Die Insolvenz der KG – und die Haftung des Kommanditisten

Bei der Prüfung, ob eine Inanspruchnahme des Kommanditisten zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, sind nicht nur die zur Tabelle festgestellten, sondern auch vom Insolvenzverwalter bestrittene Forderungsanmeldungen zu berücksichtigen, sofern eine erfolgreiche Inanspruchnahme der Masse wegen dieser Forderungen noch ernsthaft in Betracht kommt.

Die Insolvenz der KG – und die Haftung des Kommanditisten

In dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Rechtsstreit verlangte der Insolvenzverwalter einer Schiffsfondsgesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft. über deren Vermögen im November 2012 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, von einem mit einer Kommanditeinlage in Höhe von 55.000 € als Kommanditist an der insolventen Kommanditgesellschaft Beteiligten, die Rückzahlung der in den Jahren 2003 bis 2007 erhaltenen, nicht durch Gewinne gedeckte Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 24.750 € unter dem Gesichtspunkt der teilweisen Rückgewähr der geleisteten Kommanditeinlage.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Koblenz hat den Kommanditisten antragsgemäß zur Zahlung verurteilt1. Auf die Berufung des Kommanditisten hat das Oberlandesgericht Koblenz die Klage abgewiesen2. Auf die vom Oberlandesgericht Koblenz zugelassene Revision des Insolvenzverwalters hob der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück an das Oberlandesgericht Koblenz:

Das Oberlandesgericht Koblenz ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kommanditisten gegenüber seiner Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter nach § 171 Abs. 1 und 2, § 172 Abs. 4 HGB der Einwand zusteht, dass das von ihm Geforderte zur Tilgung der Gesellschaftsschulden, für die er haftet, nicht erforderlich ist. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür hat der in Anspruch genommene Gesellschafter; jedoch obliegt dem Insolvenzverwalter eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse, sofern nur er zu deren Darlegung im Stande ist3.

Weiterlesen:
Lurgi II

Im Weiteren hat das OLG Koblenz ebenfalls zutreffend angenommen, dass die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme des Kommanditisten nicht allein davon abhängt, ob die von seiner Haftung umfassten Gesellschaftsschulden aus der aktuell zur Verfügung stehenden Insolvenzmasse gedeckt werden können. Wie der Bundesgerichtshof inzwischen entschieden hat4, kann der Kommanditist gegen seine Inanspruchnahme vielmehr entsprechend § 422 Abs. 1 Satz 1, § 362 Abs. 1 BGB auch einwenden, dass der zur Deckung dieser Gesellschaftsschulden nötige Betrag durch Zahlungen anderer Kommanditisten bereits ganz oder teilweise aufgebracht wurde. Die Erforderlichkeit seiner Inanspruchnahme hängt daher zum einen davon ab, in welchem Umfang die von seiner Haftung umfassten Forderungen bereits durch Zahlungen anderer Gesellschafter auf ihre Haftungsschuld gedeckt sind, und zum anderen davon, ob die zur Verfügung stehende Insolvenzmasse voraussichtlich genügt, einen danach verbleibenden Restbetrag zu decken5. Dabei handelt es sich bei der Höhe der bis zur letzten mündlichen Verhandlung eingegangenen Rückzahlungen der Kommanditisten wie das Oberlandesgericht Koblenz ebenfalls zutreffend angenommen hat um einen Umstand, dessen Darlegung typischerweise nur dem Insolvenzverwalter möglich ist, und zu dem er daher im Rahmen der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast vorzutragen hat6.

Nicht frei von Rechtsfehlern ist das Oberlandesgericht Koblenz dagegen davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für das Eingreifen der sekundären Darlegungslast des Insolvenzverwalters im hier entschiedenen Fall erfüllt sind. Hierfür hat der beklagte Kommanditist schlüssig vorzutragen, dass die von seiner Außenhaftung erfassten Gesellschaftsschulden bereits durch Zahlungen anderer Gesellschafter auf ihre Haftungsschuld ganz oder teilweise gedeckt sind bzw. die zur Verfügung stehende Insolvenzmasse voraussichtlich zur Deckung eines danach verbleibenden Restbetrages zumindest in Höhe eines Teils der Klageforderung ausreicht. Ob dies hier der Fall ist, kann nach dem hier bisher festgestellten Sachverhalt indes nicht abschließend beurteilt werden:

Weiterlesen:
Das Ausscheiden des promovierten Namensgebers aus einer Wirschaftsprüfer-Partnerschaftsgesellschaft

Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts Koblenz behauptet der Kommanditist, der Insolvenzverwalter nehme Kommanditisten auf Rückzahlungen in Höhe einer Gesamthaftungssumme von 1, 3 Mio. € in Anspruch. Dieser Betrag würde bei erfolgreicher Einziehung sämtlicher Rückzahlungsforderungen zwar ausreichen, um die zur Tabelle festgestellten Gläubigerforderungen von 1.226.072, 33 € im vollen Umfang zu befriedigen. Das gilt jedoch nicht bei Berücksichtigung auch der vom Insolvenzverwalter bestrittenen Forderungen, die sich nach der vom Insolvenzverwalter im Berufungsverfahren vorgelegten; und vom Oberlandesgericht Koblenz in Bezug genommenen Insolvenztabelle auf insgesamt 1.326.663, 23 € belaufen. Sollten diese sämtlich bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Inanspruchnahme des Kommanditisten zu berücksichtigen sein, würde selbst die erfolgreiche Inanspruchnahme sämtlicher Kommanditisten in dem vom Kommanditisten behaupteten Umfang von 1, 3 Mio. € zuzüglich der aktuell vorhandenen Masse von 1.208.527, 71 € nicht ausreichen, um den Gesamtbetrag der angemeldeten Forderungen von 2.552.735, 56 € zu befriedigen. Es verbliebe eine Unterdeckung von 44.207, 85 €, die die Klageforderung gegen den Kommanditisten übersteigt. Eine nähere Darlegung des Insolvenzverwalters zur Höhe der bereits eingezogenen Kommanditistenzahlungen bedürfte es daher mangels Erheblichkeit des Einwands des Kommanditisten nicht.

Entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts Koblenz sind bei der Prüfung, ob eine Inanspruchnahme des Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 und 2, § 172 Abs. 4 HGB zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist, nicht nur die zur Tabelle festgestellten, sondern auch vom Insolvenzverwalter bestrittene Forderungsanmeldungen zu berücksichtigen, sofern eine erfolgreiche Inanspruchnahme der Masse wegen dieser Forderungen noch ernsthaft in Betracht kommt.

Weiterlesen:
Die Betriebsprüfung bei der vermögensverwaltenden KG - und die Festsetzungsverjährung gegenüber den Kommanditisten

Die Deckung von bestrittenen Forderungen kann erforderlich sein, weil der gegen sie erhobene Widerspruch durch eine Feststellungsklage (§ 179 InsO) beseitigt werden kann7. Zwar bringt der Insolvenzverwalter mit seinem Widerspruch zum Ausdruck, dass er die angemeldete Forderung nach der ihm obliegenden sorgfältigen Prüfung für unberechtigt hält. Insofern setzt er sich dem Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) aus, wenn er gleichwohl eine Inanspruchnahme des Kommanditisten wegen dieser von ihm bestrittenen Forderung geltend macht. Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass der Widerspruch gegen die Forderungsanmeldung noch durch eine Feststellungsklage beseitigt wird. In diesem Fall ist der Insolvenzverwalter berechtigt, den Kommanditisten vorsorglich auch zur Bildung angemessener Rückstellungen für von ihm bestrittene Forderungen in Anspruch zu nehmen, sofern eine Haftung des Kommanditisten nicht bereits aus Rechtsgründen ausscheidet8.

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine erfolgreiche Inanspruchnahme der Masse wegen der bestrittenen Forderung noch ernsthaft in Betracht kommt, obliegt dem Insolvenzverwalter. Dieser hat grundsätzlich darzulegen und zu beweisen, dass Forderungen von Gesellschaftsgläubigern, für die der Kommanditist haftet, mindestens in Höhe der Klageforderung bestehen9. Stützt er sich hierbei auf eine von ihm bestrittene Forderung, hat er substantiiert darzulegen, aus welchen Gründen trotz seines Widerspruchs noch mit einer Feststellung der Forderung zur Tabelle gerechnet werden muss und daher vorsorglich auch insoweit noch eine Inanspruchnahme des Kommanditisten zur Bildung von Rückstellungen erforderlich erscheint. Das kann etwa dann auszuschließen sein, wenn nach der Lebenserfahrung keine Inanspruchnahme der Masse mehr droht, weil der Bestand der angemeldeten Forderung rechtlich zweifelhaft ist, seit dem Prüfungstermin und dem Widerspruch des Insolvenzverwalters ein erheblicher Zeitraum verstrichen ist und keiner der betreffenden Gläubiger eine Feststellungsklage erhoben hat10, oder wenn es sich bei den bestrittenen Insolvenzforderungen um eine Vielzahl, auf vergleichbarem Sachverhalt beruhenden Forderungen mehrerer Insolvenzgläubiger handelt, der Insolvenzverwalter sämtlichen dieser angemeldeten Forderungen widersprochen hat, ein nicht notwendig das Insolvenzverfahren betreffender Musterprozess über die Feststellung einer solchen Insolvenzforderung rechtskräftig verloren gegangen und der rechtliche Bestand der Insolvenzforderungen erheblichen Zweifeln ausgesetzt ist11.

Weiterlesen:
Mitteilungspflicht des Gründungsaktionärs

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz erweist sich in dieser Hinsicht auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Das Oberlandesgericht Koblenz hat von seinem Standpunkt aus folgerichtig keine Feststellungen dazu getroffen, in welcher Höhe die vom Insolvenzverwalter bestrittenen Forderungen nach den obigen Maßgaben berücksichtigungsfähig sind. Soweit die Revisionserwiderung geltend macht, hierzu habe auch kein Anlass bestanden, weil der Insolvenzverwalter seine Klage selbst nur auf eine (angebliche) Unterdeckung der festgestellten Forderungen zum aktuellen Massebestand gestützt habe, trifft dies nicht zu. Insoweit hat der Insolvenzverwalter worauf die Revision zutreffend hinweist mit der Vorlage der Insolvenztabelle auch die darin angegebenen bestrittenen Gläubigerforderungen vorgetragen und schriftsätzlich bereits in erster Instanz bei der Darlegung der Unterdeckung geltend gemacht. Dass er keine weiteren Ausführungen dazu gemacht hat, warum diese Forderungen trotz seines Widerspruchs bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Inanspruchnahme des Kommanditisten zu berücksichtigen sein sollten, kann ihm nicht zum Nachteil gereichen, da es nach dem rechtlichen Standpunkt des Oberlandesgerichts Koblenz hierauf nicht ankam und diesbezüglicher Vortrag daher nach Auffassung des Oberlandesgerichts Koblenz von vorneherein unerheblich gewesen wäre.

Soweit das Oberlandesgericht Koblenz seine Entscheidung auch darauf gestützt hat, dass der Insolvenzverwalter nicht zu den bereits von der Insolvenzmasse in Abzug gebrachten Verfahrenskosten und Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Fall 1 InsO vorgetragen habe, trägt dies allein die Klageabweisung nicht. Die Frage, für welche Verbindlichkeiten der Insolvenzverwalter die bislang eingezogenen Zahlungen anderer Gesellschafter verwendet hat, ist von der Frage, ob die bereits eingezogenen Zahlungen zur Deckung der von der Haftung des Kommanditisten erfassten Forderungen ausreichen würden, zu unterscheiden12. Reichen die vom Kommanditisten behaupteten bereits eingezogenen Zahlungen schon nicht aus, um die zur Tabelle festgestellten und die nach den obigen Maßgaben zu berücksichtigenden bestrittenen Forderungen zu decken, kommt es nicht mehr darauf an, worauf der Insolvenzverwalter diese Zahlungen verwendet hat.

Weiterlesen:
Verdeckte Gewinnausschüttung durch Entnahmen des Geschäftsführers

Bundesgerichtshof, Urteil vom 9. Februar 2021 – II ZR 28/20

  1. LG Koblenz, Urteil vom 17.12.2018 – 12 O 222/17[]
  2. OLG Koblenz, Urteil vom 23.01.2020 – 6 U 106719[]
  3. BGH, Urteil vom 21.07.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 21 mwN[]
  4. BGH, Urteil vom 21.07.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 25 ff.[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 21.07.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 25, 32[]
  6. BGH, Urteil vom 21.07.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 25[]
  7. vgl. BGH, Urteil vom 05.11.1979 – II ZR 145/78, NJW 1980, 1522, 1523; zur Einziehungsbefugnis: BGH, Urteil vom 17.12.2015 – IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227 Rn.19 mwN; zur Gläubigerbenachteiligung: BGH, Urteil vom 19.09.1988 – II ZR 255/87, BGHZ 105, 168, 187 f.; Urteil vom 20.02.2014 – IX ZR 164/13, BGHZ 200, 210 Rn.19 f.; Beschluss vom 06.02.2020 – IX ZR 5/19, ZIP 2020, 563 Rn. 4[]
  8. vgl. OLG Hamburg, ZIP 2018, 1940, 1941; ZIP 2019, 185, 186; a.A. OLG Celle, NZG 2019, 304, 305; OLG Schleswig, Urteil vom 07.09.2016 9 U 9/16 24 f.[]
  9. vgl. BGH, Urteil vom 20.02.2018 – II ZR 272/16, BGHZ 217, 327 Rn. 13 ff.[]
  10. vgl. OLG Hamburg, ZIP 2018, 1940, 1941; ZIP 2019, 185, 186; Jarchow/Hölken, ZInsO 2019, 1189, 1194; offengelassen in OLG Hamm, ZInsO 2019, 807[]
  11. vgl. BGH, Beschluss vom 06.02.2020 – IX ZR 5/19, ZIP 2020, 563 Rn. 6 f. zur Entkräftung des Anscheinsbeweises für eine Gläubigerbenachteiligung im Anfechtungsprozess[]
  12. vgl. BGH, Urteil vom 21.07.2020 – II ZR 175/19, ZIP 2020, 1869 Rn. 30[]
Weiterlesen:
Gewerbliche Prägung durch ausländische Kapitalgesellschaft

Bildnachweis: