Beschwer beim aktionärsrechtlichen Spruchverfahren

Die Zulässigkeit einer vom Landgericht nicht zugelassenen Beschwerde nach § 12 SpruchG setzt voraus, dass der Wert des Beschwerdegegenstands 600 € übersteigt.

Beschwer beim aktionärsrechtlichen Spruchverfahren

Ist es aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers nicht möglich, das Überschreiten der Mindestbeschwer festzustellen, geht dies zu seinen Lasten.

Die Werte mehrerer gegen denselben Beschluss im Spruchverfahren erster Instanz gerichteter Beschwerden, die das gleiche Rechtsschutzziel verfolgen, sind bei der Berechnung des Werts des Beschwerdegegenstands nach § 61 FamFG zusammenzurechnen.

Für die gerichtliche Entscheidung nach dem Spruchverfahrensgesetz über die Bestimmung der Barabfindung von Minderheitsaktionären, deren Aktien durch Beschluss der Hauptversammlung auf den Hauptaktionär übertragen worden sind (§§ 327a bis 327f AktG), findet gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 SpruchG die Beschwerde statt. Mangels anderweitiger Regelungen in § 12 SpruchG findet gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 SpruchG das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwendung. Für das Rechtsmittel der Beschwerde bestimmt § 61 Abs. 1 FamFG, dass in vermögensrechtlichen Angelegenheiten die Beschwerde nur zulässig ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € übersteigt. Aufgrund der gesetzlichen Regelung ist diese Vorschrift auf das Beschwerdeverfahren nach § 12 Abs. 1 SpruchG anwendbar1.

Eine wertfreie Beschwerde infolge Unanwendbarkeit des § 61 FamFG kann nicht damit begründet werden, dass die Verweisung in § 17 Abs. 1 Satz 1 SpruchG teleologisch zu reduzieren sei, weil der Antragsteller nicht verpflichtet sei, im Beschwerdeverfahren einen bestimmten Antrag zu stellen und die Anzahl der von ihm gehaltenen Aktien mitzuteilen2. Die gesetzlichen Normen sind eindeutig. Eine formelle Beschwer verlangt § 61 FamFG nicht. Der Gesetzgeber hat die Wertgrenze für vermögensrechtliche Angelegenheiten und damit auch für das Spruchverfahren in Kenntnis der sonstigen Zulässigkeitsanforderungen zusätzlich angeordnet. Die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion liegen nicht vor.

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Zwar bestimmt § 65 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 SpruchG nur, dass eine Beschwerde begründet werden soll. Eine unterbliebene Begründung soll nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zur Verwerfung der Beschwerde als unzulässig führen3. Gleichwohl hat das Gericht zu prüfen, in welchem Umfang der Beschwerdeführer die angegriffene Entscheidung bekämpft4. Der Umstand, dass in dieser Hinsicht durch den Gesetzgeber eine Verfahrenserleichterung geschaffen worden ist, kann nicht den Schluss rechtfertigen, dass § 61 FamFG i.V.m. § 17 Abs. 1 SpruchG nicht anwendbar sein soll. Der Gesetzgeber hat trotz der Verfahrensvereinfachung bei der Begründungspflicht für einen Beschwerdeführer in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gleichwohl die Mindestbeschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung eingeführt.

Zwar wird bei der Begründung des Antrags im Spruchverfahren nach § 4 Abs. 2 Satz 3 SpruchG nur verlangt, dass sich aus der Antragsbegründung die Zahl der von dem Antragsteller gehaltenen Anteile ergeben soll. Diese Vorschrift gilt aber nur für das erstinstanzliche Verfahren und lässt keinen Schluss auf die für ein Beschwerdeverfahren erforderlichen Angaben zu.

Im Übrigen sollen die Beteiligten gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 SpruchG, § 68 Abs. 3 Satz 1 FamFG i.V.m. § 27 Abs. 1 FamFG bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Gemäß § 138 Abs. 1 ZPO haben die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Die Regelung entspricht § 27 Abs. 2 FamFG und ist gemäß § 8 Abs. 3 SpruchG im Spruchverfahren anwendbar. § 8 findet auch entsprechende Anwendung im Beschwerdeverfahren nach § 12 SpruchG5. Demgemäß hat ein Beschwerdeführer nach § 12 Abs. 1 SpruchG die tatsächlichen Umstände darzulegen, aus denen sich die Überschreitung der Mindestbeschwer von 600 € ergeben soll6.

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Die Besonderheiten des Spruchverfahrens, insbesondere die Wirkung der Entscheidung nach § 13 SpruchG für die Anteilsinhaber, die bereits gegen die ursprünglich angebotene Barabfindung oder sonstige Abfindung aus dem betroffenen Rechtsträger ausgeschieden sind, führen zu keiner anderen Beurteilung. Der Gesetzgeber hat in § 61 FamFG hinsichtlich des Werts des Beschwerdegegenstands eine Zulässigkeitsvoraussetzung geschaffen, die auf den konkreten, das Rechtsmittelverfahren betreibenden Beteiligten abstellt. Es sollte mit der Beschwerde kein Rechtsmittel zur Verfügung gestellt werden, dessen Durchführung für die Beteiligten mit Aufwendungen verbunden ist, die zu dem erstrebten Erfolg in keinem sinnvollen Verhältnis steht. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich auf die Beschwer des Beteiligten selbst abgestellt7.

Auch der Gesichtspunkt, dass § 58 Abs. 1 i.V.m. § 61 FamFG die isolierte Anfechtung einer Kostenentscheidung zulässt und aufgrund des Mindestwertes nach § 74 Satz 1 GNotKG in Höhe von 200.000 € für das erstinstanzliche Verfahren regelmäßig eine Kostenbelastung von mehr als 600 € entstehen wird, rechtfertigt keine einschränkende Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 1 SpruchG. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit einer isolierten Anfechtung einer Kostenentscheidung ausdrücklich zugelassen, jedoch auch insoweit § 61 Abs. 1 FamFG für anwendbar gehalten7. Dass die Kostenbelastung aus einem Verfahren über dem Wert der Hauptsache liegen kann, ist gerade bei Bagatellstreitigkeiten mit nur geringem Wert nicht außergewöhnlich. Der Gesetzgeber hat jedenfalls nicht die Notwendigkeit gesehen, in Fällen, in denen die Kostenentscheidung, jedoch nicht die Hauptsache anfechtbar wäre, von der Anwendung des § 61 FamFG abzusehen8. Dementsprechend kann der Umstand, dass gegebenenfalls die Kostenentscheidung wegen der Überschreitung der Wertgrenze des § 61 FamFG anfechtbar wäre, nicht den Schluss rechtfertigen, dass § 61 FamFG in diesen Fällen auf die Hauptsache keine Anwendung finden könne.

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Die Bestimmung des Mindestwertes von 200.000 € für den Geschäftswert im Spruchverfahren nach § 74 Satz 1 GNotKG rechtfertigt ebenfalls keine teleologische Reduktion des § 17 Abs. 1 Satz 1 SpruchG. Eingeführt wurde diese Bestimmung, weil das Tätigwerden des Gerichts einen nicht unerheblichen Aufwand bedeute, so dass entsprechend Gebühren anfallen sollten9. Eine Aussage zur Beschwer der Beteiligten ist damit nicht verbunden. Dass der Streitwert eines Verfahrens und der Wert der Beschwer als Ausgangspunkt für die Prüfung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels auseinanderfallen können und insoweit die Kosten des Verfahrens nicht zu berücksichtigen sind, um die Zulässigkeit des Rechtsmittels in der Hauptsache zu begründen, ist anerkannt10.

Weder Art.19 Abs. 4 GG noch das in Art.20 Abs. 3 GG normierte Rechtsstaatsprinzip steht der Anwendung des § 61 FamFG entgegen. Es ist Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob Rechtsmittel gegen Gerichtsentscheidungen statthaft sein sollen; das Grundgesetz selbst trifft dazu keine Bestimmung. Art.19 Abs. 4 GG und Art.20 Abs. 3 GG gewährleisten keinen Instanzenzug. Sie verwehren es dem Gesetzgeber deshalb auch nicht, ein bisher nach der bisherigen Verfahrensordnung statthaftes Rechtsmittel abzuschaffen oder den Zugang zu einem an sich eröffneten Rechtsmittel von neuen einschränkenden Voraussetzungen abhängig zu machen11. Auch die Anforderungen aus Art. 14 Abs. 1 GG rechtfertigen hier keine andere Sichtweise. Der Grundsatz, dass im Falle der Übertragung von Aktien auf den Hauptaktionär infolge eines Hauptversammlungsbeschlusses eine angemessene Barabfindung zu zahlen ist, ist dadurch gewährleistet, dass der Minderheitsaktionär mit dem Spruchverfahren eine gerichtliche Überprüfungsmöglichkeit hat. Auch Art. 14 Abs. 1 GG erfordert keinen Rechtsmittelzug.

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Soweit eine Schätzung erforderlich ist, ist das in diesem Rahmen dem Beschwerdegericht eingeräumte Ermessen im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüfbar, ob das Gericht die gesetzlichen Grenzen überschritten oder sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat12. Die Schätzung des Beschwerdegerichts für den Wert des Beschwerdegegenstandes muss auch der gesetzlichen Regelung in § 31 Abs. 1 Satz 3 RVG entsprechen. Danach wird vermutet, dass der Antragsteller nur einen Anteil hält, wenn die Anzahl der auf einen Antragsteller entfallenden Anteile nicht gerichtsbekannt ist.

Ist eine Feststellung des Überschreitens der Mindestbeschwer aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers nicht möglich, geht dies zu seinen Lasten13. Soweit ausgeführt wird, dass bei Unaufklärbarkeit des Wertes der Beschwer im Zweifel von einem zulässigen Rechtsmittel auszugehen sei14, kann dem für die Nichterfüllung der Darlegungsobliegenheiten im Beschwerdeverfahren nach § 12 SpruchG nicht gefolgt werden. Dies würde dem Zweck von § 8 Abs. 3 SpruchG i.V.m. § 138 Abs. 1 ZPO widersprechen. Ein Beschwerdeführer, der seiner Darlegungsobliegenheit hinsichtlich seiner Beschwer nicht genügt und ihm bekannte, aus seinem Geschäftsbereich stammende tatsächliche Umstände trotz Anfrage des Gerichts nicht mitteilt, kann die Zulässigkeit seiner Beschwerde nicht damit bewirken, dass er dem Gericht die tatsächliche Ermittlung des Wertes des Beschwerdegegenstands im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes unmöglich macht.

Die Beschwer aller Beschwerdeführer ist zusammenzurechnen, da sich die Beschwerden gegen dieselbe Entscheidung richteten und das gleiche Rechtsschutzziel verfolgten15.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 18. September 2018 – II ZB 15/17

  1. KG, FGPrax 2016, 238, 239; OLG Frankfurt, ZIP 2016, 716; OLG Düsseldorf, BeckRS 2016, 2010; OLG München, BeckRS 2015, 08628; Lutter/Mennicke, Umwandlungsgesetz, 5. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 9; Hüffer/Koch, AktG, 13. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 2; Drescher in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 7; Hölters/Simons, AktG, 3. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 6; MünchKomm-AktG/Kubis, 4. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 11; vgl. auch für § 39a WpÜG OLG Frankfurt, ZIP 2014, 617 und ZIP 2012, 1602; aA Mehrbrey/Krenek, Handbuch Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, 2. Aufl., § 133 Rn. 11; Heidel/Krenek, Aktienrecht, 4. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 9a[]
  2. Mehrbrey/Krenek, Handbuch Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten, 2. Aufl., § 133 Rn. 11; Heidel/Krenek, Aktienrecht, 4. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 9a[]
  3. Regierungsentwurf BT-Drs. 16/6308, S.206[]
  4. vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 19. Aufl., § 65 Rn. 4; Unger/Roßmann in SchulteBunert/Weinreich, FamFG, 5. Aufl., § 65 Rn. 2; vgl. auch BGH, Beschluss vom 27.10.1993 XII ZB 88/92, NJW 1994, 312, 313 zu § 621e Abs. 1 ZPO aF[]
  5. Drescher in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 10; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktienund GmbHKonzernrecht, 8. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 8; Lutter/Mennicke, Umwandlungsgesetz, 5. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 14[]
  6. Drescher in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 7; Lutter/Mennicke, Umwandlungsgesetz, 5. Aufl., § 12 SpruchG Rn.9; MünchKomm-AktG/Kubis, 4. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 11; vgl. auch OLG Düsseldorf, BeckRS 2016, 2010[]
  7. Regierungsentwurf BT-Drs. 16/6308, S.204[][]
  8. vgl. Regierungsentwurf BT-Drs. 16/6308 S.204[]
  9. Regierungsentwurf BT-Drs. 15/371, S. 17[]
  10. vgl. BGH, Beschluss vom 03.07.2018 – II ZB 13/17 14 für ein Rechtsmittel gegen eine Verurteilung zur Auskunft[]
  11. BVerfGE 87, 48, 61; 92, 365, 410[]
  12. BGH, Beschluss vom 22.01.2014 XII ZB 278/13, NJW-RR 2014, 834 Rn. 7 mwN[]
  13. KG, FGPrax 2016, 238; Keidel/MeyerHolz, FamFG, 19. Aufl., § 61 Rn. 10; Unger/Roßmann in SchulteBunert/Weinreich, FamFG, 5. Aufl., § 61 Rn. 8[]
  14. OLG Düsseldorf, FGPrax 2000, 218, 219; BayObLG, WE 1995, 125, 126 beide zum WEGVerfahren; BeckOKFamFG/Obermann [1.07.2018], § 61 Rn. 27[]
  15. OLG München, AG 2015, 508, 509; Hüffer/Koch AktG, 13. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 2; Drescher in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 7; Lutter/Mennicke, Umwandlungsgesetz, 5. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 9; MünchKomm-AktG/Kubis, 4. Aufl., § 12 SpruchG Rn. 11[]
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