Die Lohnzahlungen der insolvenzreifen GmbH – und die Haftung des Geschäftsführers

Auch sind zugunsten des Geschäftsführers nicht die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs anzuwenden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird gemäß § 64 Satz 2 GmbHG das Verschulden des Geschäftsführers vermutet, wenn er trotz objektiv bestehender Insolvenzreife Zahlungen leistet1. Da insoweit einfache Fahrlässigkeit genügt2, scheidet ein Rückgriff auf die Grundsätze des innerbetrieblichen Schadensausgleichs, die gerade eine zumindest teilweise Haftungsfreistellung bei leichter und mittlerer Fahrlässigkeit vorsehen, schon begrifflich aus.

Die Lohnzahlungen der insolvenzreifen GmbH – und die Haftung des Geschäftsführers

Davon abgesehen kann sich ein Geschäftsführer auch nicht teilweise mit der Behauptung entlasten, „tatsächlich Arbeitnehmer der Schuldnerin und bloß verlängerter, weisungsgebundener Arm des Beirats gewesen zu sein“. Soweit der Geschäftsführer damit geltend machen will, dadurch an der Einhaltung des Zahlungsverbots nach § 64 Satz 1 GmbHG gehindert gewesen zu sein, hätte er sein Geschäftsführeramt niederlegen müssen3. Soweit der Geschäftsführer damit ein anderes Gesellschaftsorgan für die Verletzung des Zahlungsverbots mitverantwortlich machen will, ändert dies nichts daran, dass ihm die Erfüllung der sich aus § 64 GmbHG ergebenden Pflichten persönlich oblag4. Gemäß § 64 Satz 4 i.V.m. § 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG kann ihn selbst nicht entlasten, wenn er mit den Zahlungen den Gesellschafterwillen ausgeführt hätte.

Soweit ausnahmsweise eine konkrete Chance auf Sanierung und Fortführung im Insolvenzverfahren zunichte gemacht werden würde, wenn der Betrieb ohne Begründung neuer Forderungen oder ihrer Werthaltigmachung eingestellt werden müsste, können Zahlungen zwar zur Vermeidung noch größerer Nachteile mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar sein und damit das Verschulden entfallen lassen5. Sanierungsabsicht allein entschuldigt Zahlungen nach Insolvenzreife aber nicht6. Eine danach erforderliche konkrete Sanierungsund Fortführungschance hat der Geschäftsführer darzulegen.

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Der Geschäftsführer ist verpflichtet, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu beobachten. Bei Anzeichen einer Krise hat er sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand zu verschaffen. Stellt sich dabei eine rechnerische Überschuldung heraus, dann muss er prüfen, ob sich für das Unternehmen eine positive Fortbestehensprognose stellt7.

War die GmbH bei den Zahlungen rechnerisch überschuldet, ist es Sache des Geschäftsführers, die Umstände darzulegen, die es aus damaliger Sicht rechtfertigten, das Unternehmen trotzdem fortzuführen8. Verweist er dazu auf externen Sachverstand, kann ihn eine Fortführungsempfehlung nur entschuldigen, wenn er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einer unabhängigen, für die zu klärenden Fragestellungen fachlich qualifizierten Person hat beraten lassen9. Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters gebietet es zudem, das Prüfergebnis einer Plausibilitätskontrolle zu unterziehen10.

Jedenfalls diese Plausibilitätskontrolle hatte der Geschäftsführer im hier entschiedenen Fall nicht mit der gebotenen Sorgfalt vorgenommen. Der Geschäftsführer will die Auskunft erhalten haben, dass zwar eine Überschuldung vorliege, er aber bei Beachtung der Liquidität und Beauftragung einer weiteren Fortführungsprognose „auf der sicheren Seite“ sei. Eine plausible Fortführungsempfehlung kann darin nicht gesehen werden. Bei gegebener Überschuldung kann niemand mit der bloßen Beauftragung einer aktuellen Fortführungsprognose ohne Rücksicht auf ihr Ergebnis „auf der sicheren Seite“ sein.

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Eine in die Masse gelangende Gegenleistung muss für eine Verwertung durch die Gläubiger geeignet sein11. Den Zahlungen insbesondere für Löhne steht kein die Zahlungen ausgleichender Massezufluss gegenüber, der für eine Verwertung durch die Gläubiger geeignet ist12.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 24. September 2019 – II ZR 248/17

  1. BGH, Urteil vom 19.06.2012 – II ZR 243/11, ZIP 2012, 1557 Rn. 10 mwN[]
  2. BGH, Urteil vom 27.03.2012 – II ZR 171/10, Rn. 13 mwN[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 26.06.1995 – II ZR 109/94, ZIP 1995, 1134, 1336[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 06.11.2018 – II ZR 11/17, ZIP 2019, 261 Rn. 14 mwN für mehrere Geschäftsführer[]
  5. BGH, Urteil vom 04.07.2017 – II ZR 319/15, ZIP 2017, 1847 Rn. 21; Urteil vom 23.06.2015 – II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 Rn. 24 mwN[]
  6. vgl. BGH, Beschluss vom 05.02.2007 – II ZR 51/06, ZIP 2007, 1501 Rn. 5[]
  7. BGH, Urteil vom 06.06.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 199; Urteil vom 27.03.2012 – II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 Rn. 15[]
  8. vgl. BGH, Urteil vom 06.06.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181, 200[]
  9. vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2016 – II ZR 394/13, ZIP 2016, 1119 Rn. 34; Urteil vom 27.03.2012 – II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 Rn. 16; Urteil vom 14.05.2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Rn. 16[]
  10. BGH, Urteil vom 26.01.2016 – II ZR 394/13, ZIP 2016, 1119 Rn. 34; Urteil vom 27.03.2012 – II ZR 171/10, ZIP 2012, 1174 Rn. 16[]
  11. BGH, Urteil vom 04.07.2017 – II ZR 319/15, ZIP 2017, 1847[]
  12. vgl. BGH, Urteil vom 04.07.2017 – II ZR 319/15, ZIP 2017, 1847 Rn. 18 f.[]
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