Die einem besonderen Vertreter in § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG zugewiesene Aufgabe, Ersatzansprüche geltend zu machen, umfasst nicht die Befugnis zur Prozessvertretung der Gesellschaft in einem Honorarklageverfahren, das zwischen der Gesellschaft und den in ihrem Namen von dem besonderen Vertreter zum Zweck der Geltendmachung von Ersatzansprüchen hinzugezogenen Rechtsanwälten geführt wird1.

Die Vertretung der Aktiengesellschaft in diesem Honorarklageverfahren richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§ 51 Abs. 1 ZPO). In einem Passivprozess wird die Aktiengesellschaft gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG grundsätzlich durch ihren Vorstand als dem zu ihrer Außenvertretung berufenen Organ vertreten. Dies gilt jedoch nicht, wenn und soweit das Aktiengesetz die Vertretung der Gesellschaft einem anderen Organ zuweist2.
Der Bestellungsbeschluss, welcher den Auftrag des besonderen Vertreters definiert, ist daher keine geeignete Grundlage, um den hier aufgetretenen Kompetenzkonflikt zu lösen. Eine organschaftliche Vertretungsmacht des besonderen Vertreters kann sich nur aus einer gesetzlichen Aufgabenzuweisung oder einer aus dieser abgeleiteten Annexkompetenz ergeben3.
Eine explizite Vertretungsermächtigung für den besonderen Vertreter betreffend die gerichtliche Vertretung der Gesellschaft in dem vorliegenden Rechtsstreit sieht das Aktiengesetz nicht vor.
Dem von der Hauptversammlung bestellten besonderen Vertreter ist in § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG die Vertretung der Gesellschaft zur Geltendmachung eines Ersatzanspruchs zugewiesen, dessen Geltendmachung die Hauptversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen hat (§ 147 Abs. 1 Satz 1 AktG).
Der nach § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG bestellte Sondervertreter ist hiernach im Rahmen seines Aufgabenkreises Organ der Gesellschaft4 und befugt, die Gesellschaft zur prozessualen oder außerprozessualen Durchsetzung der Ersatzansprüche zu vertreten5. Er ist jedoch nur insoweit gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft, als seine Befugnis reicht, Ersatzansprüche im Namen der Gesellschaft zu verfolgen, die ein abgespaltener Teil der umfassenden gesetzlichen Vertretungsmacht des Vorstands ist6.
Die dem besonderen Vertreter in § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG explizit zugewiesene und beschränkte Aufgabe, Ersatzansprüche geltend zu machen, umfasst dem Wortlaut nach aber nicht die Prozessvertretung in einem Passivprozess, der Ansprüche aus einem von dem besonderen Vertreter im Namen der Gesellschaft begründeten Auftragsverhältnis zum Gegenstand hat.
Eine entsprechende Befugnis ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer – vom Landgericht Heidelberg7 in der Vorinstanz der Sache nach bejahten – Annexkompetenz zu § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG.
Im Kapitalgesellschaftsrecht kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Kompetenzlücke in der Organisationsverfassung unter Rückgriff auf die Rechtsfigur der Annexkompetenz geschlossen werden. Die Annexkompetenz bildet dabei keine eigenständige Kompetenzgrundlage zur Lösung von Kompetenzkonflikten. Sie ist vielmehr im Wege der Gesetzesauslegung oder der Analogiebildung konkret für jede Fallgestaltung und gebunden an eine ausdrücklich normierte Zuständigkeitsnorm zu begründen. In der Sache ist zu gewährleisten, dass mit der Anerkennung einer Annexkompetenz nicht gegen die in der Organisationsverfassung vorgegebenen Struktur- und Wertungsprinzipien verstoßen wird. Erweiterungen von enumerativen Zuständigkeiten müssen sich in die Kompetenzordnung ohne strukturelle Brüche einfügen lassen8. Bezogen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass eine Annexkompetenz zu § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG im Einklang mit dem organisatorischen Gesamtgefüge der Aktiengesellschaft stehen muss9.
In der Rechtsprechung wurden Annexkompetenzen insbesondere als Hilfszuständigkeit innerhalb einer zugewiesenen Aufgabe10 und als Kompetenzerweiterung aus Gründen des inneren Sachzusammenhangs11 bejaht. Als weitere Gesichtspunkte zur Begründung einer Annexkompetenz werden das Ziel, Interessenkonflikte zu vermeiden und die kompetenzmäßige Irrelevanz diskutiert12.
Der Umfang einer Vertretungszuständigkeit für im Zusammenhang mit der Aufgabenwahrnehmung anfallende Hilfsgeschäfte bestimmt sich dabei aus dem Inhalt der jeweiligen Aufgabenzuweisung. Entscheidend ist, dass die Anerkennung der Kompetenz für Hilfsgeschäfte nicht zu einer Erweiterung des sachlichen Aufgabenbereichs führt, sondern sich innerhalb der zugewiesenen Aufgabe auf die Stadien der Vorbereitung und Durchführung der Aufgabenwahrnehmung bezieht. Die Anbindung an den sachlichen Aufgabenbereich setzt der Kompetenzzuweisung für Hilfsgeschäfte einen engen Rahmen13.
Ausgehend von diesen Grundsätzen kann dem besonderen Vertreter die Befugnis zur Vertretung der Aktiengesellschaft in einem Rechtsstreit mit zum Zweck der Geltendmachung von Ersatzansprüchen mandatierten Rechtsanwälten weder als Hilfszuständigkeit innerhalb der ihm zugewiesenen Aufgabe, Ersatzansprüche im Namen der Gesellschaft zu verfolgen, noch kraft Sachzusammenhangs zuerkannt werden.
Eine der außergerichtlichen und gerichtlichen Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat im Zusammenhang mit der Beauftragung von Sachverständigen (Annexkompetenz zu § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG) vergleichbare Fallgestaltung liegt nicht vor.
§ 147 AktG enthält weder nach seinem Wortlaut noch nach seiner systematischen Stellung im Gesamtgefüge aktienrechtlicher Kompetenznormen eine § 111 Abs. 2 AktG vergleichbare Regelung von Einzelbefugnissen, an die eine Annexkompetenz angeknüpft werden kann.
§ 111 Abs. 2 AktG weist dem Aufsichtsrat bei der Ausübung seiner Mitwirkungs- und Kontrollbefugnisse einen eigenen Aufgabenbereich zu, in dessen Rahmen die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands nicht tangiert wird. Dies rechtfertigt es, die Befugnis des Aufsichtsrats zur außergerichtlichen Vertretung der Aktiengesellschaft beim Vertragsschluss mit einem nach § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG beauftragten Sachverständigen anzuerkennen14. Ergänzend ist aufgrund der Sachnähe der gerichtlichen Vertretung der Gesellschaft in einem aus dem Auftragsverhältnis geführten Rechtsstreit sowie nach dem § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG innewohnenden Zweck der Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit des Aufsichtsrats auch die Prozessvertretung der Gesellschaft von der gesetzlichen Aufgabenzuweisung gedeckt2.
In dem vorliegend betroffenen Bereich der mittelbar auf die Anspruchsverfolgung gerichteten Rechtshandlungen des besonderen Vertreters hat der Gesetzgeber hingegen davon abgesehen, diesem ausdrücklich einen eigenen, von der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands abgegrenzten Aufgabenbereich zuzuweisen.
Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem Zusammenspiel des § 147 AktG mit anderen Kompetenznormen des Aktiengesetzes. § 147 Abs. 1 Satz 2 AktG verdrängt in seinem Anwendungsbereich die Regelungen in §§ 78, 112 AktG über die Vertretungsmacht von Vorstand und Aufsichtsrat mit der Folge, dass bei Bestellung eines besonderen Vertreters für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen dieser die Gesellschaft ausschließlich vertritt15. § 112 AktG setzt jedoch – ebenso wie § 39 GenG – voraus, dass sich als Parteien des Prozesses die Gesellschaft und das Vorstandsmitglied gegenüberstehen16. Dem Zusammenspiel der Kompetenzzuweisungen in § 147 Abs. 2, § 112 und § 78 AktG kann daher entnommen werden, dass der besondere Vertreter die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich in Prozessen vertritt, in denen sich als Parteien die Gesellschaft und Vorstands- bzw. Aufsichtsratsmitglieder sowie weitere vom Anwendungsbereich des § 147 Abs. 1 AktG erfasste Anspruchsgegner gegenüberstehen. Ein Rückschluss auf den Umfang der Vertretungszuständigkeit für im Zusammenhang mit der Geltendmachung anfallende Hilfsgeschäfte ist hingegen nicht möglich.
Ein besonderer Vertreter, dem – wie in dem vorliegenden Fall – die Hinzuziehung von Hilfspersonen im Bestellungsbeschluss gestattet worden ist, hat ferner das Recht, im Namen der Gesellschaft Rechtsanwälte beizuziehen17. Dies schließt die Vereinbarung einer Vergütung ein18. Ob diese Kompetenz auch ohne ausdrückliche Gestattung im Bestellungsbeschluss besteht19, kann dahingestellt bleiben. Ein Recht zur gerichtlichen Vertretung der Gesellschaft in einem mit den beauftragten Rechtsanwälten geführten Honorarklageverfahren kann aus ihr jedenfalls nicht abgeleitet werden.
Das Recht, die Gesellschaft beim Vertragsschluss mit den zum Zweck der Geltendmachung beauftragten Rechtsanwälten zu vertreten und unmittelbar zu verpflichten, folgt aus der ungeschriebenen Annexkompetenz zu § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG für solche Hilfsgeschäfte, die der Anspruchsverfolgung nur mittelbar dienen, für diese aber erforderlich sind20.
Diese Annexkompetenz gewährt aber, wie oben ausgeführt, keine eigenständige Kompetenzgrundlage zur Lösung des vorliegenden Kompetenzkonflikts21. Die Frage einer weitergehenden Annexkompetenz zur gerichtlichen Vertretung der Aktiengesellschaft durch den besonderen Vertreter in einem Rechtsstreit mit von ihm mandatierten Rechtsanwälten kann daher nicht mit der Sachnähe zu seiner Befugnis, das Mandat zu erteilen, sondern ausschließlich nach Maßgabe der ausdrücklich normierten Aufgabenzuweisung, bestimmte Ersatzansprüche geltend zu machen, beantwortet werden.
Mit der Anerkennung einer Befugnis des besonderen Vertreters, die Aktiengesellschaft in einem mit von ihm mandatierten Rechtsanwälten geführten Rechtsstreit gerichtlich zu vertreten, würde die in § 147 Abs. 2 Satz 1 AktG normierte Befugnis, Ersatzansprüche geltend zu machen, nicht lediglich im Sinne einer Hilfszuständigkeit zu Ende gedacht, sondern substanziell erweitert.
Der besondere Vertreter tritt zwar für seinen Aufgabenbereich an die Stelle des Vorstands. Dieser Aufgabenbereich besteht aber nur für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen22. Der Aufgabenzuweisung in § 147 AktG ist kein allgemeiner Grundsatz zu entnehmen, der es dem besonderen Vertreter gestattet, die Aktiengesellschaft zum Zweck der Geltendmachung von Ersatzansprüchen in jeder Hinsicht und insbesondere auch in Verfahren zu vertreten, die mit der Aufgabenerfüllung nur mittelbar in Zusammenhang stehen. So umfasst die Vertretungsmacht des besonderen Vertreters zur Geltendmachung des Ersatzanspruchs nicht mehr ein Rechtsgeschäft, das für die Gesellschaft wirtschaftlich einem Teilverzicht gleichkommt23. Auch soweit teilweise vertreten wurde, dass der besondere Vertreter wegen der Besorgnis einer nachlässigen Rechtsverteidigung durch Vorstand und Aufsichtsrat im Anfechtungsprozess um seine Bestellung die Gesellschaft vertrete oder jedenfalls die Hauptversammlung eine solche Vertretung bestimmen könne, hat sich diese Ansicht nicht durchgesetzt. Im Anfechtungsstreit um die Bestellung des besonderen Vertreters wird die Gesellschaft gemäß § 246 Abs. 2 AktG durch Vorstand und Aufsichtsrat auch dann vertreten, wenn deren Mitglieder von der Geltendmachung selbst betroffen sind24. Dem aus der Gestaltungswirkung der Nichtigerklärung folgenden rechtlichen Interesse des besonderen Vertreters an einem Obsiegen der Gesellschaft im Anfechtungsstreit um seine Bestellung wird lediglich durch die Möglichkeit Rechnung getragen, als Einzelperson der Klage auf Seiten der Gesellschaft als Nebenintervenient beizutreten25.
Die Befugnis zur gerichtlichen Vertretung der Gesellschaft im Rechtsstreit mit den von ihm beauftragten Rechtsanwälten würde eine Ausnahme von dem Grundsatz darstellen, dass der besondere Vertreter keinen Zugriff auf Finanzmittel der Aktiengesellschaft hat und für die Zahlung der von ihm eingegangenen Verbindlichkeiten wie auch seiner eigenen Vergütung auf die Mitwirkung der Verwaltung angewiesen ist.
Der besondere Vertreter hat keine Vertretungsmacht in Bezug auf die Bankverbindungen und Konten der Gesellschaft. Selbst wenn die Zahlungen unmittelbar die Durchführung seines Auftrags betreffen sollten, ist er auf die Mitwirkung des Vorstands angewiesen26. Dies hat auch zur Folge, dass der besondere Vertreter Prozessbevollmächtigte zum Zweck der Geltendmachung von Ersatzansprüchen im Namen der Gesellschaft beauftragen, deren Bezahlung aber nicht selbst veranlassen kann27. Im Übrigen kann der besondere Vertreter – anders als der Aufsichtsrat, der die Möglichkeit der Selbstverpflichtung nicht hat28 – auch von einer Verpflichtung der Gesellschaft absehen, die Hilfspersonen in eigenem Namen beauftragen und die hierfür erforderlichen Auslagen als Aufwendungsersatz einschließlich der Zahlung eines Kostenvorschusses verlangen29. Ebenso wie seinen eigenen Vergütungsanspruch muss er jedoch auch den Anspruch auf Aufwendungsersatz im Streitfall gegen die Aktiengesellschaft klageweise durchsetzen30. In der Praxis muss der besondere Vertreter damit rechnen, dass Vergütung und Auslagen nicht gezahlt werden31. Im Ergebnis gehört es zum Risiko des ihm übertragenen Amtes, dass sein Anspruch auf Vergütung und Auslagenersatz möglicherweise bestritten wird.
Mit dieser Struktur lässt es sich schwerlich vereinbaren, dem besonderen Vertreter in einem mit beauftragten Rechtsanwälten geführten Honorarklageverfahren durch die Einräumung einer Befugnis zur Prozessvertretung die Möglichkeit zu verschaffen, auch gegen den Widerstand der Verwaltung einen die Aktiengesellschaft bindenden, vollstreckungsfähigen Zahlungstitel über die Kosten dieser von ihm beauftragten Hilfspersonen zu erwirken.
Eine Kompetenzerweiterung in diesem Umfang hätte auch erhebliches Gewicht, da sie mit der zumindest abstrakten Gefahr einherginge, der besondere Vertreter könnte den Prozess nicht mit der gebotenen Sorgfalt und allein ausgerichtet am wohlverstandenen Interesse der Gesellschaft führen. Besonders greifbar wird dies, wenn der besondere Vertreter seine eigene Kanzlei mandatiert hat und in dem Vergütungsstreit neben deren Honorarabrechnung auch eine formularmäßige, gegebenenfalls von dem besonderen Vertreter als Rechtsanwalt selbst verwendete Honorarvereinbarung zur Überprüfung steht. Die Gefahr kann sich aber auch in anderen Fallgestaltungen aus seinem Interesse ergeben, die zeitnahe Bezahlung der von ihm beauftragten Rechtsanwälte ohne angemessene Prüfung von Einwänden des Vorstands durchzusetzen.
Zwar kann die konkrete Prozessführung gegebenenfalls Schadensersatzpflichten des besonderen Vertreters gegenüber der Aktiengesellschaft auslösen, sodass etwaige Einwände gegen eine Honorarforderung der von dem besonderen Vertreter im Namen der Aktiengesellschaft beauftragten Rechtsanwälte nochmals in einem Haftungsprozess angebracht werden können. Ein derartiger Verweis auf eine zeitlich nachgelagerte Korrekturmöglichkeit stünde aber mit den Grundsätzen, die für die Vergütung des besonderen Vertreters selbst gelten, nicht in Einklang. Denn Einwände gegen dessen eigene Vergütung und seine Auslagen wären in einem Honorarklageverfahren zu klären, in dem die Gesellschaft, der gesetzlichen Grundregel folgend, durch den Vorstand vertreten würde. Eine Befugnis des besonderen Vertreters zur Prozessvertretung im Honorarklageverfahren mit beauftragten Rechtsanwälten würde daher im Ergebnis zur einer sachlich nicht begründeten Verbesserung seiner Rechtsstellung für den Fall führen, dass er Rechtsanwälte im Namen der Gesellschaft beauftragt und nicht, was auch möglich wäre, als Hilfspersonen im eigenen Namen hinzuzieht.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass in einem gerichtlichen Verfahren betreffend die Bestellung eines besonderen Vertreters (§ 147 Abs. 2 Satz 2 AktG) die (Un-)Angemessenheit der mit beigezogenen Rechtsanwälten vereinbarten Vertragskonditionen nicht zu prüfen, sondern von der Gesellschaft in einem Honorarklageverfahren mit den beauftragten Anwälten zu klären ist17. Diese Prüfung liefe aber ins Leere, wenn die Aktiengesellschaft in dem Honorarklageverfahren wiederum durch den besonderen Vertreter vertreten würde. Eine effektive Kontrolle kann nur erfolgen, wenn die Gesellschaft in diesem Rechtsstreit nicht durch den besonderen Vertreter, sondern durch das zuständige ständige Organ vertreten wird.
Die Erweiterung der Befugnisse des besonderen Vertreters um die Zuständigkeit für die gerichtliche Vertretung der Aktiengesellschaft in einem Rechtsstreit mit von ihm mandatierten Rechtsanwälten ist auch nicht aus Gründen des Sachzusammenhangs zu der ihm zugewiesenen Aufgabe der Geltendmachung und deren effektiver Erledigung geboten.
§ 147 AktG will die tatsächliche Geltendmachung bestimmter Ersatzansprüche sichern und soll so dem das pflichtgemäße Verhalten bewirkenden Haftungsdruck für die Organe Nachdruck verleihen. Zudem sollen die §§ 147 ff. AktG verhindern, dass Ersatzansprüche der Gesellschaft auf Grund einer Befangenheit der Mitglieder der Verwaltungsorgane nicht durchgesetzt werden. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum UMAG könne typischerweise nicht erwartet werden, dass derjenige Ansprüche verfolge, der dem Ersatzpflichtigen kollegial oder geschäftlich verbunden bzw. ihm für seine eigene Bestellung zu Dank verpflichtet sei, oder der Gefahr laufe, dass im Verfahren seine eigenen Versäumnisse aufgedeckt würden32.
Insofern wird zwar im Ausgangspunkt zu Recht auf die zumindest abstrakt bestehende Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung der Tätigkeit des besonderen Vertreters hingewiesen, wenn die Prozessvertretung der Gesellschaft in einem das Mandatsverhältnis der von dem besonderen Vertreter beauftragten Rechtsanwälte betreffenden Erkenntnisverfahren einem Vertretungsorgan obliegt, gegen dessen Mitglieder Ersatzansprüche geltend gemacht werden. Indes ist die Interessenlage keine andere als in einem Rechtsstreit zwischen Gesellschaft und besonderem Vertreter über die Vergütung seiner eigenen Tätigkeit und den Ersatz von Aufwendungen, namentlich für die im eigenen Namen beauftragten Hilfspersonen. Die abstrakte Gefahr einer unzulässigen Einflussnahme auf die Geltendmachung durch den für die Prozessvertretung zuständigen und ggf. von der Geltendmachung selbst betroffenen Vorstand besteht in diesen Fallgestaltungen gleichermaßen.
Entsprechendes gilt für die Durchsetzung sonstiger zur Geltendmachung erforderlicher Hilfsbefugnisse. Auch Informationsrechte, die ihm als Annexkompetenz zum Verfolgungsrecht zustehen – etwa auf Auskunft, Einsichtnahme und Vorlage von Schriftstücken und anderen Datenträgern, muss der besondere Vertreter im eigenen Namen gegen die Aktiengesellschaft, vertreten durch den Vorstand, gegebenenfalls klageweise geltend machen33. Insofern ist von dem Recht, die Gesellschaft bei der prozessualen und außerprozessualen Durchsetzung der Ersatzansprüche zu vertreten, die Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis der Gesellschaft zu unterscheiden. Dem besonderen Vertreter auch innerhalb der Gesellschaft eine dem Vorstand ähnliche Organstellung zuzubilligen, würde zu schwerwiegenden Eingriffen in die Struktur und Organisation der Gesellschaft mit der Gefahr erheblicher praktischer Schwierigkeiten führen34.
Für einen stärker ausgeprägten Schutz des besonderen Vertreters im Zusammenhang mit der Mandatierung von Prozessbevollmächtigten im Namen der Gesellschaft besteht kein hinreichendes Bedürfnis. Der besondere Vertreter hat zwar ein berechtigtes Interesse daran, nicht durch eine Zahlungsverweigerung bezogen auf die von ihm eingegangene Verbindlichkeit an der Erledigung seiner Aufgabe, Ersatzansprüche geltend zu machen, gehindert zu werden bzw. nicht auf eigene Rechnung für einen zahlungsunwilligen Auftraggeber tätig werden zu müssen. In diesem Interesse wird er jedoch in Bezug auf die Finanzierung seiner eigenen Tätigkeit hinreichend dadurch geschützt, dass er sowohl die Übernahme des Auftrags von einer seine Risiken angemessen abdeckenden Vorschusszahlung abhängig machen als auch grundsätzlich die weitere Tätigkeit bis zum Eingang des Vorschusses einstellen kann35. Entsprechendes gilt für die Tätigkeit der von ihm mandatierten Rechtsanwälte, deren Konditionen der besondere Vertreter bei der Erteilung des Mandats mit Wirkung für die Gesellschaft verhandeln kann.
Eine Vorschusszahlung entbindet den besonderen Vertreter auch von der Notwendigkeit, Arbeitsschritte zur Unzeit gegenüber dem Vorstand in einer Vergütungsabrechnung offenlegen zu müssen. Denn die Vorlage konkreter Abrechnungen birgt zumindest potentiell Risiken für eine effektive Umsetzung des Geltendmachungsbeschlusses, soweit der Vorstand daraus Rückschlüsse auf rechtliche oder taktische Überlegungen des besonderen Vertreters ziehen könnte. Unabhängig von der Möglichkeit, den Zeitpunkt der Vorlage solcher Rechnungen durch Vorschussanforderungen zu steuern, ist bei der Bewertung des Gefährdungspotentials allerdings zu berücksichtigen, dass eine Schutzbedürftigkeit des besonderen Vertreters nur in eingeschränktem Maße besteht, da der Vorstand durch den Geltendmachungsbeschluss – an dessen Bestimmtheit gesteigerte Anforderungen gestellt werden36 – über den zugrundeliegenden Lebenssachverhalt und die betroffenen Antragsgegner ohnehin informiert ist.
Diesem Ergebnis kann schließlich nicht ein Bedürfnis des Rechtsverkehrs nach Rechtsklarheit und Kontinuität in Bezug auf die Aufgabenwahrnehmung in der Aktiengesellschaft entgegengehalten werden.
Aufgrund der Stellung des besonderen Vertreters als anlassbezogen und zeitlich begrenzt tätigem „Ad-hoc-Organ“ der Gesellschaft37 kann der Rechtsverkehr von vornherein keine Kontinuität in der Aufgabenwahrnehmung erwarten.
Dem Kapitalgesellschaftsrecht kann auch kein Grundsatz des Inhalts entnommen werden, dass stets ein Gleichlauf der Kompetenz zum Abschluss eines Vertrages und der Befugnis zur Prozessvertretung in einem diesen Vertrag betreffenden Rechtsstreit zu gewährleisten ist. Vielmehr obliegt in einer GmbH die Bestellung und die Abberufung der Geschäftsführer nach § 46 Nr. 5 GmbHG der Gesellschafterversammlung, die im Rahmen einer Annexkompetenz zu dieser Norm auch für Abschluss, Änderung und Kündigung des Anstellungsvertrages eines Geschäftsführers zuständig und vertretungsbefugt ist38. Die Personalkompetenz der Gesellschafterversammlung hat jedoch nicht zur Folge, dass Mitglieder der Geschäftsführung stets ihre organschaftliche Vertretungsmacht für einen Prozess mit Geschäftsführern verlieren. Gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG unterliegt der Bestimmung der Gesellschafter zwar auch die Bestimmung über die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat und über den Wortlaut hinaus auch über die Vertretung in allen weiteren in Frage kommenden gerichtlichen Verfahren zwischen der Gesellschaft einerseits und dem Geschäftsführer andererseits39. Macht die Gesellschafterversammlung von dieser Befugnis jedoch keinen Gebrauch, wird die Gesellschaft – vorbehaltlich einer die Vertretungsbefugnis anders regelnden Satzungsbestimmung – im Prozess mit gegenwärtigen oder ausgeschiedenen Geschäftsführern nicht durch einen von der Gesellschafterversammlung bestimmten Vertreter, sondern durch bereits zuvor oder neu bestellte (weitere) Geschäftsführer vertreten40.
Der Vertretungsmangel ist im vorliegenden Fall auch nicht geheilt worden (§ 547 Nr. 4 ZPO)41. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Vorstand allein (§ 78 Abs. 1 AktG) oder zusammen mit dem Aufsichtsrat (§ 112 AktG, Doppelvertretung) zur gesetzlichen Vertretung der Gesellschaft in dem vorliegenden Honorarklageverfahren berufen ist. Denn jedenfalls haben beide Organe die Genehmigung der bisherigen Prozessführung seitens des besonderen Vertreters durch Erklärung der von ihnen bevollmächtigten Rechtsanwälte ausdrücklich verweigert. Die Beschlussfassung des Aufsichtsrats über die Genehmigung sämtlicher zurückliegender Prozesshandlungen der Rechtsanwälte in diesem Verfahren ist ebenso wie die gemeinsame Erteilung einer Prozessvollmacht durch Vorstand und Aufsichtsrat für das weitere Verfahren zur Überzeugung des Oberlandesgerichts hinreichend durch den Auszug aus der Niederschrift der Aufsichtsratssitzung und die von zwei Vorstandsmitgliedern und dem Aufsichtsratsvorsitzenden unterzeichnete Vollmacht belegt. Das Vorgehen von Vorstand und Aufsichtsrat war schließlich auch nicht rechtsmissbräuchlich.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat daher das aufgrund des vom besonderen Vertreter abgegebenen Anerkenntnisses erstinstanzlich ergangene Anerkenntnisurteil aufgehoben und die – gegen die Aktiengesellschaft, vertreten durch den besonderen Vertreter gerichtete – Klage wegen des Vertretungsmangel als unzulässig abgewiesen42.
Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil vom 20. Oktober 2021 – 11 U 10/19
- Abgrenzung zu BGHZ 218, 122[↩]
- vgl. BGHZ 218, 122[↩][↩]
- vgl. Schmolke, Großkommentar AktG Bd. 7/3, 5. Aufl.2021, § 147 Rn. 383 m.w.N.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 27.09.2011 – II ZR 225/08, [↩]
- vgl. BGH, NJW 1981, S. 1097 <1098> OLG München, Urteil vom 28.11.2007 – 7 U 4498/07, Rn. 71[↩]
- vgl. BGH, NZG 2015, S. 835, Rn. 15 m.w.N. sowie Oberlandesgericht, Urteil vom 14.03.2018 – 11 U 35/17, Rn. 36[↩]
- LG Heidelberg, Urteil vom 09.08.2018 – 4 O 366/18[↩]
- vgl. Lieder, NZG 2015, S. 569 f.; Fleischer/Wedemann, GmbHR 2010, S. 449 <454 ff.>[↩]
- vgl. zu § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG/Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats: BGHZ 218, 122, Rn. 17[↩]
- vgl. zu § 111 Abs. 2 Satz 2 AktG/Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats: BGHZ 218, 122, Rn. 17, 19[↩]
- vgl. zum Gleichlauf von Bestellungs- und Anstellungszuständigkeit beim eingetragenen Verein: BGHZ 113, 237, Rn. 5[↩]
- zum Ganzen: Fleischer/Wedemann, GmbHR 2010, S. 449 <454 ff.> m.w.N.[↩]
- vgl. BGHZ 218, 122, Rn.19 m.w.N.; Fleischer/Wedemann, GmbHR 2010, S. 449 <455>[↩]
- vgl. BGHZ 218, 122, Rn. 16 f.[↩]
- vgl. Koch, in: Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl.2021, § 147 Rn. 13; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl.2020, § 112 Rn. 1, 4[↩]
- vgl. zur Vertretung der Genossenschaft: BGH, AG 1997, S. 123 f.[↩]
- vgl. KG Berlin, Beschluss vom 16.12.2011 – 25 W 92/11, Rn.20[↩][↩]
- vgl. Schmolke, in: Großkommentar AktG, Bd. 7/3, 5. Aufl.2021, § 147 Rn. 386, 388 m.w.N.; Rieckers/Vetter, in: Kölner Kommentar AktG, Bd. 3/2, 3. Aufl.2015, § 147 Rn. 509; Uwe H. Schneider, ZIP 2013, S.1985 <1988>[↩]
- vgl. Arnold, in: Münchener Kommentar AktG Bd. 3, 4. Aufl.2018, § 147 Rn. 71[↩]
- vgl. Schmolke, in: Großkommentar AktG, Bd. 7/3, 5. Aufl.2021, § 147 Rn. 386, 388 m.w.N.; Rieckers/Vetter, in: Kölner Kommentar AktG, Bd. 3/2, 3. Aufl.2015, § 147 Rn. 509; jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. Lieder, NZG 2015, S. 569 f.[↩]
- vgl. BGH, NZG 2015, S. 835, Rn. 15 f.[↩]
- vgl. BGH, NJW 1981, S. 1097 <1098>[↩]
- vgl. BGH, NZG 2015, S. 835, Rn. 16[↩]
- vgl. BGH, NZG 2015, S. 835, Rn.19[↩]
- vgl. Nietsch, NZG 2021, S. 271 <275> Schmolke, in: Großkommentar AktG Bd. 7/3, 5. Aufl.2021, § 147 Rn. 391; Rieckers/Vetter, in: Kölner Kommentar AktG, Bd. 3/2, 3. Aufl.2015, § 147 Rn. 510[↩]
- vgl. Nietsch, NZG 2021, S. 271 <275>[↩]
- vgl. BGHZ 218, 122, Rn. 15[↩]
- vgl. Schmolke, in: Großkommentar AktG Bd. 7/3, 5. Aufl.2021, § 147 Rn. 636, 638 m.w.N.[↩]
- vgl. KG, Beschluss vom 16.12.2011 – 25 W 92/11, Rn.19; Mock, in: BeckOGK, Stand 01.06.2021, § 147 AktG Rn. 186; Schmolke, in: Großkommentar AktG Bd. 7/3, 5. Aufl.2021, § 147 Rn. 630; jeweils m.w.N.; a.A. für eine gerichtliche Festsetzung: Schneider, ZIP 2013, S.1985 <1990>[↩]
- vgl. Schneider, ZIP 2013, S.1985 <1990>[↩]
- RegE UMAG, BT-Drs. 15/5092, S.20; zum Ganzen: BGHZ 226, 182, Rn. 39[↩]
- vgl. OLG München, Urteil vom 28.11.2007 – 7 U 4498/07, Rn. 72 m.w.N.; OLG Köln, Urteil vom 04.12.2015 – I-18 U 149/15, Rn. 35; Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl.2021, § 147 Rn. 15 f. m.w.N.[↩]
- vgl. OLG München, a.a.O., Rn. 73[↩]
- vgl. zu § 9 RVG: Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Aufl.2021, § 9 Rn. 3, 19; zum Recht auf Vorschusszahlung: Schmolke, in: Großkommentar AktG Bd. 7/3, 5. Aufl.2021, § 147 Rn. 631 m.w.N.[↩]
- vgl. BGHZ 226, 182, Rn. 24, 29; Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl.2021, § 147 Rn. 5; jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. Schmolke, Großkommentar AktG, Bd. 7/3, 5. Aufl.2021, § 147 Rn. 219[↩]
- vgl. BGH, NZG 2008, S. 104 f.; BGH, NJW 1991, 1680 <1681> Schindler, in: BeckOGK GmbHG, Stand 01.05.2021, § 46 GmbHG Rn. 59 m.w.N.[↩]
- vgl. Schindler, a.a.O., § 46 GmbHG Rn. 103 f.[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 22.03.2016 – II ZR 253/15, Rn. 10; BGH, NJW 2012, S. 1656, Rn. 12; Schindler, a.a.O., § 46 GmbHG Rn. 103; jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. hierzu: BGH, Urteil vom 28.02.2005 – II ZR 220/03, Rn. 8[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 28.02.2005 – II ZR 220/03, Rn. 11; BGHZ 40, 197, Rn.19[↩]
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