Das Nutzungsentgelt für den Gesellschafter – und die Insolvenzanfechtung

Die Zahlung eines Nutzungsentgelts kann gegenüber dem Gesellschafter nicht als Befriedigung eines Darlehens, sondern nur als Befriedigung einer darlehensgleichen Forderung angefochten werden.

Das Nutzungsentgelt für den Gesellschafter – und die Insolvenzanfechtung

Die Vorschrift des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO unterwirft neben Forderungen auf Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens auch Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, dem insolvenzrechtlichen Nachrang. Die einheitliche rechtliche Behandlung von Darlehen und gleichgestellten Forderungen entspricht dem früheren Eigenkapitalersatzrecht. Insoweit wird § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG aF von § 135 Abs. 1 Nr. 2, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO in sachlicher Hinsicht übernommen1. Der nach Verfahrenseröffnung eingreifende Nachrang wird im Vorfeld der Insolvenz durchgesetzt, indem Rückzahlungen auf Darlehen und gleichgestellte Forderungen gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung ausgesetzt sind. Die Anfechtbarkeit erfasst sowohl die Befriedigung von Gesellschafterdarlehen als auch ihnen wirtschaftlich entsprechenden Forderungen2.

Kreditrückzahlungen unterliegen gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO als Befriedigung einer Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens ohne zusätzliche tatbestandliche Voraussetzungen der Anfechtung. Werden von der Gesellschaft hingegen Nutzungsentgelte entrichtet, greift § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO wegen der abweichenden Forderungsart nicht unter dem Gesichtspunkt der Rückgewähr eines Darlehens durch.

Im Schrifttum wird die Anfechtbarkeit der Befriedigung von Nutzungsentgelten teilweise auch für den Fall befürwortet, dass die Forderung nicht stehen gelassen wurde, weil schon die Nutzungsüberlassung einer Darlehensgewährung entspreche und dieses „Darlehen“ mit der Entrichtung der Nutzungsentgelte zurückgeführt werde3. Die hiermit einhergehende Vermögensumschichtung verschlechtere ebenso wie ein Darlehen die Befriedigungsaussichten der Gläubiger im eröffneten Verfahren4.

Weiterlesen:
Insolvenzanfechtung wegen eines Scheinarbeitsverhältnises

Dieser Auffassung kann auf dem Boden des MoMiG nicht beigetreten werden. Da nach dem gesetzgeberischen Konzept des MoMiG bei einer Nutzungsüberlassung die Kreditgewährung nur das Entgelt betreffen kann und sich nicht schon in der vorausgehenden Nutzungsüberlassung selbst äußert1, ist die Grundlage entfallen, die Tilgung eines Nutzungsentgelts einer Darlehensrückzahlung gleichzustellen. Eines der wesentlichen Anliegen des MoMiG verwirklicht sich in der Abschaffung des Eigenkapitalersatzrechts5. Darum gehen Bestrebungen fehl, das durch das MoMiG begründete Recht im Licht des aufgegebenen Eigenkapitalersatzrechts zu deuten6. Nur ein von dem Eigenkapitalersatzrecht gelöstes Verständnis wird dem eindeutigen Wortlaut des § 135 Abs. 1, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO gerecht, der zwischen Darlehen und darlehensgleichen Forderungen, denen allein Nutzungsentgelte zugeordnet werden können, unterscheidet. Ist eine Nutzungsüberlassung durch den Gesellschafter nach dem heutigen Verständnis einer Darlehensgewährung nicht wirtschaftlich vergleichbar, kann die Tilgung von Nutzungsentgelten nicht als Darlehensrückzahlung, sondern nur im Falle einer vorherigen Stundung oder eines Stehenlassens als Befriedigung einer darlehensgleichen Forderung gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung unterworfen werden7.

Ungeachtet des Entstehungsgrundes entsprechen einem Darlehen alle aus Austauschgeschäften herrührenden Forderungen, die der Gesellschaft rechtlich oder rein faktisch gestundet wurden, weil jede Stundung bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Darlehensgewährung bewirkt8. Wird eine Leistung bargeschäftlich abgewickelt, scheidet eine rechtliche oder rein faktische Stundung, die zur Umqualifizierung als Darlehen führt, aus9. Mit Rücksicht auf diese Erwägung ist die geltend gemachte Anfechtung nicht begründet.

Weiterlesen:
Rückgabe der ungeräumten Mietsache durch den Insolvenzverwalter

Ein Baraustausch liegt bei länger währenden Vertragsbeziehungen in Anlehnung an § 286 Abs. 3 BGB vor, wenn Leistung und Gegenleistung binnen eines Zeitraums von 30 Tagen abgewickelt werden10. Danach ist im Streitfall von einem Baraustausch auszugehen. Die Miete war nach § 6 des Mietvertrags zum jeweils 15. Werktag des laufenden Monats fällig und ist für Dezember 2009 statt dem 15.12 2009 am 4.01.2010, für Januar 2010 statt dem 15.01.2010 am 4.02.2010, für Februar 2010 statt dem 15.02.2010 am 12.03.2010, für März 2010 statt dem 15.03.2010 am 8.04.2010 und für April 2010 statt dem 15.04.am 20.04.2010 beglichen worden. Mithin wurde der für ein Bargeschäft unschädliche Zeitraum von 30 Tagen nicht überschritten. Wird ein Baraustausch durchgeführt, handelt es sich nicht um eine stehen gelassene und damit einem Darlehen wirtschaftlich entsprechende Forderung, die gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO der Anfechtung zugänglich ist. Bei dieser Sachlage greift die von dem Beklagten erklärte Aufrechnung nicht durch.

In der Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts der Miete im vorliegenden Fall auf den jeweils 15. Werktag des Monats der Nutzung kann keine Stundung erblickt werden.

Bis zur Mietrechtsreform des Jahres 2001 war gemäß § 551 BGB aF der Vermieter vorleistungspflichtig und darum die Miete erst am Monatsende geschuldet11. Entsprechend schon unter Geltung des früheren Rechts verbreiteter abweichender vertraglicher Übung12 sehen §§ 556b, 579 Abs. 2 BGB für Räume und damit auch Geschäftsräume nunmehr eine Fälligkeit zum dritten Werktag des jeweiligen Monats vor13. Dagegen bestimmt § 579 Abs. 1 BGB bei der Miete von Grundstücken und beweglichen Sachen in Übereinstimmung mit dem früheren Recht weiterhin den ersten Werktag des Folgemonats zum Fälligkeitszeitpunkt14. Da der Gesetzgeber mit den Neuregelungen nur der vertraglichen Praxis entsprechende Fälligkeitsregelungen einzuführen suchte15, wird verbreitet angenommen, dass mit der Festlegung des Zahlungszeitpunkts das gesetzliche Leitbild der grundsätzlichen Vorleistungspflicht des Vermieters nicht modifiziert wurde16. Überdies sind die Regelungen ebenso wie das frühere Recht nicht zwingend, so dass – wie der Gesetzgeber unterstreicht – abweichende Vereinbarungen zulässig sind17.

Weiterlesen:
Insolvenzanfechtung - und der Zeitpunkt der Zahlungsunfähigkeit

Im Streitfall umfasste die Vermietung Räume und Grundstücke, wozu auch individualisierbare Teilflächen gehören18, sowie hinsichtlich der Maschinen bewegliche Sachen. Mit Rücksicht auf die unterschiedlichen gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkte und die Unsicherheit einer Bewertung, welcher Mietgegenstand den Schwerpunkt des Vertrages bildet und damit den Fälligkeitszeitpunkt vorgibt19, ist in Einklang mit der von dem Gesetzgeber ausdrücklich betonten Möglichkeit, abweichende individuelle Vereinbarungen zu treffen20, ein Bedürfnis für eine vertragliche Fälligkeitsabrede anzuerkennen. Da die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen in Umsetzung der von dem Gesetzgeber vorgefundenen Vertragspraxis auf bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen beruhen, muss der vereinbarte Fälligkeitszeitpunkt nicht von dem Gedanken einer generellen Vorleistungspflicht des Mieters getragen sein. Vielmehr ist den Vertragspartnern bei der Bestimmung des Fälligkeitszeitpunkts ein gewisser Gestaltungsspielraum zuzubilligen. In Würdigung der unterschiedlichen für die einzelnen Mietgegenstände maßgeblichen Fälligkeitszeitpunkte kann die von den Vertragspartnern gewählte Festsetzung des Zahlungstermins auf die Monatsmitte als angemessener Interessenausgleich bewertet werden, dem keine Stundung innewohnt.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. Januar 2015 – IX ZR 279/13

  1. BT-Drs. 16/6140, S. 56[][]
  2. vgl. Schmidt, InsO, aaO § 135 Rn. 13; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 135 Rn. 15; HmbKomm-InsO/Schröder, aaO § 135 Rn.19 ff; Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl., § 135 Rn. 7; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, 2. Aufl., § 135 Rn. 3[]
  3. Hölzle, ZIP 2009, 1939, 1947; ders., ZIP 2010, 913, 914 f; Henkel, ZInsO 2010, 2209, 2211 ff[]
  4. Gottwald/Haas/Hossfeld, Insolvenzrechtshandbuch, 4. Aufl., § 92 Rn. 438 mwN; Haas in Festschrift Ganter, 2010, S. 189, 192 ff[]
  5. BT-Drs. 16/6140 S. 26, 42[]
  6. Schmidt in Festschrift Wellensiek, 2011, S. 551, 554[]
  7. OLG Schleswig, NJW 2012, 2738, 2739 f; Schmidt, aaO S. 557 f; ders., InsO, aaO § 135 Rn.19; ders., DB 2008, 1727 f; Preuß in Kübler/Prütting/Bork, InsO, 2013, § 135 Rn. 16; Schröder, Die Reform des Eigenkapitalersatzrechts durch das MoMiG, 2012, Rn. 220; Scholz/Bitter, GmbHG, 11. Aufl., Anh. § 64 Rn. 351; ders., ZIP 2010, 10; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 20. Aufl., Anh. § 30 Rn. 90; Dahl/Schmitz, NZG 2009, 325, 328[]
  8. BGH, Urteil vom 10.07.2014 – IX ZR 192/13, WM 2014, 1488 Rn. 50[]
  9. BGH, aaO Rn. 51[]
  10. BGH, aaO Rn. 31 ff[]
  11. MünchKomm-BGB/Artz, 6. Aufl., § 556b Rn. 1[]
  12. vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1993, 710 f[]
  13. vgl. Neuhaus, Handbuch der Geschäftsraummiete, 5. Aufl., Kap. 9 Rn. 118[]
  14. vgl. Neuhaus, aaO Rn. 119[]
  15. BT-Drs. 14/4553, S. 52[]
  16. MünchKomm-BGB/Artz, 6. Aufl., § 556b Rn. 7 mwN; Bamberger/Roth/Ehlert, 3. Aufl., § 556b Rn. 10; aA Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., § 556b Rn. 4[]
  17. BT-Drs. aaO S. 52, 74[]
  18. vgl. MünchKomm-BGB/Artz, aaO § 578 Rn. 3[]
  19. vgl. MünchKomm-BGB/Artz, aaO § 579 Rn. 1[]
  20. BT-Drs., aaO[]
Weiterlesen:
Insolvenzanfechtung bei deliktischen Forderungen