Der atypisch stille Gesellschafters in der Insolvenz seiner GmbH & Co. KG

Der atypisch stille Gesellschafter einer GmbH & Co. KG steht mit seinen Ansprüchen wirtschaftlich dem Gläubiger eines Gesellschafterdarlehens insolvenzrechtlich gleich, wenn in einer Gesamtbetrachtung seine Rechtsposition nach dem Beteiligungsvertrag der eines Kommanditisten im Innenverhältnis weitgehend angenähert ist.

Der atypisch stille Gesellschafters in der Insolvenz seiner GmbH & Co. KG

Der Nachrang von Ansprüchen des atypisch stillen Gesellschafters in der Insolvenz einer GmbH & Co. KG als Geschäftsinhaberin kann jedenfalls dann eintreten, wenn im Innenverhältnis das Vermögen der Geschäftsinhaberin und die Einlage des Stillen als gemeinschaftliches Vermögen behandelt werden, die Gewinnermittlung wie bei einem Kommanditisten stattfindet, die Mitwirkungsrechte des Stillen in der Kommanditgesellschaft der Beschlusskompetenz eines Kommanditisten in Grundlagenangelegenheiten zumindest in ihrer schuldrechtlichen Wirkung nahe kommen und die Informations- und Kontrollrechte des Stillen denen eines Kommanditisten nachgebildet sind.

Beteiligung des stillen Gesellschafters am Insolvenzverfahren

Aus dem geänderten Gesetzeswortlaut kann nicht gefolgert werden, dass § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO anders als noch § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG aF Ansprüche aus der Beteiligung Dritter an Kapitalgesellschaften oder gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften unter keinen Umständen in den Nachrang verweise. Nach dem durch Art. 10 MoMiG in das Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung eingeführten Art. 103d Satz 1 ist hier das alte Kapitalersatzrecht nicht mehr anzuwenden, weil das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Geschäftsinhaberin nach Inkrafttreten des neuen Rechts am 1. November 2008 (Art. 25 MoMiG) eröffnet worden ist, nämlich erst am 1. März 2009.

Zum personellen Anwendungsbereich des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO hat der Bundesgerichtshof bereits bei anderer Gelegenheit darauf hingewiesen, dass von der Neuregelung nach der Begründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes vom 23.10.20081 auch Rechtshandlungen Dritter erfasst werden, welche der Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter wirtschaftlich entsprechen2.

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Daran ändert sich durch das aus § 32a Abs. 3 Satz 2 GmbHG aF übernommene Kleinbeteiligtenprivileg des § 39 Abs. 5 InsO nF nichts. Der von der Revision gezogene Umkehrschluss verbietet sich schon deshalb, weil nach § 32a Abs. 3 Satz 1 GmbHG aF trotz des Kleinbeteiligtenprivilegs der Nachrang gemäß § 32a Abs. 1 GmbHG ausdrücklich auch Dritte (Nichtgesellschafter) treffen konnte, wenn ihre Forderungen der Rückgewähr eines kapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens wirtschaftlich entsprachen. Das liegt nach der Neuregelung nicht anders; nur auf die kapitalersetzende Funktion von Fremdmitteln aus dem Kreis der Gesellschafter oder ihnen gleichstehender Dritter kommt es nicht mehr an. Danach ist das Kleinbeteiligtenprivileg des § 39 Abs. 5 InsO nF ähnlich wie bisher auch auf Forderungen aus Rechtshandlungen Dritter zu übertragen, die einem Gesellschafterdarlehen wirtschaftlich entsprechen.

Aus § 44a InsO kann ein Ausschluss von Nichtgesellschaftern vom Nachrang gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO nF im Sinne der Revision ebenfalls nicht hergeleitet werden. Die Vorschrift sollte durch den Verweis auf § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO rechtsformneutral ausgestaltet werden3, im Übrigen aber § 32a Abs. 2 GmbHG aF übernehmen. Diese Vorschrift betraf gesellschafterbesicherte Darlehen Dritter, die wirtschaftlich einem Gesellschafterdarlehen nicht entsprachen, nach neuem Recht also nicht unter § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO fallen. Die Vorschrift des § 44a InsO erstreckt also das Ausfallprinzip des § 52 InsO auf Gesellschaftersicherheiten, gleichviel, ob der Gläubiger seine Insolvenzforderung gemäß § 174 Abs. 3 InsO erst nach besonderer Aufforderung als nachrangig anmelden kann, wie in den Fällen des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO, oder nicht. Hieraus kann hingegen nicht geschlossen werden, Forderungen Dritter seien in der Insolvenz des Schuldners nach der Neuregelung stets im allgemeinen Rang des § 38 InsO anzumelden, selbst wenn sie wirtschaftlich der Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens entsprechen, weil Gesellschaftersicherheiten in der Insolvenz der Gesellschaft wegen des Nachrangs der Forderung kein Absonderungsrecht gewähren4.

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Nachrangiges Gesellschafterdarlehn

Die atypisch stille Gesellschaft war nicht mit einer GmbH eingegangen, sondern mit der von einer GmbH als alleiniger persönlich haftenden Gesellschafterin nach § 164 HGB geschäftlich geleiteten Kommanditgesellschaft (GmbH & Co. KG). Hier waren nach altem Recht gemäß § 172a Satz 1 HGB die Vorschriften des § 32a GmbHG mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle der Gesellschafter der GmbH neben den Gesellschaftern oder den Mitgliedern der persönlich haftenden Gesellschafter der Kommanditgesellschaft auch die Kommanditisten traten. Dieser Wille des Gesetzgebers gilt für die Neuregelung des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO fort5. Zu prüfen ist demnach, ob die atypische stille Beteiligung an der GmbH & Co. KG (Insolvenzschuldnerin) wirtschaftlich einer Kommanditeinlage entsprach. Für die typische stille Beteiligung ist dies gemäß § 236 HGB weiterhin eindeutig zu verneinen. So gesehen hat das Berufungsgericht zutreffend vor allem auf die im Urteilstatbestand wiedergegebene Vereinbarung in § 1 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages vom 23.11.2007 abgestellt. Denn der Einfluss des stillen Gesellschafters einer GmbH & Co. KG auf die Geschäftsführung kann hier anders als bei der stillen Gesellschaft mit einer GmbH von vornherein kein Gleichstellungskriterium sein, weil Kommanditisten nach dem gesetzlichen Leitbild des § 164 HGB ebenso wie ein stiller Gesellschafter von der Führung der Geschäfte ausgeschlossen sind.

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Die im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17.02.20116 enthaltene Bemerkung, es bedürfe aus Anlass des damaligen Streitfalls keiner Prüfung, ob an der Rechtsprechung zu diesem Fragenkreis im Anwendungsbereich des neuen Gesellschaftsinsolvenzrechts festzuhalten sei, bezieht sich nur auf die Beteiligung verbundener Unternehmen an der Gesellschaftsfinanzierung. Die Frage, ob die stille Gesellschaft mit einer GmbH & Co. KG auf Seiten des Stillen wirtschaftlich einer Kommanditeinlage gleich steht, ist dort nicht berührt.

Der atypisch stille Gesellschafter einer GmbH & Co. KG entspricht mit seinen Ansprüchen wirtschaftlich dem Gläubiger eines Gesellschafterdarlehens, wenn in einer Gesamtbetrachtung seine Stellung nach dem Beteiligungsvertrag der eines Kommanditisten im Innenverhältnis weitgehend angenähert ist. Der Nachrang seiner Ansprüche in der Insolvenz der Geschäftsinhaberin kann danach jedenfalls eintreten, wenn im Innenverhältnis das Vermögen der Geschäftsinhaberin und die Einlage des Stillen als gemeinschaftliches Vermögen behandelt werden, die Gewinnermittlung wie bei einem Kommanditisten stattfindet, die Mitwirkungsrechte des Stillen in der GmbH & Co. KG der Beschlusskompetenz eines Kommanditisten in Grundlagenangelegenheiten jedenfalls in ihrer schuldrechtlichen Wirkung gleich kommen und die Informations- und Kontrollrechte des Stillen denen eines Kommanditisten nachgebildet sind. Im Schrifttum wird diese Gestaltungsform dementsprechend bildhaft auch als „Innen-KG“ bezeichnet7. So liegt es hier.

Im hier entschiedenen Fall stand die Klägerin mit ihrer Beteiligung am Vermögen der Geschäftsinhaberin nach § 1 Nr. 3 des Vertrages vom 23.11.2007 schuldrechtlich der gesamthänderischen Vermögensbeteiligung eines Kommanditisten nach § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB, § 718 BGB gleich, da dieses Vermögen unbeschadet der nicht existenten Gesamthand im Innenverhältnis einschließlich der offenen und stillen Reserven wie gemeinschaftliches Vermögen behandelt werden sollte8. Eine dementsprechende Auseinandersetzung unter Einbeziehung des Geschäftswertes der Inhaberin und der stillen Reserven bei Beendigung der stillen Gesellschaft war nach § 14 des Beteiligungsvertrages vorgesehen. Demgegenüber ist der typische stille Gesellschafter bei der Auseinandersetzung nach § 235 Abs. 1 HGB nicht an den stillen Reserven des Inhabers und dessen Geschäftswert beteiligt9.

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Die Klägerin stand mit ihrer Gewinnbeteiligung nach § 9 des Vertrages vom 23.11.2007 infolge der ausbedungenen festen Zinsen von 7 vom Hundert besser als ein Kommanditist nach dem gesetzlichen Leitbild der § 168 Abs. 1, § 121 Abs. 1 HGB mit der gewinnabhängigen Vorausverzinsung seines Kapitalanteils von 4 vom Hundert. Die Klägerin unterschied sich hier vor allem in der Gewinnermittlung mit der Einbeziehung der gebildeten stillen Reserven vom typischen stillen Gesellschafter und kam auch insoweit wirtschaftlich einem Kommanditisten gleich.

Die Verlustbeteiligung der Klägerin war nach § 9 Nr. 3 des Vertrages auf die Höhe ihrer Einlage begrenzt. Das entspricht im Innenverhältnis ebenso § 231 Abs. 1 HGB wie § 171 Abs. 1 HGB.

Vom üblichen Gepräge des Kommanditisten entfernte sich die Klägerin in rechtlicher Hinsicht mit der monatlich anteiligen Tilgung ihrer Einlage nach § 10 Nr. 1 des Vertrages vom 23.11.2007. Damit verminderte sich anders als im Hinblick auf § 172 Abs. 4, § 174 HGB bei der Kommanditeinlage nach § 9 Nr. 3 des Beteiligungsvertrages und § 236 Abs. 2 HGB das Verlustrisiko, weil die getilgte Einlage nicht mehr an die Geschäftsinhaberin zurückzuführen war und damit auch nicht rückständig sein konnte. Dieser Unterschied zur typischen Kommanditbeteiligung ist jedoch nach wirtschaftlicher Betrachtung unwesentlich. Die Vorschriften der § 172 Abs. 4, § 174 HGB beruhen auf der begrenzten Außenhaftung des Kommanditisten, die bei der stillen Gesellschaft fehlt. Wegen des Aufwandes, die fortlaufende Rückführung einer Kommanditeinlage nach § 174 HGB zur Haftungsminderung in das Handelsregister eintragen zu müssen, sind solche Vereinbarungen in Verträgen über Kommanditbeteiligungen unüblich. Rechtlich ausgeschlossen wären solche Gestaltungen aber auch bei Kommanditgesellschaften nicht; sie würden dort allerdings die Außenhaftung nur gegenüber Neugläubigern begrenzen.

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Die Mitwirkungsrechte der Klägerin in den durch § 4 Nr. 2 des Beteiligungsvertrages näher bezeichneten Grundlagenangelegenheiten entsprachen ebenfalls weitgehend dem Umfang, in dem innerhalb einer Kommanditgesellschaft gemäß § 161 Abs. 2, § 119 HGB von den Gesellschaftern zu beschließen ist. Die Klägerin konnte zwar solche Beschlüsse durch ihre Stimmabgabe nicht herbeiführen oder verhindern; denn sie besaß kein Stimmrecht innerhalb der Kommanditgesellschaft. Sie konnte unabhängig von Mehrheitsverhältnissen in der Kommanditgesellschaft aber nach § 4 Nr. 3 des Beteiligungsvertrages durch ihre Stellungnahme sich schuldrechtlich den Wirkungen der von ihr abgelehnten Grundlagenbeschlüsse entziehen; sie brauchte diese nicht gegen sich gelten zu lassen.

Die Informations- und Kontrollrechte der Klägerin übertrafen nach § 5 des Beteiligungsvertrages die einer Kommanditistin nach § 166 HGB; denn sie war nicht nach § 233 Abs. 1 HGB auf die Prüfung der Jahresabschlüsse und auf das außerordentliche Informationsrecht des § 233 Abs. 3 HGB beschränkt, sondern ihr standen die weitergehenden Rechte der §§ 716 BGB, 118 HGB zu.

In der gebotenen Gesamtbetrachtung war die Rechtstellung der Klägerin als atypisch stille Gesellschafterin daher der einer Kommanditistin wirtschaftlich so nahe, dass ihre Forderungen in der Insolvenz der Geschäftsinhaberin nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO einem Gesellschafterdarlehen im Nachrang gleich stehen. Welches gesetzliche Ordnungsprinzip hinter der Neuregelung steht, ist hierbei im Streitfall genauso wenig entscheidungserheblich wie in dem BGH-Urteil vom 17. Februar 201110. Eine Ausnahme entsprechend § 39 Abs. 5 InsO kommt nach der Höhe der stillen Einlage nicht in Betracht.

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. Juni 2012 – IX ZR 191/11

  1. BT-Drucks. 16/6140 S. 56[]
  2. BGH, Urteil vom 17.02.2011 – IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363 Rn. 10[]
  3. BT-Drucks. 16/6140 S. 57[]
  4. vgl. in Fällen des Kapitalersatzes für Gesellschaftssicherheiten: BGH, Urteil vom 19.09.1996 – IX ZR 249/95, BGHZ 133, 298, 305 mwN[]
  5. vgl. BT-Drucks. 16/6140, aaO[]
  6. BGH, Urteil vom 17.02.2011, aaO Rn. 11[]
  7. MünchKomm-HGB/K. Schmidt, 3. Aufl., § 230 Rn. 81[]
  8. vgl. MünchKomm-HGB/K. Schmidt, aaO Rn. 80[]
  9. BGH, Urteil vom 10.10.1994 – II ZR 32/94, BGHZ 127, 176, 181[]
  10. BGH, Urteil vom 17.02.2011 – IX ZR 131/10, BGHZ 188, 363 Rn. 16 mwN[]

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