 2005 auf Gaspreiserhöhungen gezahlt haben. Der Kläger hält die Gaspreiserhöhungen für unwirksam und fordert die gezahlten Erhöhungsbeträge zurück. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Der Bundesgerichtshof hat das Revisionsverfahren ausgesetzt und gemäß Art. 267 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts zur Vorabentscheidung vorgelegt:

  1. Ist Artikel 1 Absatz 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (Klausel-Richtlinie) dahin auszulegen, dass Vertragsklauseln über Preisänderungen in Gaslieferungsverträgen mit Verbrauchern, die außerhalb der allgemeinen Versorgungspflicht im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit beliefert werden (Sonderkunden), nicht den Bestimmungen der Richtlinie unterliegen, wenn in diesen Vertragsklauseln die für Tarifkunden im Rahmen der allgemeinen Anschluss- und Versorgungspflicht geltenden gesetzlichen Regelungen unverändert in die Vertragsverhältnisse mit den Sonderkunden übernommen worden sind?
  2. Sind – soweit anwendbar – Art. 3 und 5 der Klausel-Richtlinie in Verbindung mit Nr. 1 Buchst. j und Nr. 2 Buchst. b Satz 2 des Anhangs zu Art. 3 Abs. 3 dieser Richtlinie sowie Art. 3 Abs. 3 in Verbindung mit Anhang A Buchst. b und/oder c der Richtlinie 2003/55/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG (Gas-Richtlinie) dahin auszulegen, dass Vertragsklauseln über Preisänderungen in Erdgaslieferungsverträgen mit Sonderkunden den Anforderungen an eine klare und verständliche Abfassung und/oder an das erforderliche Maß an Transparenz genügen, wenn in ihnen Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung zwar nicht wiedergegeben sind, jedoch sichergestellt ist, dass das Gasversorgungsunternehmen seinen Kunden jede Preiserhöhung mit angemessener Frist im Voraus mitteilt und den Kunden das Recht zusteht, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen, wenn sie die ihnen mitgeteilten geänderten Bedingungen nicht akzeptieren wollen?

Bei den Kunden der Beklagten handelt es sich zumindest teilweise um Sonderkunden. Für diese gilt das gesetzlich im Tarifkundenverhältnis vorgesehene einseitige Preisänderungsrecht des Gasversorgers nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV nur dann, wenn es als Vertragsklausel wirksam vereinbart wird. Nach dem vorliegend zugrunde zu legenden Sachverhalt erfolgte eine derartige Vereinbarung im Wege der Bezugnahme in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten.

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Der Bundesgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass eine Preisänderungsklausel, die das im Tarifkundenverhältnis bestehende gesetzliche Preisänderungsrecht nach § 4 Abs. 1 und 2 AVBGasV – einschließlich der insoweit bestehenden Kündigungsmöglichkeiten – unverändert in einen Sonderkundenvertrag übernimmt, keine unangemessene Benachteiligung des Sonderkunden im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB darstellt. Dies gilt auch im Hinblick auf die Transparenz der Preisänderungsklausel. Zwar enthält ein § 4 AVBGasV nachgebildetes vertragliches Preisänderungsrecht keine Angaben zu Anlass, Voraussetzungen und Umfang einer Preisänderung. Gleichwohl ist eine solche Klausel wirksam, da der Schutz von Sonderkunden nicht weitergehen soll als derjenige, der Tarifkunden durch § 4 AVBGasV gewährt wird.

Das Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union dient einer Klärung der Frage, ob die Auffassung des Bundesgerichtshofs im Einklang mit den Anforderungen steht, die Art. 3 und 5 der Klausel-Richtlinie und Art. 3 Abs. 3 der Gas-Richtlinie an eine klare und verständliche Abfassung von Vertragsklauseln und/oder an das erforderliche Maß an Transparenz stellen. Bezüglich der Klausel-Richtlinie ist darüber hinaus vorab zu klären, ob diese überhaupt vertragliche Vereinbarungen erfasst, die inhaltlich mit Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten übereinstimmen.

Die Bestimmung des Anwendungsbereichs der Klausel-Richtlinie und die Auslegung der in ihr sowie in der Gas-Richtlinie enthaltenen Anforderungen an die Transparenz von Preisänderungsklauseln in Erdgaslieferungsverträgen mit Verbrauchern sind dem Gerichtshof der Europäischen Union vorbehalten.

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