Durch die Satzung kann ein Hauptversammlungsort im Ausland bestimmt werden.

Die Zulässigkeit einer Satzungsregelung zum Hauptversammlungsort folgt aus § 121 Abs. 5 AktG. Für die Organisation und den Ablauf der Hauptversammlung gelten nach Art. 53 SE-VO unbeschadet der Bestimmungen des 4. Abschnitts der SE-VO die im Sitzstaat der SE für Aktiengesellschaften maßgeblichen Rechtsvorschriften. Da über den Ort der Hauptversammlung im 4. Abschnitt keine Regelung enthalten ist, gilt § 121 Abs. 5 AktG auch für die SE. Aus Art. 54 Abs. 2 SE-VO folgt nichts anderes. Danach kann die Hauptversammlung nach den für Aktiengesellschaften im Sitzstaat der SE maßgeblichen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften einberufen werden, womit wieder auf § 121 Abs. 5 AktG verwiesen wird.
Daraus, dass die Beklagte eine SE ist, folgt noch nicht, dass Versammlungen europaweit zulässig sind. Angesichts der eindeutigen Verweisung auf nationales deutsches Recht für eine SE mit Sitz in Deutschland kann nicht schon aus der Rechtsform auf die Zulässigkeit eines europaweiten Versammlungsorts geschlossen werden1.
Dass eine identitätswahrende Sitzverlegung innerhalb Europas möglich ist (Art. 8 SE-VO), macht die Satzungsänderung, die eine Versammlung im europäischen Ausland ermöglichen soll, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung noch nicht als „milderes“ Mittel zulässig. Die Sitzverlegung ist eine Maßnahme, die die Gesellschaft dem Recht des neuen Sitzstaats unterwirft und nach der Entscheidung des deutschen Gesetzgebers zu Abfindungsansprüchen führt. Sie unterscheidet sich sowohl im Inhalt als auch dem Zweck von einer Satzungsregelung einer weiterhin deutschem Recht unterworfenen Gesellschaft über den Versammlungsort, die lediglich Vorgaben für ein regelmäßig nur jährlich wiederkehrendes Ereignis macht.
§ 121 Abs. 5 AktG lässt es zu, in der Satzung einen Versammlungsort im Ausland zu bestimmen.
Ob auch ein Versammlungsort im Ausland gewählt werden kann, ist streitig. Teilweise wird ein Versammlungsort im Ausland nicht zugelassen, wobei das Hindernis vor allem in der fehlenden Möglichkeit einer Beurkundung durch einen deutschen Notar gesehen wird2. Überwiegend wird dagegen eine Hauptversammlung im Ausland für möglich erachtet3.
Durch die Satzung kann ein Hauptversammlungsort im Ausland bestimmt werden.
Der Wortlaut von § 121 Abs. 5 AktG enthält keine Eingrenzung für die Satzungsbestimmung über den Versammlungsort4. Auch aus dem Zweck lässt sich eine Begrenzung auf inländische Versammlungsorte nicht rechtfertigen. Ziel der Aufnahme der Regelung in das Aktiengesetz vom 30.01.1937 als § 105 Abs. 3 ist es gewesen, den Streit darüber zu beenden, ob die Hauptversammlung an jeden Ort in Deutschland einberufen werden konnte. Dem lag die Absicht zugrunde, zum Schutz der Beteiligten, namentlich der Minderheitsaktionäre, eine willkürliche Auswahl des Versammlungsorts zu unterbinden5. Dieser Schutzzweck verlangt nicht mehr, ausländische Versammlungsorte von vorneherein auszuschließen. Jedenfalls in den an Deutschland angrenzenden Ländern können Städte oder Regionen ebenso schnell und leicht erreichbar sein wie Orte in Deutschland oder der Satzungssitz.
Auch das Beurkundungserfordernis (§ 130 Abs. 1 Satz 1 AktG) steht einer Versammlung im Ausland nicht grundsätzlich entgegen. Dabei kann dahinstehen, ob die Einhaltung der jeweiligen Ortsform genügen könnte, obwohl Art. 11 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I)6 auf Fragen betreffend das Gesellschaftsrecht nicht anzuwenden ist, Art. 1 Abs. 1 f Rom-I-VO. Auch die in § 130 Abs. 1 AktG verlangte Form kann gewahrt werden. Nicht bei jeder Hauptversammlung ist eine notarielle Beurkundung erforderlich (§ 130 Abs. 1 Satz 3 AktG). Wenn in den verbleibenden Fällen kein Konsularbeamter zur Beurkundung bereit ist (§ 10 Abs. 2 KonsG, vgl. Hölters/Drinhausen, 2. Aufl., § 130 AktG Rn. 13; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, AktG, § 130 Rn. 44; Noack/Zetzsche in KK-AktG, 3. Aufl., § 130 Rn. 402), genügt die Beurkundung durch einen ausländischen Notar, wenn sie der deutschen Beurkundung gleichwertig ist. Gleichwertigkeit ist gegeben, wenn die ausländische Urkundsperson nach Vorbildung und Stellung im Rechtsleben eine der Tätigkeit des deutschen Notars entsprechende Funktion ausübt und für die Urkunde ein Verfahrensrecht zu beachten hat, das den tragenden Grundsätzen des deutschen Beurkundungsrechts entspricht7.
Entscheidend für die Zulässigkeit der Beurkundung durch eine ausländische Urkundsperson sind die mit der Beurkundung verbundenen Zwecke. Sie dient in erster Linie der Rechtssicherheit und Transparenz, damit keine Unklarheiten über Annahme oder Ablehnung von Anträgen und die gestellten Anträge besteht8. Mit der Fertigung einer notariellen Urkunde geht auch eine bessere Beweissicherung einher. Diesen Zwecken kann auch eine unabhängige ausländische Urkundsperson, deren Stellung mit der eines deutschen Notars vergleichbar ist, genügen.
Die Anwesenheit eines Notars mag zwar außerdem dazu beitragen können, dass Gesetz und Statut bei den Beschlüssen sorgfältiger beachtet werden, und einen geordneten, die Teilnehmerrechte wahrenden Verfahrensablauf sicherstellen9. Weil für sein Amt die Kenntnis des deutschen Aktienrechts nicht erforderlich ist, kann dies von einem ausländischen Notar möglicherweise nicht in dem gleichen Umfang wie von einem deutschen Notar gewährleistet werden. Hauptzweck des Erfordernisses einer notariellen Beurkundung ist die Sicherung eines rechtlich geordneten Verfahrensablaufs jedoch nicht. Für den Verfahrensablauf ist in erster Linie der Versammlungsleiter verantwortlich. Der Gesetzgeber selbst hat für weniger bedeutende Beschlüsse bei nichtbörsennotierten Gesellschaften die Anwesenheit eines Notars für verzichtbar erachtet, § 130 Abs. 1 Satz 3 AktG. Leitungs, Aufsichts- oder Eingriffsbefugnisse hat er dem Notar nicht zuerkannt und die Beurkundung auf einzelne Tatsachen des äußeren Ablaufs der Versammlung beschränkt10. In der Hauptversammlung darf der Notar zwar einen erkennbar sittenwidrigen Beschluss nicht beurkunden, weil er nach § 4 BeurkG und § 14 Abs. 2 BNotO die Beurkundung zu versagen hat, wenn er hierdurch unerlaubten oder unredlichen Zwecken dient. Aus anderen Gründen nichtige Beschlüsse muss er aber aufgrund seiner Beurkundungspflicht beurkunden und darf nicht anstelle des nach §§ 245 ff. AktG berufenen Richters die Mangelhaftigkeit von Beschlüssen feststellen11.
Eine gleichwertige Beurkundung einer Hauptversammlung durch eine ausländische Urkundsperson ist auch nicht wegen einer für deutsche Notare bestehenden Prüfungs- und Belehrungspflicht ausgeschlossen12. Die Beurkundung der Hauptversammlung ist keine Beurkundung von Erklärungen Beteiligter, sondern eine sonstige Beurkundung über die Wahrnehmungen des Notars (vgl. § 37 Abs. 1 Nr. 2 BeurkG, BGH, Urteil vom 16.02.2009 – II ZR 185/07, BGHZ 180, 9 Rn. 11 – Kirch/Deutsche Bank). Für eine solche sonstige Beurkundung des dritten Abschnitts des Beurkundungsgesetzes gelten die Prüfungs- und Belehrungspflichten nach § 17 BeurkG nicht13.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Oktober 2014 – II ZR 330/13
- Kiem in KK-AktG, 3. Aufl., Art. 53 SE-VO Rn. 9; aA Schwarz, SE-VO, Art. 53 Rn. 10[↩]
- OLG Hamburg, ZIP 1993, 921; OLG Hamm, NJW 1974, 1057 [zur GmbH]; LG Stuttgart, AG 1992, 236; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 121 Rn. 48; Wicke in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 130 Rn. 18; Heidel/Terbrack/Lohr, AktG, 3. Aufl., § 130 Rn. 12; Heidel/Pluta, AktG, 3. Aufl., § 121 Rn. 45; Wilhelmi, BB 1987, 1331[↩]
- MünchKomm-AktG/Kubis, 3. Aufl., Art. 53 SE-VO Rn. 10; Kiem in KK-AktG, 3. Aufl., Art. 53 SE-VO Rn. 9; Habersack/Drinhausen/Bücker, SE-Recht, Art. 53 SE-VO Rn. 11; Schwarz, SE-VO, Art. 53 Rn. 10; Spindler in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, Art. 53 SE-VO Rn. 9; Heckschen in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Anhang 14 Europäische Gesellschaft Rn. 497, Stand Februar 2011; Casper in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., Art. 53 SE-VO Rn. 4; Henssler/Strohn/Liebscher, 2. Aufl., § 121 AktG Rn. 25; Grigoleit/Herrler, AktG, § 121 Rn. 27; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 121 Rn. 15; MünchKomm-AktG/Kubis, 3. Aufl., § 121 Rn. 88; Noack/Zetzsche in KK-AktG, 3. Aufl., § 121 Rn. 187; Reger in Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl., § 121 Rn. 24; Wachter/Mayrhofer, AktG, 2. Aufl., § 121 Rn. 30; Hölters/Drinhausen, AktG, 2. Aufl., § 121 Rn. 44; Rieckers in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 121 Rn. 74; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 121 Rn. 87; Bungert, AG 1995, 26, 35[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 08.11.1993 – II ZR 26/93, ZIP 1993, 1867, 1869[↩]
- BGH, Urteil vom 08.11.1993 – II ZR 26/93, ZIP 1993, 1867, 1870[↩]
- ABl. L 177 vom 17.06.2008, Rom-I-VO[↩]
- BGH, Beschluss vom 16.02.1981 – II ZB 8/80, BGHZ 80, 76, 78[↩]
- Noack/Zetzsche in KK-AktG, 3. Aufl., § 130 Rn. 4[↩]
- Priester, DNotZ 2001, 661, 663; Krieger, ZIP 2002, 1597, 1599; MünchKomm-AktG/Kubis, 3. Aufl., § 130 Rn. 1[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 16.02.2009 – II ZR 185/07, BGHZ 180, 9 Rn. 16 – Kirch/Deutsche Bank[↩]
- OLG Düsseldorf, NZG 2003, 816; Würthwein in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 241 Rn. 109; aA MünchKomm-AktG/Hüffer, 3. Aufl., § 241 Rn. 96 für evident nichtige Beschlüsse[↩]
- Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 130 Rn 8; Hölters/Drinhausen, 2. Aufl., § 130 AktG Rn. 13; Ziemons in K. Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 130 Rn. 44; MünchKomm-AktG/Kubis, 3. Aufl., § 130 Rn. 12; Noack/Zetzsche in KK-AktG, 3. Aufl., § 130 Rn. 404; Bungert, AG 1995, 26, 33; Schiessl, DB 1992, 823; aA Wicke in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 130 Rn. 18; Heidel/Terbrack/Lohr, AktG, 3. Aufl., § 130 Rn. 12[↩]
- Winkler, BeurkG, 17. Aufl., Vor § 36 Rn. 14; Hüffer/Koch, AktG, 11. Aufl., § 130 Rn. 12; MünchKomm-AktG/Kubis, 3. Aufl., § 130 Rn. 34[↩]