Darlehensrückzahlungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters im Insolvenzverfahren

Der Darlehensrückzahlungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters ist im Insolvenzverfahren allenfalls dann als nachrangig zu behandeln, wenn er im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag ausgeschieden ist.

Darlehensrückzahlungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters im Insolvenzverfahren

Die Forderung des ausgeschiedenen Gesellschafters auf Rückzahlung seines Darlehens war durchsetzbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führte ein eigenkapitalersetzendes Darlehen zu einer Sperre für die Durchsetzbarkeit des Rückzahlungsanspruchs im Sinn einer Stundung1. Da die Rechtsprechungsregeln zum Eigenkapitalersatz mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23.10.2008 (MoMiG)2 am 1.11.2008 aufgehoben wurden (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG), konnten die Gesellschafter und erst recht gesellschaftsfremde Dritte wie der Kläger, der kein Gesellschafter mehr war, die Rückzahlung ihrer eigenkapitalersetzenden Darlehen ab diesem Zeitpunkt durchsetzen.

Dem ausgeschiedenen Gesellschafter stehen auch die Zinsen zu. Rückstände auf Zinsen können geltend gemacht werden, wenn die Bindung eines Darlehens als Eigenkapitalersatz entfällt3. Da die Bindung mit Inkrafttreten des MoMiG entfiel, konnten auch die Zinsen aus der Vergangenheit geltend gemacht werden.

Der Beklagte könnte nach Fortsetzung des Rechtsstreits auch nicht erfolgreich einwenden, dass die Forderung des ausgeschiedenen Gesellschafters nach § 174 Abs. 3 Satz 1, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO wegen eines Nachrangs nicht zur Tabelle festzustellen ist. Dabei kann offen bleiben, ob und inwieweit der Beklagte den Nachrang nach Aufnahme des Verfahrens geltend machen kann. Die Forderung ist nicht als nachrangig zu behandeln, da der ausgeschiedene Gesellschafter früher als ein Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus der Schuldnerin ausgeschieden ist.

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Der Darlehensrückzahlungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters ist im Insolvenzverfahren allenfalls dann als nachrangig zu behandeln, wenn er im letzten Jahr vor dem Eröffnungsantrag oder nach diesem Antrag ausgeschieden ist. Die Nachrangigkeit beurteilt sich nach § 39 InsO in der Fassung des MoMiG, weil das Insolvenzverfahren nach dem 1. NOvember 2008 eröffnet wurde (Art. 103d Satz 1 EGInsO)4.

In der Literatur besteht im Ergebnis Einigkeit, dass ein Darlehensrückzahlungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters nicht unabhängig vom Zeitpunkt des Ausscheidens als nachrangig anzusehen ist und insoweit § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO entsprechend anwendbar ist. Dabei kann dahinstehen, ob eine nach § 39 Abs.1 Nr. 5 InsO nachrangige Forderung beim Ausscheiden des Gläubigers aus der Gesellschaft den Nachrang behält. § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO ist in diesem Fall entsprechend anzuwenden, entweder weil der Wechsel in der Gesellschafterstellung insoweit einer Befriedigung nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO gleichsteht5 oder weil ein zeitlich unbegrenzter Nachrang gegenüber einer Person, die die persönlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt, nicht zu rechtfertigen ist6. Da im Gegensatz zum früheren Recht dem Beginn und dem Ende der Krise keine begrenzende Funktion mehr zukommt und das MoMiG statt dessen in § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO auf ein zeitliches Konzept umgestellt hat, ist dies auch auf die persönlichen Voraussetzungen für die Nachrangigkeit zu übertragen. Dem Altgesellschafter kann es nicht zum Nachteil gereichen, dass er trotz des Ausscheidens aus der Gesellschaft das Darlehen belassen und nicht zurückgefordert hat. Nachrangig ist die Forderung danach nur, wenn der Gläubiger innerhalb der Anfechtungsfrist Gesellschafter war.

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Zum selben Ergebnis gelangt man auch, wenn § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO dahin verstanden wird, dass bereits nach dem Wegfall der Gesellschafterstellung kein Gesellschafterdarlehen mehr vorliegt. Zum Schutz vor einer Umgehung der Regel von § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO durch einen kurzfristigen Gesellschafterwechsel soll dann der ausgeschiedene Gesellschafter noch für eine zeitlich begrenzte Frist der Subordination unterworfen werden, wozu die Frist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO herangezogen wird7.

Der ausgeschiedene Gesellschafter hat im hier vom BGH entschiedenen Fall seinen Geschäftsanteil weit früher als ein Jahr vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgetreten. Selbst wenn wegen einer bis zum Inkrafttreten des MoMiG fortbestehenden Verstrickung des Darlehens der 1. November 2008 der maßgebende Zeitpunkt wäre, läge er früher als ein Jahr vor dem Insolvenzantrag.

Auf die Frage, ob der Geschäftsführer die Zahlung an den ausgeschiedenen Gesellschafter seit Inkrafttreten des MoMiG nach § 64 Satz 3 GmbHG verweigern durfte, kommt es nach Insolvenzeröffnung nicht mehr an. Im Übrigen war der Kläger nicht mehr Gesellschafter und wurde daher von der Vorschrift nicht erfasst.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 15. November 2011 – II ZR 6/11

  1. vgl. BGH, Urteil vom 08.11.2004 – II ZR 300/02, ZIP 2005, 82, 84[]
  2. BGBl. I S.2026[]
  3. BGH, Urteil vom 08.11.2004 – II ZR 300/02, ZIP 2005, 82, 84; Urteil vom 15.02.1996 – IX ZR 245/94, ZIP 1996, 538, 540[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 17.02.2011 – IX ZR 131/10, ZIP 2011, 575 Rn. 8[]
  5. Habersack in Goette/Habersack, Das MoMiG in Wissenschaft und Praxis, 2009, Rn.05.27; Habersack/Ulmer, GmbHG, Ergänzungsband MoMiG, § 30 Rn. 46; Hirte in Uhlenbruck, InsO, 13. Aufl., § 39 Rn. 46[]
  6. Gehrlein, BB 2008, 846, 850; Goette/Kleindiek, Gesellschafterfinanzierung nach MoMiG, 6. Aufl., Rn. 241; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., Anh. § 64 Rn. 119; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., Nachtrag MoMiG §§ 32a/b a.F. Rn. 21; Hueck/Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 30 Anh. Rn. 29; Thiessen in Bork/Schäfer, GmbHG, Anh. zu § 30 Rn. 31; HkGmbHG/Kolmann, Anh. § 30 Rn. 78; i.E. auch Haas, ZInsO 2007, 617, 626; Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3603[]
  7. so HambKomm/Lüdtke, 3. Aufl., § 39 InsO Rn. 32[]
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