Der durch Vereinbarung mit dem seitherigen Vermieter in einem Mietvertrag eingetretene neue Vermieter ist hinsichtlich des von der mietenden Gesellschaft, die pflichtwidrig zur Zeit der Vereinbarung noch keinen Insolvenzantrag gestellt hat, nicht zu erlangenden Mietausfalls nicht zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Insolvenzverschleppung gegen die Geschäftsführers berechtigter Neugläubiger.

Schadensersatzansprüche gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem gemäß Art. 25 MoMiG seit 01.11.2008 gültigen § 15 a Abs. 1 S. 1 InsO bzw. dem bis 31.10.2008 gültigen § 64 Abs. 1 GmbHG a.F. stehen der neuen Vermieterin nicht zu, ebenso wenig sonstige Ansprüche. Die neue Vermieterin ist eine sog. Altgläubigerin und kann daher einen Schadensersatzanspruch wegen Insolvenzverschleppung nicht geltend machen. Wegen Altschulden kann nur der Ersatz eines Quotenschadens gefordert werden, der in einem eröffneten Insolvenzverfahren als einheitlicher Gesamtgläubigerschaden gemäß § 92 InsO allein vom Insolvenzverwalter gegenüber den Geschäftsführern geltend zu machen ist1.
Nur Gläubiger, die einen nach dem Zeitpunkt, in dem Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen, eingetretenen Schaden erlitten (Neugläubiger), haben bei Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht einen Anspruch gegen die Geschäftsführer aus Ausgleich des Schadens, der ihnen dadurch entsteht, dass sie in Rechtsbeziehungen zu einer überschuldeten oder zahlungsunfähigen Gesellschaft getreten sind. Anspruchsberechtigte Neugläubiger sind also alle, die ihre Forderungen gegen die Gesellschaft nach dem Zeitpunkt erworben haben, zu dem Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen2. Anders als der Schaden der Altgläubiger, der in der durch die Insolvenzverschleppung bedingten Masse- und Quotenverminderung besteht, liegt der Schaden eines Neugläubigers darin, dass er der Gesellschaft im Vertrauen auf deren Solvenz noch Geld- oder Sachmittel zur Verfügung gestellt hat, ohne einen entsprechend werthaltigen Gegenanspruch oder eine entsprechende Gegenleistung zu erlangen3.
Bei Dauerschuldverhältnissen, wozu Mietverträge zählen, kann der Vertragspartner sowohl Alt- als auch Neugläubiger sein4. Entscheidend für die Einordnung ist, ob der Gläubiger seine Leistung nach Eintritt der Insolvenzreife noch hätte zurückhalten können (durch Kündigung, aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Lösungsklausel, Zurückbehaltungsrecht etc.), wenn sich der Geschäftsführer ordnungsgemäß verhalten hätte5.
Die neue Vermieterin ist nicht Neugläubigerin. Sie hatte keine Möglichkeit, die Mieträume ohne freiwilliges Zutun der Mieterin zurück zu erhalten.
Gemäß § 535 Abs. 1 S. 1 BGB ist der Vermieter durch den Mietvertrag verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Hat er dem Mieter die Mieträume überlassen, was üblicherweise – und so auch hier – zu Beginn des Mietverhältnisses geschieht, hat er im Falle ausbleibender Zahlungen jedoch kein Recht, die Mieträume gegen den Willen des Mieters wieder in Besitz zu nehmen. Der Vermieter hat lediglich die Möglichkeit der (außerordentlichen) Kündigung. Daher ist der Fall der Vermietung nicht vergleichbar mit dem der Inanspruchnahme neuen Kredits in einem Kontokorrentverhältnis, wie sie Gegenstand der Entscheidung des Bundesgerichtshof vom 5. Februar 2007 war, in welcher der BGH für den Fall der Inanspruchnahme neuen Kredits eine Neugläubigerstellung annahm. Der Vermietung vergleichbar ist nur die weitere Inanspruchnahme eines bereits gewährten Kredits, die jedoch keine Neugläubigerstellung begründet.
Es liegt auch keine Zäsur durch die Inanspruchnahme von Vertrauen vor, die dem Neuabschluss eines Vertrages gleichkommt und die Annahme einer Neugläubigerstellung rechtfertigt. Der Eintritt der neuen Vermieterin als Vermieterin in das Mietverhältnis anstelle der alten Vermieterin steht nicht in Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Vertrauen durch die Insolvenzschuldnerin (Mieterin) bzw. deren Geschäftsführer (die Beklagten).
Der Eintritt der neuen Vermieterin in das Mietverhältnis war Folge ihrer vertraglichen Vereinbarungen mit der bisherigen Vermieterin. Die Mieterin und die Beklagten als deren Geschäftsführer hatten hierauf keinen Einfluss. Ihnen ist in diesem Zusammenhang nichts vorzuwerfen. Insbesondere haben sie keine Pflicht, einen an der Übernahme eines Mietverhältnisses Interessierten über die finanzielle Situation der Mieterin aufzuklären. Sie dürfen hierzu zwar keine unwahren Angaben machen. Darum geht es jedoch nicht. Solche bzw. eine Anfrage behauptet die neue Vermieterin nicht.
Alleine der Umstand, dass die mietende GmbH – deren Insolvenzreife zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der neuen Vermieterin mit der bisherigen unterstellt – noch keinen Insolvenzantrag gestellt hatte, genügt nicht zur Begründung der Neugläubigerstellung der neuen Vermieterin, weil sie mit der Mieterin keinen neuen Vertrag schloss, sondern anstelle der alten Vermieterin in ein bestehendes Vertragsverhältnis eintrat, ohne mit der Mieterin hierwegen in Kontakt gestanden zu haben.
Ob die neue Vermieterin selbst durch die Vertragsübernahme einen Vertrauenstatbestand schuf, ist völlig unerheblich.
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 11. Oktober 2012 – 13 U 49/12
- BGH, Urteil vom 05.02.2007 – II ZR 234/05, m.w.N.[↩]
- BGH, Urteil vom 06.06.1994 – II ZR 292/91[↩]
- BGH, Urteil vom 14.05.2012 – II ZR 130/10, m.w.N.[↩]
- BGH, Urteil vom 05.02.2007 – II ZR 234/05[↩]
- Baumbach/Hueck/Haas, GmbHG, 19. Aufl., § 64 Rn. 131; LAG Köln, Urteil vom 26.07.2006 – 8 Sa 1660/05; OLG Hamburg, Urteil vom 31.07.2007 – 14 U 71/07[↩]