Regelt der Gesellschaftsvertrag einer Publikumsgesellschaft, dass über bestimmte Beschlussgegenstände nicht die Mehrheit der abgegebenen, sondern die Mehrheit der anwesenden Stimmen entscheidet, und ergibt die Auslegung des Gesellschaftsvertrags, dass die Mehrheit der anwesenden Stimmen als Mehrheit aller teilnehmenden und nicht als Mehrheit der mit Ja oder Nein stimmenden Gesellschafter zu verstehen ist, sind bei schriftlicher Beschlussfassung mit den „anwesenden“ Gesellschaftern im Regelfall nicht alle, sondern nur die Gesellschafter gemeint, die sich an der schriftlichen Abstimmung beteiligen.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs sind in dem hier vorliegenden Fall die angefochtenen Änderungsbeschlüsse mit der in § 16 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags festgelegten Stimmenmehrheit gefasst worden.
Die Nichtigkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung einer Kommanditgesellschaft wird durch Feststellungsklage gegen die Mitgesellschafter geltend gemacht, wenn nicht der Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass der Streit mit der Gesellschaft auszutragen ist1. Dies ist hier aber der Fall – so der Bundesgerichtshof. Nach § 17 Abs. 7 des Gesellschaftsvertrags ist eine Klage gegen die Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses gegen die Gesellschaft zu richten.
Die in § 16 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags genannten Beschlüsse sind, wie das Berufungsgericht außerdem mit Recht angenommen hat, einer schriftlichen Beschlussfassung zugänglich. Nach § 17 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags können Beschlüsse sowohl in der Gesellschafterversammlung als auch in schriftlicher Abstimmung gefasst werden. Ob dies auch für die in § 16 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags genannten Gegenstände (Genehmigung und Feststellung des Jahresabschlusses, Verwendung von Jahres- und Liquiditätsüberschüssen) gilt, kann dahinstehen. Jedenfalls kann § 16 des Gesellschaftsvertrags nicht entnommen werden, dass eine Beschlussfassung in schriftlicher Abstimmung über die Beschlussgegenstände des § 16 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags ausgeschlossen sein soll, die nicht unter § 16 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags fallen. Der Begriff „Gesellschafterversammlung“ im Sinn von § 16 des Gesellschaftsvertrags meint – ebenso wie in § 17 Abs. 3 – nicht die Versammlung der erschienenen Gesellschafter, sondern die Gesellschafter als Organ der Gesellschaft. Andernfalls wäre § 17 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags weitgehend bedeutungslos, da § 16 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags auch Beschlüsse über Rechtsgeschäfte umfasst, für die der Gesellschaftsvertrag die Zustimmung der Gesellschafterversammlung vorschreibt.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verlangt jedoch § 16 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags bei schriftlicher Abstimmung über die in § 16 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags genannten Beschlussgegenstände für das Zustandekommen eines Beschlusses nicht eine ¾‑Mehrheit aller, sondern lediglich eine ¾‑Mehrheit der an der Ab-stimmung teilnehmenden Gesellschafter, weil unter „anwesenden“ Stimmen im Sinne dieser Vorschrift nicht sämtliche, sondern die an der schriftlichen Abstimmung teilnehmenden Gesellschafter der Beklagten zu verstehen sind. Das kann der Bundesgerichtshof selbst feststellen, da der Gesellschaftsvertrag der Beklagten als Publikumsgesellschaft objektiv auszulegen ist2.
Das Berufungsgericht hat allerdings zutreffend angenommen, dass die Mehrheit der anwesenden Stimmen im Sinn von § 16 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags bei Beschlussfassung in der Versammlung ebenso wie bei schriftlicher Abstimmung als Mehrheit aller teilnehmenden und nicht als Mehrheit der mit Ja oder Nein abstimmenden Gesellschafter zu verstehen ist. Diese Auslegung ist entgegen der Meinung der Revision nicht deshalb fehlerhaft, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in einer eher körperschaftlich strukturierten Publikumsgesellschaft mit einer Vielzahl von Mitgliedern nicht nur personengesellschaftsrechtliche, sondern auch kapitalgesellschaftsrechtliche Regeln Anwendung finden können, so auch § 47 Abs. 1 GmbHG. Nach dieser Vorschrift ist die Mehrheit nicht nach der Zahl der stimmberechtigten Gesellschafter, sondern ausschließlich nach der Zahl der abgegebenen gültigen Stimmen unter Außerachtlassung der Enthaltungen zu bestimmen3. Ebenso wie im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 47 Abs. 1 GmbHG4 kann auch der Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft über diese Vorschrift hinausgehende gesteigerte Mehrheitserfordernisse aufstellen. Soll jedoch abweichend von den geltenden kapitalgesellschaftsrechtlichen Grundsätzen nicht die Mehrheit der abgegebenen Stimmen entscheiden, sollen also nicht nur die Ja- und Nein- Stimmen, sondern auch die Enthaltungen mit der Wirkung von Nein-Stimmen zählen, muss dies allerdings aus dem Gesellschaftsvertrag eindeutig hervorgehen, weil derjenige, der sich der Stimme enthält, seine Unentschiedenheit bekunden und gerade nicht mit Nein stimmen will5.
Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Nach dem klaren Wortlaut des § 16 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags entscheidet über die dort genannten Beschlussgegenstände – anders als im Anwendungsbereich des § 17 Abs. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags, der auf die ab-gegebenen Stimmen abstellt, zu denen Enthaltungen nicht gehören (§ 17 Abs. 3 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags) – die Mehrheit der anwesenden Stimmen. Zwar kann die Auslegung des Gesellschaftsvertrags trotz eines solchen Wortlauts der Bestimmung zu dem Ergebnis führen, dass die abgegebenen Stimmen maßgeblich und Stimmenthaltungen nicht mitzuzählen sind6. Anders als in der von der Revision herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshof7 bestehen hier aber keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Formulierung in § 16 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags lediglich um eine Ungenauigkeit des Ausdrucks handelt. Vielmehr spricht alles dafür, dass den unterschiedlichen Formulierungen in § 17 Abs. 3 Satz 1 und § 16 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags eine gewollte inhaltliche Unterscheidung zugrunde liegt. Abgesehen davon, dass § 17 Abs. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags darauf hinweist, dass der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmen kann und damit eine abweichende Regelung ausdrücklich zulässt, handelt es sich bei den § 16 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags unterfallenden Beschlussgegenständen für die Gesellschafter um Angelegenheiten von besonderer Bedeutung, für die der Gesellschaftsvertrag in § 16 Abs. 2 Satz 1 ein höheres Mehrheitserfordernis aufstellt als für weniger einschneidende Beschlussgegenstände.
Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts sind jedoch bei schriftlicher Beschlussfassung mit der Mehrheit der anwesenden Stimmen im Sinne von § 16 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags nicht alle, sondern nur die Gesellschafter gemeint, die sich an der schriftlichen Abstimmung beteiligen. Gegen die vom Berufungsgericht für richtig gehaltene Auslegung spricht schon, dass § 17 Abs. 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags für die Beschlussfassung in schriftlicher Abstimmung ausdrücklich eine Teilnahme von mindestens 10 % aller Gesellschafter verlangt. Hätte der Gesellschaftsvertrag auch bei schriftlichen Abstimmungen über die in § 16 Abs. 2 genannten Beschlussgegenstände eine bestimmte Mehrheit aller – und nicht nur der teilnehmenden – Gesellschafter fordern wollen, wäre zu erwarten, dass dieser Wille in § 16 Abs. 2 Satz 1 GV ebenso unmissverständlich Ausdruck gefunden hätte wie in dem folgenden § 17 Abs. 2 Satz 2 GV.
Insbesondere steht der vom Berufungsgericht befürworteten Auslegung entgegen, dass für die in § 16 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags genannten Beschlussgegenstände im schriftlichen Verfahren ein wesentlich höheres Maß an Zustimmung gefordert würde als bei Abstimmung in der Versammlung. Während es bei der Abstimmung über einen unter § 16 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags fallenden Gegenstand in der Versammlung für eine positive Beschlussfassung schon genügte, dass 3 von 4 erschienenen Gesellschaftern mit Ja stimmten, fehlte es bei schriftlicher Abstimmung selbst dann an der nach § 16 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags erforderlichen Mehrheit, wenn sich – wie hier – mehr als 80 % aller Gesellschafter an der Abstimmung beteiligen und der Beschluss eine Mehrheit von über 76 % der teilnehmenden Gesellschafter findet.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts lassen sich die aus seinem Verständnis des § 16 Abs. 2 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags folgenden gesteigerten Anforderungen an eine positive Beschlussfassung bei schriftlicher Abstimmung gegenüber der Beschlussfassung in der Versammlung weder mit den Risiken einer schriftlichen Abstimmung noch mit der Bedeutung der in § 16 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags genannten Gegenstände rechtfertigen. Vielmehr läge ein nicht hinnehmbarer Wertungswiderspruch vor. Der mit jeder schriftlichen Beschlussfassung verbundenen Besonderheit, dass anders als bei einer Abstimmung in der Versammlung die Gesellschafter hier regelmäßig keine Gelegenheit haben, das Für und Wider zu erörtern und so auf den Willensbildungsprozess in der Gesellschaft Einfluss zu nehmen, trägt der Gesellschaftsvertrag dadurch Rechnung, dass er für die Beschlussfassung in schriftlicher Abstimmung ein Teilnahmequorum von 10 % aller Gesellschafter bestimmt (§ 17 Abs. 2 Satz 2 des Gesellschaftsvertrags). Dass § 16 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags Beschlussgegenstände von besonderer Bedeutung betrifft, erklärt nicht, warum über dieses Quorum hinaus für die schriftliche Beschlussfassung eine breitere Zustimmung erforderlich sein sollte als bei Beschlussfassung in der Versammlung. Für einen solchen Willen ergeben sich aus dem Gesellschaftsvertrag keine hinreichenden Anhaltspunkte. Anders als das Berufungsgericht meint, besteht auch bei schriftlicher Abstimmung zwischen der Mehrheit der anwesenden (= teilnehmenden) und der Mehrheit der abgegebenen Stimmen ein Unter-schied. Auch derjenige, der an der schriftlichen Abstimmung teilnimmt, kann sich der Stimme enthalten. Dass Gesellschafter, die weder mit Ja noch mit Nein stimmen wollen, möglicherweise schon nicht an der schriftlichen Abstimmung teilnehmen und sich in diesem Fall die Mehrheit der anwesenden Stimmen der Mehrheit der abgegebenen Stimmen annäherte, genügt hierfür nicht.
Wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO). Für das weitere Verfahren weist der Bundesgerichtshof darauf hin, wenn das Berufungsgericht zu dem Ergebnis kommen sollte, dass die Beschlüsse mit der nach dem Gesellschaftsvertrag erforderlichen Mehrheit gefasst worden und auch im Übrigen formell wirksam sind, wird es auf der zweiten Stufe den Einwand der Kläger zu prüfen haben, die Mehrheit habe sich mit den beanstandeten Beschlüssen treuwidrig über die Rechte der Minderheit hinweggesetzt8. Der Gesellschaftsvertrag lässt Änderungen, um die es sich auch bei der Aufhebung von § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Gesellschaftsvertrags handelt, mit ¾‑Mehrheit zu und knüpft die Geltung der in § 16 Abs. 2 Satz 2 und 3 des Gesellschaftsvertrags geregelten erhöhten Quoren an das Vorliegen bestimmter Vorausset-zungen. Eine Treuwidrigkeit der beschlossenen Änderungsbeschlüsse kann bei Hinzutreten besonderer Umstände anzunehmen sein. Ob solche Umstände vorliegen, hat das Berufungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt folgerichtig – bisher nicht festgestellt. Das Berufungsgericht erhält durch die Zurückverweisung Gelegenheit, auf der Grundlage des Vortrags der Parteien dazu und zu den übrigen Rügen die erforderlichen Feststellungen zu treffen.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 19. Juli 2011 – II ZR 209/09 – KG
- BGH, Urteil vom 01.03.2011 – II ZR 83/09, ZIP 2011, 806 Rn. 19; Urteil vom 27.04.2009 – II ZR 167/07, ZIP 2009, 1158 Rn. 25 mwN[↩]
- st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 19.03.2007 – II ZR 73/06, ZIP 2007, 812 Rn. 18; Urteil vom 11.01.2011 – II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rn. 12 mwN; Urteil vom 01.03.2011 – II ZR 16/10, ZIP 2011, 957 Rn. 8[↩]
- BGH, Urteil vom 30.03.1998 – II ZR 20/97, ZIP 1998, 859, 861; Urteil vom 21.03.1988 – II ZR 308/87, BGHZ 104, 66, 74 f.[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 22.03.2004 – II ZR 50/02, ZIP 2004, 804, 805; Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 47 Rn. 24[↩]
- BGH, Urteil vom 12.01.1987 – II ZR 152/86, ZIP 1987, 635, 636 zum Verein[↩]
- BGH, Urteil vom 12.01.1987 – II ZR 152/86, ZIP 1987, 635, 636; vgl. auch Urteil vom 25.01.1982 – II ZR 164/81, BGHZ 83, 35, 36 f. zu § 32 Abs. 1 Satz 3 BGB in der bis zum 30. September 2009 geltenden Fassung[↩]
- BGH, Urteil vom 12.01.1987 – II ZR 152/86, ZIP 1987, 635 zur Auslegung einer Vereinssatzung[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2007 – II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 Rn. 9 f. – OTTO; Urteil vom 24.11.2008 – II ZR 116/08, BGHZ 179, 13 Rn. 16 f. – Schutzgemeinschaftsvertrag II[↩]