Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag – und die Zahlung bei seiner Aufhebung

Haben die Parteien eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags bei der Aufhebung des Unternehmensvertrags vereinbart, dass der Untergesellschaft zur finanziellen Absicherung für die Zeit nach Vertragsbeendigung eine Zahlung tatsächlich zufließen soll, ist die Forderung bei der Berechnung des fiktiven Jahresfehlbetrags auf den Aufhebungsstichtag nicht zu berücksichtigen.

Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag – und die Zahlung bei seiner Aufhebung

Es sind keine Gründe ersichtlich, warum es den Parteien eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags verwehrt sein sollte, zu vereinbaren, die Untergesellschaft für die Zeit nach Beendigung eines solchen Unternehmensvertrags finanziell abzusichern.

Zwar hält die heute überwiegende Auffassung im Schrifttum die Obergesellschaft nicht für verpflichtet, der Untergesellschaft finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, um deren Überleben nach dem Wegfall der Verlustausgleichspflicht zu sichern1. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, die Parteien könnten eine entsprechende Absicherung nicht vereinbaren. Die Begründung eines solchen Anspruchs der Untergesellschaft kann insbesondere dem bereits genannten Umstand Rechnung tragen, dass die eigenständige Lebensfähigkeit der früher abhängigen Gesellschaft wegen der vorherigen Ausrichtung auf das Konzerninteresse nach dem Wegfall der Verlustausgleichspflicht zweifelhaft erscheint2.

Im vorliegenden Fall sollte die Entschädigungszahlung der beherrschten Gesellschaft nach Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags tatsächlich zufließen. Die Zahlungsverpflichtung war nach dem im Vertragstext zum Ausdruck kommenden Willen der Parteien abhängig vom Eintritt der Wirksamkeit der Aufhebung und sollte erst danach zahlbar und fällig sein. Die erst nach Wirksamkeit der Aufhebung und Beendigung des Rumpfgeschäftsjahrs zahlbare Entschädigung war hier nach dem eindeutigen Wortlaut des Aufhebungsvertrags bestimmt als „Ersatz für die wegfallende Verlustübernahmeverpflichtung“. Da die Verlustübernahmeverpflichtung erst mit Wirksamwerden der Aufhebung wegfiel und für die Zeit bis zur Beendigung des Unternehmensvertrags fortbestand, kann die Entschädigung nur zum Ausgleich zukünftiger, nach Beendigung des Unternehmensvertrags entstehender Verluste bestimmt gewesen sein. Hätten die Parteien gewollt, dass die vereinbarte Entschädigung zur Befriedigung des in § 302 AktG geregelten Anspruchs auf Ausgleich der während der Vertragsdauer entstandenen Verluste dienen soll, hätte es nahegelegen, dies in der Aufhebungsvereinbarung zu benennen. Die Formulierung „Ersatz für die wegfallende Verlustübernahmeverpflichtung“ spricht für das Gegenteil.

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Solche künftigen, in einem Zeitraum nach Beendigung des Unternehmensvertrags eintretenden Verluste können aber durch die erstmals im Folgejahr zahlbare Entschädigung nicht ausgeglichen werden, wenn der Anspruch der Untergesellschaft durch Verlustausgleich bzw. Gewinnabführung im Rumpfgeschäftsjahr 2016 neutralisiert wird. In diesem Fall würde die Obergesellschaft im wirtschaftlichen Ergebnis nicht den vereinbarten Betrag, sondern nichts bezahlen und der Wegfall der Verlustübernahmeverpflichtung würde entgegen der Aufhebungsvereinbarung nicht entschädigt. Die Zahlung würde dann keine künftigen Verluste, sondern den Verlust des Rumpfgeschäftsjahrs ausgleichen bzw. über die Gewinnabführung wieder an die Obergesellschaft zurückfließen.

Es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, dass rechtlich beratene am Wirtschaftsleben beteiligte Unternehmen bewusst derart sinnwidrige Vereinbarungen treffen. Wenn das Berufungsgericht ausführt, ob die Konstruktion mit der Folge, dass bei der Untergesellschaft im Rumpfgeschäftsjahr ein an die Obergesellschaft abzuführender, ihre Entschädigungsleistung kompensierender Gewinn habe entstehen können, bei wirtschaftlicher Betrachtung Sinn mache, könne dahinstehen, übersieht es, dass die Vertragsbeteiligten im Zweifel etwas Vernünftiges gewollt haben, und es gilt, diesem Willen auch im Rahmen der objektiven Auslegung nach Möglichkeit Geltung zu verschaffen3.

Da die Entschädigung der Untergesellschaft nach Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags tatsächlich zufließen und nicht durch Verlustausgleich bzw. Gewinnabführung im letzten Rumpfgeschäftsjahr neutralisiert werden sollte, ist die Forderung der beherrschten Gesellschaft in der zur Ermittlung des sonst entstehenden Jahresfehlbetrags im Sinn des § 302 Abs. 1 AktG aufzustellenden Berechnung zum Bewertungsstichtag nicht zu berücksichtigen.

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Nach § 302 Abs. 1 AktG hat der andere Vertragsteil jeden während der Vertragsdauer sonst entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen, soweit dieser nicht dadurch ausgeglichen wird, dass den anderen Gewinnrücklagen Beträge entnommen werden, die während der Vertragsdauer in sie eingestellt worden sind. Im Vertragskonzern mit einer GmbH wie der Untergesellschaft als Untergesellschaft ist der Rechtsgedanke des § 302 AktG entsprechend anzuwenden4. Die Höhe des von der Obergesellschaft geschuldeten Ausgleichs nach § 302 AktG wird durch den sich bei objektiv ordnungsgemäßer Bilanzierung zum Bilanzstichtag ergebenden fiktiven Jahresfehlbetrag bestimmt5. Endet der Unternehmensvertrag vor Ablauf eines Geschäftsjahrs, ist das herrschende Unternehmen zum Ausgleich der Verluste verpflichtet, die bis zu diesem Stichtag des Rumpfgeschäftsjahrs entstanden sind6.

Maßgeblich für den Anspruch aus § 302 AktG ist der sonst bei der abhängigen Gesellschaft entstehende, fiktive Jahresfehlbetrag, wie er in der Gewinn- und Verlustrechnung der abhängigen Gesellschaft auszuweisen wäre, wenn ihm nicht der Anspruch gegen den anderen Vertragsteil gegenüberstünde7. Tatsächlich kann sich bei der Aufstellung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses ein Jahresfehlbetrag nicht ergeben, weil aus § 277 Abs. 3 Satz 2 HGB folgt, dass der Ertrag aus Verlustübernahme in die Gewinn- und Verlustrechnung eingeht. Der lediglich für die Berechnung des Verlustausgleichs maßgebliche fiktive Jahresfehlbetrag ist daher vorab zu ermitteln. Ob hierzu eine Vorbilanz aufzustellen8, oder ob die Berechnung auch ohne formalisierte Vorbilanz möglich ist9, kann dahinstehen. Jedenfalls ist im Vertragskonzern der auszugleichende Jahresfehlbetrag nicht das Ergebnis des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, sondern gemäß § 277 Abs. 3 Satz 2 HGB in diesen einzustellen, weshalb er vorab in einer eigenen, allein diesem Zweck dienenden Berechnung ermittelt werden muss10.

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Haben die Parteien eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags bei der Aufhebung des Unternehmensvertrags vereinbart, dass der Untergesellschaft zur finanziellen Absicherung für die Zeit nach Vertragsbeendigung eine Zahlung tatsächlich zufließen soll, ist die Forderung bei der Berechnung des fiktiven Jahresfehlbetrags auf den Aufhebungsstichtag nicht zu berücksichtigen.

Würde man die Entschädigungsforderung im ablaufenden Rumpfgeschäftsjahr bei der Ermittlung des fiktiven Jahresfehlbetrags der Untergesellschaft ansetzen, führte dies im vorliegenden Fall zu einem vollständigen Ausgleich des ohne Berücksichtigung der Entschädigungsforderung bestehenden Fehlbetrags. Da die Entschädigungsforderung diesen fiktiven Jahresfehlbetrag übersteigt, hätte dies zudem einen Jahresüberschuss der Untergesellschaft zur Folge. Ginge man davon aus, dass dieser Jahresüberschuss wiederum Gegenstand der Verpflichtung zur Abführung des ganzen Gewinns im Sinne des § 291 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 AktG wäre, würden der beherrschten Gesellschaft im wirtschaftlichen Ergebnis keine Mittel zufließen. Die vereinbarte finanzielle Absicherung für die Zeit nach Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags wäre unabhängig von ihrer Höhe wertlos. Um dieses ersichtlich sinnwidrige Ergebnis zu vermeiden und dem im Aufhebungsvertrag zum Ausdruck kommenden Parteiwillen Geltung zu verschaffen, hat der Entschädigungsbetrag, der der Untergesellschaft nach der Parteivereinbarung im Folgejahr tatsächlich zufließen sollte, bei der Berechnung des „sonst entstehenden Jahresfehlbetrags“ im Sinn des § 302 AktG außer Betracht zu bleiben.

Ob die Forderung der Untergesellschaft nach handelsbilanziellen Grundsätzen in der zum Aufhebungsstichtag zu erstellenden Gewinn- und Verlustrechnung anzusetzen wäre, ist nicht entscheidend. Zwar ist der Maßstab für die Berechnung des fiktiven Jahresfehlbetrags eine objektiv ordnungsgemäße Bilanzierung zum Bilanzstichtag5. Da die Berechnung aber ausschließlich dem Zweck dient, die Höhe des Verlustausgleichs bzw. der Gewinnabführung zwischen den am Unternehmensvertrag beteiligten Parteien zu bestimmen, muss eine Forderung, die der Untergesellschaft nach Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zur finanziellen Absicherung tatsächlich zufließen soll, bei im Übrigen ordnungsgemäßer Bilanzierung, bei der Berechnung des fiktiven Jahresfehlbetrags unberücksichtigt bleiben, wenn nur so der Parteiwille verwirklicht werden kann. Die Unabhängigkeit der Berechnung des fiktiven Jahresfehlbetrags vom handelsrechtlichen Jahresabschluss gilt in umgekehrter Richtung ebenfalls. Denn ein Verlustausgleichsanspruch kann auch dann bestehen, wenn tatsächlich gar nicht oder fehlerhaft bilanziert wird11.

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Die Nichtberücksichtigung der Zahlung bei der Berechnung des fiktiven Jahresfehlbetrags führt dazu, dass diese, wie vereinbart, als Ersatz für den vorzeitigen Wegfall der Verlustausgleichspflicht das wirtschaftliche Überleben der Untergesellschaft sichern kann und entspricht deshalb dem Sinn und Zweck der aus § 302 Abs. 1 AktG folgenden Verlustausgleichspflicht, die gerade dem Schutz der Untergesellschaft und ihrer Gläubiger dient12. Auch die von den handelsrechtlichen Bilanzierungsvorschriften verfolgten Zwecke stehen der gefundenen Lösung nicht entgegen. Da durch die Nichtberücksichtigung der Forderung in der Berechnung des fiktiven Jahresfehlbetrags keine abschließende Entscheidung darüber getroffen wird, ob und in welcher Höhe die Forderung im Jahresabschluss der Untergesellschaft Berücksichtigung findet, ist weder das Vollständigkeitsgebot berührt (§ 246 Abs. 1 Satz 1 HGB) noch wird der mit §§ 242, 264 HGB bezweckte Anleger- und Gläubigerschutz beeinträchtigt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Januar 2022 – II ZR 71/20

  1. Hentzen, NZG 2008, 201, 204; Servatius, ZGR 2015, 754, 761 f.; Paschos in Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 296 AktG Rn. 6; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 9. Aufl., § 296 AktG Rn. 25; Maul in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 5. Aufl., Anhang 2 Konzernrecht, Rn. 38; Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl., § 296 Rn. 9; Langenbucher in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 296 Rn. 15; Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 302 Rn. 38; MünchKomm-AktG/Altmeppen, 5. Aufl., § 296 Rn. 40; aA Wilhelm, Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags, 1975, 120 f.[]
  2. vgl. BGH, Urteil vom 16.09.1985 – II ZR 275/84, BGHZ 95, 330, 346; Urteil vom 07.10.2014 – II ZR 361/13, BGHZ 202, 317 Rn. 13; BAGE 131, 50 Rn. 32[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 05.04.1993 – II ZR 238/91, BGHZ 122, 211, 220; Urteil vom 27.09.2011 – II ZR 279/09, ZIP 2011, 2357 Rn. 14; Urteil vom 11.09.2018 – II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 Rn.19 mwN[]
  4. BGH, Urteil vom 11.10.1999 – II ZR 120/98, BGHZ 142, 382, 384; Urteil vom 10.07.2006 – II ZR 238/04, BGHZ 168, 285 Rn. 6; Urteil vom 07.10.2014 – II ZR 361/13, BGHZ 202, 317 Rn. 8 mwN; Urteil vom 16.07.2019 – II ZR 175/18, BGHZ 223, 13 Rn. 23[]
  5. BGH, Urteil vom 11.10.1999 – II ZR 120/98, BGHZ 142, 382, 385; Urteil vom 14.02.2005 – II ZR 361/02, ZIP 2005, 854[][]
  6. BGH, Urteil vom 14.12.1987 – II ZR 170/87, BGHZ 103, 1, 9[]
  7. BGH, Urteil vom 10.07.2006 – II ZR 238/04, BGHZ 168, 285 Rn. 6; Urteil vom 20.01.2021 – IV ZR 318/19, BGHZ 228, 250 Rn. 23[]
  8. Altmeppen, DB 1999, 2453 Fn. 9; Kleindiek, ZGR 2001, 479, 480; Pfeiffer, DZWiR 2005, 452 V.01.; Philippi/Neveling, BB 2003, 1685, 1690; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 9. Aufl., § 302 AktG Rn. 27; Münch-HdbGesR IV/Krieger, 5. Aufl., § 71 Rn. 65; BeckOGK AktG/Veil/Walla, Stand: 1.09.2021, § 302 Rn. 17; Schenk in Bürgers/Körber/Lieder, AktG, 5. Aufl., § 302 Rn. 6; Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl., § 302 Rn. 9; Hölters/Weber/Deilmann, AktG, 4. Aufl., § 302 Rn. 6; MünchKomm-AktG/Altmeppen, 5. Aufl., § 302 Rn. 17 mwN; kritisch Hennrichs, ZHR 174 [2010], 683, 687 ff.[]
  9. so Stephan in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 302 Rn. 18[]
  10. Hennrichs, ZHR 174 [2010], 683, 687[]
  11. vgl. BGH, Urteil vom 11.10.1999 – II ZR 120/98, BGHZ 142, 382, 384 ff.; Urteil vom 14.02.2005 – II ZR 361/02, ZIP 2005, 854[]
  12. vgl. BGH, Urteil vom 14.12.1987 – II ZR 170/87, BGHZ 103, 1, 10; Urteil vom 11.10.1999 – II ZR 120/98, BGHZ 142, 382, 386; Urteil vom 10.07.2006 – II ZR 238/04, BGHZ 168, 285 Rn. 8[]
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