Der Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, der eine Drittgläubigerforderung gegen einen Mitgesellschafter geltend macht, ist grundsätzlich nicht verpflichtet, zunächst die Gesellschaft in Anspruch zu nehmen. Eine generell nur subsidiäre Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus Drittgeschäften mit anderen Gesellschaftern lässt sich aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht nicht ableiten.

Bei einem Darlehen, welches ein Gesellschafter der KG (hier: einer GmbH & Co. KG) gewährt hat, handelt es sich um ein Drittgeschäft. Für Verbindlichkeiten der KG aus einem Drittgeschäft haften Kommanditisten gemäß §§ 128, 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB1. Ein Drittgeschäft ist jedes Geschäft, das seinen Rechtsgrund nicht im Gesellschaftsverhältnis, sondern in einem davon zu unterscheidenden Rechtsverhältnis hat. Aus einem solchen Drittgeschäft kann ein Gesellschafter grundsätzlich gegen seine Mitgesellschafter Ansprüche geltend machen.
Ein Drittgeschäft kann – wie vorliegend – auch ein Darlehen sein, welches ein Gesellschafter der Gesellschaft gewährt hat. Eine Ausnahme ist dann denkbar, wenn der Gesellschafter aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelung zur Gewährung der Leistung verpflichtet ist und deshalb das Darlehen nicht vorzeitig kündigen kann2. Eine solche Ausnahme scheidet aber aus, wenn der Gesellschafter zur Darlehnsgewährung gesellschaftsvertraglich nicht verpflichtet war.
Der Durchsetzung des Anspruchs stehen auch nicht die von der Rechtsprechung auf der Grundlage der §§ 30, 31 GmbHG a.F. entwickelten Grundsätze zum Eigenkapitalersatzrecht entgegen, da die Rechtsprechungsregeln und die hieraus resultierende Durchsetzungssperre mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbHRechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen aufgehoben sind (§ 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG). In Fällen, bei denen am 1.11.2008 noch kein Insolvenzverfahren eröffnet war, können Darlehen deshalb unabhängig davon, ob sie in einer Krise gewährt oder stehengelassen wurden, zurückgefordert werden3. Auch bei der GmbH & Co KG sind die §§ 30, 31 GmbHG analog nicht mehr anwendbar4.
Der Gesellschafter ist nicht verpflichtet, zunächst die KG in Anspruch zu nehmen, bevor er seine Drittgläubigerforderung gegen die Kommanditisten geltend macht.
Im Schrifttum wird teilweise vertreten, dass persönlich haftende Gesellschafter und damit auch Kommanditisten, die Ausschüttungen im Sinne des § 172 Abs. 4 HGB erhalten haben, einem GesellschafterGläubiger lediglich subsidiär haften und sich der Gläubiger zunächst an die Gesellschaft halten muss. Der GesellschafterGläubiger werde zwar grundsätzlich wie jeder dritte Gläubiger behandelt, wenn es sich um ein Drittgeschäft handele. Die unbeschränkte Haftung werde aber von der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht überlagert, die gebiete, dass der Mitgesellschafter – in der Regel – nur dann in Anspruch genommen werden dürfe, wenn eine Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen nicht zu erwarten sei5.
Das Reichsgericht hat stattdessen angenommen, dass der GesellschafterGläubiger einem Dritten vollständig gleichgestellt sei und sich deshalb nicht zunächst an die Gesellschaft halten müsse. Es sei lediglich darauf zu achten, dass der Anteil abgezogen werde, der seiner eigenen Mithaftung entspreche.
Anderenfalls erhalte der GesellschafterGläubiger etwas, das er unter Umständen zurückgewähren müsse und was damit die dolo agitEinrede begründe6.
Der Bundesgerichtshof hat die Frage in einer Entscheidung vom 10.11.19697 offen gelassen. Sie ist im Sinne der Rechtsprechung des Reichsgerichts zu entscheiden. Der Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, der eine Drittgläubigerforderung gegen einen persönlich haftenden Mitgesellschafter geltend macht, muss nicht zunächst die Gesellschaft in Anspruch nehmen. Eine generell nur subsidiäre Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus Drittgeschäften mit anderen Gesellschaftern lässt sich aus der Treuepflicht mangels Schutzbedürftigkeit der Mitgesellschafter nicht ableiten. Zwar ist anzuerkennen, dass ein Gesellschafter, wenn möglich, nicht sein eigenes Vermögen einsetzen soll, vielmehr Gesellschaftsschulden vor allem aus dem Gesellschaftsvermögen beglichen werden sollen. Der Mitgesellschafter, der von dem GesellschafterGläubiger in Anspruch genommen wird, hat jedoch in der Regel nicht nur einen Aufwendungsersatzanspruch gegen die Gesellschaft gemäß § 110 HGB, wenn er die Gesellschaftsschuld begleicht. Er kann auch bereits aufgrund der drohenden Inanspruchnahme Freistellung verlangen8. Ist die Gesellschaft zur Zahlung bereit und in der Lage, sollte es somit gar nicht dazu kommen, dass der Mitgesellschafter auf sein privates Vermögen zurückgreifen muss, selbst wenn sich der GesellschafterGläubiger direkt an ihn wendet. Kann oder will die Gesellschaft ihre Schuld dagegen nicht tilgen, würde der Gesellschafter auch unter grundsätzlicher Annahme der Subsidiarität haften.
Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Innenausgleich zwischen Gesellschaftern, nachdem ein Gesellschafter einen (dritten) Gesellschaftsgläubiger befriedigt hat, lässt sich nichts Gegenteiliges herleiten. Diese Fallgestaltung ist mit der Geltendmachung einer Drittgläubigerforderung durch den Gesellschafter nicht vergleichbar. Obwohl der Aufwendungsersatzanspruch des leistenden Gesellschafters gegen die Gesellschaft aus § 110 HGB ein Sozialanspruch ist und Sozialansprüche während des Bestehens der Gesellschaft grundsätzlich nicht gegen die Gesellschafter geltend gemacht werden können, ist eine Regressmöglichkeit des leistenden Gesellschafters nach § 426 BGB bei Leistungsunfähigkeit der Gesellschaft anerkannt. Diese Ausnahme ist geboten, da es mehr oder weniger vom Zufall abhängen kann, welcher Gesellschafter von einem Gesellschaftsgläubiger in Anspruch genommen wird. Insoweit reicht aber eine Haftung in den Fällen aus, in denen von der Gesellschaft keine Befriedigung zu erlangen ist. Diese Besonderheit schlägt auf den gemäß § 426 Abs. 2 BGB übergehenden Anspruch durch9, so dass auch dieser nicht mit der hier vorliegenden Konstellation eines Anspruchs eines GesellschafterGläubigers aus einem Drittgeschäft vergleichbar ist.
Mit der Inanspruchnahme der Kommanditisten verstößt der Gesellschafter auch sonst nicht gegen seine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht.
Treuepflichten bestehen nicht nur zwischen der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern, sondern obliegen auch den Gesellschaftern untereinander.
Diese müssen auf die Belange ihrer Mitgesellschafter Rücksicht nehmen10. Das kann im Einzelfall dazu führen, dass aufgrund überwiegender schutzwürdiger Interessen der Mitgesellschafter auch die Wahrnehmung außergesellschaftsrechtlicher Befugnisse und damit die Geltendmachung von Ansprüchen aus Drittgeschäften eingeschränkt ist11. Eine solche Ausnahme liegt hier jedoch nicht vor.
Der Gesellschafter muss auch nicht deshalb gegenüber den Kommanditisten auf seine Forderung verzichten, weil anderenfalls das wirtschaftliche Risiko des Fonds auf diese abgewälzt würde. Die Kommanditisten durften nicht darauf vertrauen, ihre Ausschüttungen endgültig behalten zu dürfen. Sie sind vorliegend im Emissionsprospekt auf ihr Haftungsrisiko nach § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB hingewiesen worden. Dass die Bank, die einen solchen Fonds auflegt, nicht uneigennützig handelt und ein gewährtes Darlehen zurückfordern wird, ist zudem für den Anleger offensichtlich. Naheliegend ist auch, dass die Bank dabei alle ihr zur Verfügung stehenden Schuldner in Anspruch nehmen wird. Der Prospekt enthält keinen Hinweis darauf, dass der Gesellschafter anders zu behandeln wäre als andere Drittgläubiger und nicht frei entscheiden dürfte, wen er in Anspruch nimmt.
Der Umstand, dass der GesellschafterGläubiger als Gründungsgesellschafter und Initiator des Fonds für eine ordnungsgemäße Ausgestaltung des Fonds und eine Aufklärung der Anleger über die Risiken verantwortlich war, ist ebenso wenig ein Grund, die Anleger von ihrer Verbindlichkeit nach § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB zu entlasten. Eine fehlerhafte Aufklärung könnte Ansprüche der Anleger aus Prospekthaftung begründen. Solche stehen vorliegend aber schon deshalb nicht im Raum, weil eine entsprechende Klage bereits rechtskräftig abgewiesen wurde.
Im Falle der ansonsten drohenden Insolvenz der KG würden die Anleger nicht besser stehen. Auch insoweit ist deshalb nicht zu erkennen, warum es treuwidrig sein soll, dass der GesellschafterGläubiger seine Ansprüche außerhalb der Insolvenz verfolgt. Er behält seinen Anspruch aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB auch in der Insolvenz. Zwar können Gläubiger ihre Ansprüche gegen die Kommanditisten in der Insolvenz nicht mehr selbst durchsetzen. Dies geschieht indes gemäß § 171 Abs. 2 HGB durch den Insolvenzverwalter. Eine Schlechterstellung der Kommanditisten im Vergleich zur sofortigen Insolvenz könnte allenfalls darin liegen, dass sich durch die spätere Inanspruchnahme die Gesellschaftsschulden vergrößern könnten. Da die Kommanditisten jedoch im Außenverhältnis zu den Gesellschaftsgläubigern lediglich in Höhe der erhaltenen Ausschüttungen haften und auch im Innenverhältnis zur Gesellschaft nach § 3 Nr. 7 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags nicht weitergehend haften, wirkt sich ein weiteres Anwachsen offener Darlehenszinsen nicht auf ihre Haftung aus.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 8. Oktober 2013 – II ZR 310/12
- st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10.11.1969 – II ZR 40/67, WM 1970, 280; Urteil vom 01.12.1982 – VIII ZR 206/81, WM 1983, 30, 32[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 28.11.1977 – II ZR 235/75, BGHZ 70, 61, 63 f.[↩]
- BGH, Beschluss vom 15.11.2011 – II ZR 6/11, ZIP 2012, 86 Rn. 11; Urteil vom 09.10.2012 – II ZR 298/11, BGHZ 195, 42 Rn. 15[↩]
- Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl., § 172a Rn. 1; MünchKomm-HGB/K. Schmidt, 3. Aufl., § 172a a.F. Rn. 9 f.[↩]
- vgl. Habersack in Staub, Großkommentar HGB, 5. Aufl., § 128 Rn. 13, 26; Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 128 Rn. 10; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 35. Aufl., § 128 Rn. 24; Steitz in Henssler/Strohn, GesellschaftsR, § 128 HGB Rn. 10; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 49 I 2, S. 1412; K. Schmidt in Schlegelberger, HGB, 5. Aufl., § 128 Rn. 12, 20; MünchKomm-HGB/K. Schmidt, 3. Aufl., § 128 Rn. 12, 20; Boesche in Oetker, HGB, 2. Aufl., § 128 Rn. 21; Walter, JZ 1983, 258, 260; a.A. MünchKomm-BGB/Ulmer, 5. Aufl., § 705 Rn.203, 220; Westermann in Ermann, BGB, 13. Aufl., § 705 Rn. 61; Habermeier in Staudinger, BGB, Bearbeitung 2003, § 705 Rn. 43; Hadding/Kießling in Soergel, BGB, Stand 2011, § 705 Rn. 57; Prediger, BB 1971, 245, 248 f.[↩]
- RG, Urteil vom 16.06.1914 – III 37/13, RGZ 85, 157, 162 f.; Urteil vom 05.01.1937 – II 182/36, RGZ 153, 305, 313 f.; dem folgend BGH, Urteil vom 01.12.1982 – VIII ZR 206/81, WM 1983, 30, 32; Urteil vom 15.01.1988 V ZR 183/86, BGHZ 103, 72, 76[↩]
- BGH, Urteil vom 10.11.1969 – II ZR 40/67, WM 1970, 280[↩]
- Goette in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 110 Rn. 33; MünchKomm-HGB/K. Schmidt, 3. Aufl., § 128 Rn. 35 mwN[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 02.07.1962 – II ZR 204/60, BGHZ 37, 299, 302 f.; Urteil vom 15.01.1988 – V ZR 183/86, BGHZ 103, 72, 76 ff.; Urteil vom 17.12.2001 – II ZR 382/99, ZIP 2002, 394, 396; Urteil vom 15.10.2007 – II ZR 136/06, ZIP 2007, 2313, 2314 Rn. 17[↩]
- st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 28.04.1975 – II ZR 16/73, BGHZ 64, 253, 257; Urteil vom 09.09.2002 – II ZR 198/00, ZIP 2003, 73, 74[↩]
- Servatius in Henssler/Strohn, GesellschaftsR, § 705 BGB Rn. 42; Schäfer in Staub, Großkommentar HGB, 5. Aufl., § 105 Rn. 214; Wiedemann, WM Sonderbeilage 7/1992 S. 11[↩]