Besonderer Vertreter bei der Publikums-KG

Die Gesellschafter einer Personengesellschaft können zum Zwecke der Durchsetzung von Ersatzansprüchen gegen ihren organschaftlichen Vertreter in entsprechender Anwendung von §§ 46 Nr. 8 Halbs. 2 GmbHG, 147 Abs. 2 Satz 1 AktG einen besonderen Vertreter bestellen. Als ein solcher besonderer Vertreter kann der Beirat einer Publikums-Kommanditgesellschaft bestellt werden.

Besonderer Vertreter bei der Publikums-KG

In dem jetzt vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall konnte die klagenden Personengesellschaften durch keinen persönlich haftenden Gesellschafter vertreten werden. Die Beklagte ist als verklagte Komplementärin wegen des Verbots eines Insichprozesses von der organschaftlichen Prozessvertretung gegen sich selbst ausgeschlossen1.

Die Klägerinnen konnten auch nicht jeweils durch die zweite persönlich haftende Gesellschafterin vertreten werden. Allerdings führt das Ausscheiden eines von zwei Komplementären grundsätzlich dazu, dass der verbleibende Komplementär vertretungsberechtigt ist, und zwar selbst dann, wenn beide nach dem Gesellschaftsvertrag nur gesamtvertretungsberechtigt waren2. Dies kann aber im Streitfall nicht gelten.

Es kann nicht erwartet werden, dass derjenige Ansprüche verfolgt, der selbst Gefahr läuft, dass in dem entsprechenden Verfahren etwaige eigene Versäumnisse oder Versäumnisse der dem Ersatzpflichtigen kollegial oder geschäftlich verbundenen Personen aufgedeckt werden. Der Bundesgerichtshof sieht deshalb den Grund für die Regelung des § 46 Nr. 8 GmbHG darin, dass in einem Prozess mit einem von mehreren vorhandenen Geschäftsführern jedenfalls häufig, wenn auch nicht immer, die übrigen Geschäftsführer nicht unvoreingenommen genug seien, die Interessen der Gesellschaft im Prozess mit dem nötigen Nachdruck wahrzunehmen3. § 46 Nr. 8 2. Alt. GmbHG lässt deshalb die Bestellung eines Prozessvertreters grundsätzlich auch dann zu, wenn die gesetzliche Vertretung der Gesellschaft in einem entsprechenden Prozess durch weitere Geschäftsführer möglich wäre4. Eine entsprechende gesetzliche Wertung lässt sich § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG entnehmen, wonach die Aktionäre trotz der grundsätzlichen Vertretung der AG durch den Aufsichtsrat (§ 112 AktG) einen besonderen Vertreter für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den Vorstand bestellen können.

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Rechtfertigt bereits eine potentielle Interessenkollision die Zulässigkeit einer Vertreterbestellung trotz Vorhandensein eines zweiten persönlich haftenden Gesellschafters, gilt dies erst recht unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Streitfalls: Aus den eingereichten Registerauszügen ist ersichtlich, dass Geschäftsführer der zweiten Komplementärin jeweils derselbe ist, der auch einzelvertretungsberechtigter Gesellschafter-Geschäftsführer der Komplementärin der Beklagten ist. Damit liegt der nämliche Interessenkonflikt auch im Hinblick auf die zweite persönlich haftende Gesellschafterin vor.

Auch die sonstigen Voraussetzungen einer wirksamen Bestellung der Beiräte als Prozessvertreter der Klägerinnen sind gegeben: Die Gesellschafterversammlungen der Klägerinnen haben am 15. Februar 2007 beschlossen, den Beiräten der Klägerinnen den uneingeschränkten Auftrag zu erteilen, die Rückzahlungsansprüche für die Jahre 2005 und 2006 im vorliegenden Verfahren geltend zu machen. Die Beschlüsse wurden mit einer hinreichenden Mehrheit von 93,49 % der abgegebenen Stimmen gefasst.

Bei den Abstimmungen war die Beklagte jeweils nicht stimmberechtigt5. Die Mehrheitsentscheidungen waren ausreichend. § 116 Abs. 2 HGB ist abdingbar6 und wurde im Gesellschaftsvertrag auch abbedungen, das entspricht den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Erfordernissen7.

Die Beiräte kommen auch als besonderer Prozessvertreter in Betracht. Als solcher kann ein Gesellschafter, aber auch ein Dritter bestellt werden8, so dass es hier offen bleiben kann, ob sämtliche Beiratsmitglieder auch Kommanditisten waren.

Der Grundsatz der Selbstorganschaft steht der Übertragung der Prozessvertretung auf Dritte ebenfalls nicht entgegen9. Dieser Grundsatz ist Ausdruck eines grundsätzlich gleichgerichteten Gesellschafterinteresses und gilt – wie § 146 Abs. 1 HGB zeigt – dann nicht, wenn ein solches Interesse nicht (mehr) besteht. Auch außerhalb der Liquidationssituation kann der Grundsatz der Selbstorganschaft für die werbende Personengesellschaft ausgesetzt sein, nämlich in „liquidationsähnlichen Sonderlagen“10. So liegt es auch bei einem Prozess der KG gegen den persönlich haftenden Gesellschafter, weil insoweit gleichgerichtete Interessen der Gesellschafter gerade nicht gegeben sind.

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Bundesgerichtshof, Beschluss vom 7. Juni 2010 – II ZR 210/09

  1. BGHZ 179, 344 Tz. 20 – SANITARY m.w.Nachw.; Staub/Habersack, HGB 5. Aufl. § 125 Rdn. 41[]
  2. BGHZ 41, 367, 369; Staub/Habersack, HGB 5. Aufl. § 125 Rdn. 43 m.w.Nachw.[]
  3. BGH, Urteil vom 24.02.1992 – II ZR 79/91, NJW-RR 1992, 993[]
  4. BGH, Urteil vom 24.02.1992 – II ZR 79/91, NJW-RR 1992, 993; Karrer aaO Seite 209 m.w.Nachw.[]
  5. dazu BGH, Urtiel vom 09.05.1974 – II ZR 84/72, NJW 1974, 1555, 1556; BGHZ 97, 28, 34; BGHZ 116, 353, 358[]
  6. Hopt in Baumbach/Hopt, HGB 34. Aufl. § 116 Rdn. 11[]
  7. BGHZ 179, 13 Tz. 13 ff. – Schutzgemeinschaftsvertrag II[]
  8. Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG 19. Aufl. § 46 Rdn. 69 m.w.Nachw.[]
  9. vgl. Karrer aaO Seite 210 m.w.Nachw.[]
  10. vgl. dazu BGHZ 33, 105 = NJW 1960, 1997, 1998 f.; Staub/Habersack, HGB 5. Aufl. § 125 Rdn. 8 m.w.Nachw.[]