Die Ltd.-Zweigniederlassung im deutschen Handelsregister – und die Angabe des Stammkapitals

Der Bundesgerichtshof hat dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV mehrere Fragen zur Auslegung der Gesellschaftsrechtsrichtlinie 2017/11321 und von Art. 49, 54 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Die Ltd.-Zweigniederlassung im deutschen Handelsregister – und die Angabe des Stammkapitals

1. Steht Art. 30 der Richtlinie (EU) 2017/1132 einer nationalen Regelung entgegen, nach der für die Eintragung einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat in das Handelsregister die Angabe der Höhe des Stammkapitals oder eines vergleichbaren Kapitalwerts erforderlich ist?

2. a) Steht Art. 30 der Richtlinie (EU) 2017/1132 einer nationalen Regelung entgegen, nach der der Geschäftsführer der Gesellschaft bei Anmeldung der Eintragung einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat in das Handelsregister die Versicherung abgeben muss, dass in seiner Person kein Bestellungshindernis nach nationalem Recht in Form eines gerichtlichen oder behördlichen Berufs- oder Gewerbeverbots, das mit dem Unternehmensgegenstand der Gesellschaft ganz oder teilweise übereinstimmt, oder in Form einer rechtskräftigen Verurteilung wegen bestimmter Straftaten vorliegt und dass er insoweit über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht durch einen Notar, einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten belehrt worden ist?

b) Falls die Frage 2a) verneint wird: Stehen Art. 49, 54 AEUV einer nationalen Regelung entgegen, nach der der Geschäftsführer der Gesellschaft bei Anmeldung der Eintragung einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat in das Handelsregister eine solche Versicherung abgeben muss?

Zur ersten Vorlagefrage:[↑]

Die Eintragung einer inländischen Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft in das deutsche Handelsregister unterliegt dem deutschen Registerverfahrensrecht als lex fori, d.h. insbesondere den §§ 13d ff. HGB2.

Die Beteiligte ist als private company limited by shares der deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung vergleichbar, so dass für die Eintragung ihrer inländischen Zweigniederlassung die für diese Gesellschaften geltenden Vorschriften entsprechend Anwendung finden. Anwendbar sind damit insbesondere § 13g Abs. 1, Abs. 3 HGB. Danach hat die Eintragung der Zweigniederlassung auch die Angaben nach § 10 GmbHG zu enthalten. Zu diesen Angaben gehört nach § 10 Abs. 1 GmbHG die Höhe des Stammkapitals der Gesellschaft. Im Fall der Eintragung der Zweigniederlassung einer ausländischen Gesellschaft bedarf es daher der Angabe eines dem Stammkapital einer deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung vergleichbaren Kapitalwerts der ausländischen Gesellschaft nach dem insoweit auf sie anwendbaren Sachrecht.

Nach den im Rechtsbeschwerdeverfahren zugrunde zu legenden Feststellungen des Beschwerdegerichts zum englischen Sachrecht hätte die Beteiligte danach ihr issued share capital, d.h. das von den Gesellschaftern gezeichnete Kapital, anzugeben.

Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass bei einer englischen private company limited by shares nach den insoweit anwendbaren Regelungen des am 1.10.2009 vollständig in Kraft getretenen Companies Act 2006 (CA 2006) das issued share capital, d.h. das von den Gesellschaftern gezeichnete Kapital, eine dem Stammkapital einer deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung entsprechende Funktion hat, weil es für die Haftung der Gesellschaft und die englischen Kapitalerhaltungsvorschriften allein maßgeblich sei.

An diese Feststellung, die das Bestehen und den Inhalt des englischen materiellen Rechts betrifft, ist der Bundesgerichtshof im Rechtsbeschwerdeverfahren gemäß § 72 Abs. 1, Abs. 3 FamFG i.V.m. § 560 ZPO gebunden. Nach § 72 Abs. 1, Abs. 3 FamFG i.V.m. § 560 ZPO kann mit der Rechtsbeschwerde nur eine unzureichende oder fehlerhafte Ermittlung des ausländischen Rechts als Verfahrensrüge geltend gemacht werden. Die Rechtsbeschwerde kann jedoch nicht darauf gestützt werden, dass das ausländische Recht fehlerhaft angewandt worden sei3. Dass das Beschwerdegericht das englische Recht betreffend die Kapitalvorschriften für private companies limited by shares und die Bedeutung und Funktion des issued share capital unzureichend oder rechtsfehlerhaft ermittelt habe, wird von der Beteiligten nicht geltend gemacht.

Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Verpflichtung der Beteiligten zur Angabe ihres issued share capital bei Anmeldung ihrer Zweigniederlassung mit Art. 30 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie vereinbar ist.

Art. 30 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie ist auf die Anmeldung der Zweigniederlassung der Beteiligten anwendbar.

Die Beteiligte zählt als private company limited by shares zu den in Anhang – II der Richtlinie genannten Gesellschaften im Vereinigten Königreich („companies incorporated with limited liability“), so dass für sie gemäß Art. 29 Abs. 1 die Offenlegungsvorschriften des Abschnitts 2 der Richtlinie gelten. Dass die Gesellschaftsrechtsrichtlinie erst am 20.07.2017 und damit erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens in Kraft getreten ist, steht ihrer Anwendung nicht entgegen, weil der Bundesgerichtshof im Rechtsbeschwerdeverfahren das bei Erlass seiner Entscheidung geltende Recht anzuwenden hat4.

Art. 30 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie enthält einen Katalog der Urkunden und Angaben, deren Offenlegung nach dem Recht eines Mitgliedstaats für Zweigniederlassungen von Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten verlangt werden kann. Die Regelung unterscheidet zwischen Urkunden und Angaben, die nach dem Recht des Mitgliedstaats der Zweigniederlassung vorgelegt werden müssen (Abs. 1), und solchen Urkunden und Angaben, deren Offenlegung der Mitgliedstaat der Zweigniederlassung zusätzlich verlangen kann (Abs. 2). Die Regelung entspricht inhaltlich der Vorgängerregelung in Art. 2 der Elften Richtlinie 89/666/EWG des Rates vom 21.12 1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen5, die mit der Gesellschaftsrechtsrichtlinie aufgehoben wurde und in ihr aufgegangen ist (Art. 166 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie i.V.m. der angefügten Entsprechungstabelle in Anhang IV).

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Die Angabe der Höhe des Stammkapitals oder eines vergleichbaren Kapitalbetrages wird in Art. 30 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie weder bei den obligatorischen Offenlegungsgegenständen des Absatzes 1 noch bei den fakultativen Offenlegungsgegenständen des Absatzes 2 ausdrücklich genannt. Damit könnte es einem Mitgliedstaat nach der Richtlinie verwehrt sein, für die Anmeldung der Zweigniederlassung die Angabe des Stammkapitals der Gesellschaft zu verlangen.

Dafür könnte sprechen, dass der Europäische Gerichtshof zur Vorgängerregelung in Art. 2 der Zweigniederlassungsrichtlinie entschieden hat, dass der dortige Katalog der Offenlegungsmaßnahmen abschließend ist und die Mitgliedstaaten keine anderen Offenlegungsmaßnahmen für Zweigniederlassungen als die in der Zweigniederlassungsrichtlinie genannten vorsehen können6. Diese Rechtsprechung dürfte entsprechend auch für die inhaltlich unveränderte Regelung in Art. 30 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie gelten. Im deutschen Schrifttum wird daher teilweise die Auffassung vertreten, dass wegen des abschließenden Charakters des Offenlegungskatalogs insbesondere das Verlangen nach Angabe des Stammkapitals bzw. eines vergleichbaren Kapitalwerts richtlinienwidrig und daher unzulässig sei7.

Für die Unzulässigkeit der Verpflichtung zur Angabe des Stammkapitals bei Anmeldung einer Zweigniederlassung durch eine Gesellschaft aus einem Mitgliedstaat lässt sich weiter anführen, dass die Gesellschaftsrechtsrichtlinie bei der Gesellschaft selbst und bei der Anmeldung von Zweigniederlassungen von Gesellschaften aus Drittstaaten ausdrücklich die Offenlegung eines Kapitalwerts vorschreibt. Nach Art. 14 e)) der Richtlinie erstrecken sich die Offenlegungspflichten für die Gesellschaft in dem Staat, in dem sie errichtet wird, u.a. auf „zumindest jährlich den Betrag des gezeichneten Kapitals, falls der Errichtungsakte oder die Satzung ein genehmigtes Kapital erwähnt und falls die Erhöhung des gezeichneten Kapitals keiner Satzungsänderung bedarf“. Auch für Zweigniederlassungen von Gesellschaften aus Drittstaaten gilt nach Art. 37 f)) der Gesellschaftsrechtsrichtlinie, dass „mindestens jährlich“ der „Betrag des gezeichneten Kapitals, sofern diese Angaben nicht in den unter Buchstabe e)) [Errichtungsakt und Satzung] genannten Urkunden gemacht werden“, offenzulegen ist. Daraus könnte der Schluss zu ziehen sein, dass bei Zweigniederlassungen von Gesellschaften aus einem Mitgliedstaat bewusst von der Pflicht zur Angabe eines Kapitalwerts abgesehen wurde.

Ferner bestimmt Erwägungsgrund 18 der Richtlinie (EU) 2017/1132, dass die Offenlegung auf Angaben beschränkt werden kann, welche die Zweigniederlassung selbst betreffen, sowie auf Hinweise auf das Register der Gesellschaft, zu der die Zweigniederlassung gehört, da aufgrund der bestehenden Unionsvorschriften die Angaben über die Gesellschaft insgesamt zur Verfügung stehen. Auch dies könnte dafür sprechen, dass die Richtlinie für Zweigniederlassungen aus Mitgliedstaaten bewusst keine auch nur fakultative Verpflichtung zur Angabe des Kapitals der Gesellschaft vorsieht, weil diese Information innerhalb der Europäischen Union durch die Anfrage beim Register der Gesellschaft im Mitgliedstaat erlangt werden kann.

Der Bundesgerichtshof neigt allerdings im Hinblick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Innoventif Limited8 dazu, das Verlangen nach Offenlegung des Stammkapitals bzw. eines dem vergleichbaren Kapitalwerts dann als richtlinienkonform anzusehen, wenn diese Angabe auch Bestandteil des Errichtungsakts der Gesellschaft ist, dessen vollständige Offenlegung nach Art. 30 Abs. 2 b) der Gesellschaftsrechtsrichtlinie verlangt werden kann.

Nach der zeitlich nach der Entscheidung in der Sache Inspire Art ergangenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Innoventif Limited9 war es mit der Zweigniederlassungsrichtlinie vereinbar, dass § 13g Abs. 3 HGB10 i.V.m. § 10 Abs. 1 GmbHG bei Eintragung einer Zweigniederlassung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat eine vollständige Veröffentlichung des Geschäftsgegenstands der Gesellschaft, wie er in ihrem Errichtungsakt niedergelegt ist, vorsah. Zur Begründung hat der Europäische Gerichtshof darauf verwiesen, dass es dem Mitgliedstaat nach Art. 2 Abs. 2 b) der Zweigniederlassungsrichtlinie (nunmehr Art. 30 Abs. 2 b) der Gesellschaftsrechtsrichtlinie) ausdrücklich erlaubt sei, sogar die Offenlegung des vollständigen Errichtungsakts und, sofern diese Gegenstand eines gesonderten Aktes sei, der Satzung zu verlangen, und von § 13g Abs. 3 HGB aF i.V.m. § 10 Abs. 1 GmbHG nur die Offenlegung des Unternehmensgegenstands der Gesellschaft, wie er in ihrem Errichtungsakt niedergelegt sei, verlangt werde.

Dem lässt sich entnehmen, dass es mit der Zweigniederlassungsrichtlinie bzw. mit deren Nachfolgeregelungen in der Gesellschaftsrechtsrichtlinie vereinbar ist, die Offenlegung einer Angabe oder Urkunde zu verlangen, die zwar nicht ausdrücklich im Katalog der Offenlegungsmaßnahmen der Richtlinie genannt wird, aber Bestandteil einer dieser Angaben oder Urkunden, namentlich des im Katalog der fakultativen Offenlegungsmaßnahmen genannten Errichtungsakts der Gesellschaft ist und daher bei dessen vollständiger Offenlegung zwangsläufig ebenfalls mit offengelegt werden müsste.

Mit dieser Erwägung hat auch der deutsche Gesetzgeber bei Umsetzung der Zweigniederlassungsrichtlinie im Jahr 1992/1993 in nationales Recht die Verpflichtung zur Angabe des Stammkapitals (auch) bei Gesellschaften aus Mitgliedstaaten für richtlinienkonform erachtet11.

Die Frage ist entscheidungserheblich.

Sollte das Verlangen nach Angabe des Stammkapitals wegen des abschließenden Charakters von Art. 30 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie richtlinienwidrig sein, könnte das Registergericht die Eintragung der Zweigniederlassung der Beteiligten nicht aus diesem Grund verweigern. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können Verstöße gegen die Offenlegungsregelungen der Zweigniederlassungsrichtlinie und damit auch deren Nachfolgerichtlinie, der Gesellschaftsrechtsrichtlinie nicht gerechtfertigt werden12.

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Sollte das Verlangen nach Angabe des Stammkapitals oder einer vergleichbaren Kapitalziffer hingegen nach der Richtlinie zulässig sein, wenn diese Angabe Bestandteil des vollständigen Errichtungsakts der Gesellschaft ist, hätte die Beschwerde der Beteiligten keinen Erfolg, da diese Voraussetzung nach dem vom Bundesgerichtshof im Beschwerdeverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt sowohl nach deutschem als auch nach englischem Recht erfüllt wäre.

Nach deutschem Recht ist die Höhe des Stammkapitals einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG im Gesellschaftsvertrag anzugeben und damit Bestandteil des Errichtungsakts im Sinne von Art. 30 Abs. 2 b) RL (EU) 2017/1132.

Zum englischen Recht hat das Beschwerdegericht festgestellt, dass jede Gesellschaft mit einem share capital, mithin auch eine private company limited by shares, gemäß Sec. 10 CA 2006 verpflichtet ist, bei der Gründung gegenüber dem englischen Handelsregister ein statement of share capital bzw. ein statement of capital and initial shareholding abzugeben, in dem u.a. die Gesamtzahl der von den Gesellschaftern übernommenen Anteile, das Nennkapital der Gesellschaft, der Betrag der zu leistenden Einlage und für jeden Gesellschafter die Anzahl, der Nennwert seines/r Anteils/e und der Betrag der von ihm zu leistenden Einlage angegeben werden müssen.

Der Bundesgerichtshof hat daher davon auszugehen, dass das statement of capital and initial shareholding bei der Gründung gegenüber dem englischen Handelsregister abgegeben werden muss und damit Voraussetzung für die Registrierung der Gesellschaft (Sec. 9 Abs. 4 [a] CA 2006) ist, mit der die Gesellschaft entsteht (Sec. 16 Abs. 1 CA 2006). Es ist damit auch notwendiger Bestandteil des Errichtungsakts der Gesellschaft bzw. ihrer „instruments of constitution“ im Sinne von Art. 30 Abs. 2 b) der Gesellschaftsrechtsrichtlinie. Infolgedessen wäre es in Anwendung der Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Innoventif Limited den Mitgliedstaaten gestattet, die Offenlegung des bei der Errichtung der Gesellschaft nach englischem Recht anzugebenden issued share capital einer private company limited by shares zu verlangen, da sie sogar die Offenlegung des gesamten Errichtungsakts verlangen könnten.

Da die Auslegung der Gesellschaftsrechtsrichtlinie in diesem Punkt aus den genannten Gründen nicht offenkundig ist, ist eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 1, Abs. 3 AEUV geboten.

Zur zweiten Vorlagefrage:[↑]

Hinsichtlich der zweiten Beanstandung des Registergerichts betreffend die fehlende Versicherung des directors der Beteiligten über seine Belehrung gemäß § 13g Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 HGB i.V.m. § 8 Abs. 3 GmbHG hängt der Erfolg der Rechtsbeschwerde zunächst davon ab, ob die Regelungen der Gesellschaftsrechtsrichtlinie zu Offenlegungspflichten bei Zweigniederlassungsanmeldungen auf diese Angabe anwendbar sind (Frage 2a). Sollte das nicht der Fall sein, stellt sich die Frage, ob das Verlangen nach einer solchen Versicherung gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49, 54 AEUV verstößt (Frage 2b).

Nach nationalem deutschen Recht setzt die Eintragung der Zweigniederlassung der Beteiligten gemäß § 13g Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 HGB i.V.m. § 8 Abs. 3 GmbHG voraus, dass der Geschäftsführer der Beteiligten bei der Anmeldung versichert, dass in seiner Person keines der in § 8 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 und 3, sowie Satz 3 GmbHG genannten persönlichen Bestellungshindernisse, die nach § 13e Abs. 3 Satz 2 HGB für die gesetzlichen Vertreter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz im Ausland in Bezug auf die Zweigniederlassung im Inland entsprechend anwendbar sind, besteht. Außerdem hat er zu versichern, dass er über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht durch einen Notar, einen Vertreter eines vergleichbaren rechtsberatenden Berufs oder einen Konsularbeamten belehrt worden ist.

Die Erstreckung der Bestellungshindernisse des § 6 Abs. 2 GmbHG auf Geschäftsführer ausländischer Gesellschaften gilt nur in Bezug auf die inländische Zweigniederlassung. Sie lässt die Organstellung des Geschäftsführers nach dem für ihn geltenden ausländischen Gesellschaftsstatut als solche unberührt und verwehrt ihm (nur), als Organ dieser Gesellschaft in Deutschland eine Zweigniederlassung zur Eintragung anzumelden.

Durch die Verpflichtung des Geschäftsführers zur Abgabe der Versicherung gemäß § 13g Abs. 2 Satz 2 HGB i.V.m. § 8 Abs. 3 GmbHG soll das Anmeldungsund Prüfungsverfahren für das Registergericht erleichtert werden. Dem Registergericht sollen die zur Überprüfung von Bestellungshindernissen erforderlichen Informationen zur Verfügung gestellt und die ansonsten erforderlichen eigenen Recherchen des Gerichts entbehrlich gemacht werden13. Hierfür bedarf es nicht nur der Versicherung des Geschäftsführers, dass in seiner Person keines der genannten Bestellungshindernisse vorliegt, sondern zusätzlich seiner Versicherung, insoweit über seine unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden zu sein. Andernfalls wäre die Richtigkeit seiner Angaben nicht hinreichend gewährleistet. Zwar kann das Registergericht nach § 41 Abs. 1 Nr. 1 BZRG grundsätzlich unbeschränkte Auskunft verlangen. Bei Verurteilungen setzt § 53 Abs. 2 BZRG jedoch zusätzlich voraus, dass der Betroffene über diese unbeschränkte Auskunftspflicht gegenüber dem Gericht belehrt worden ist. Andernfalls darf er sich gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 BZRG als unbestraft bezeichnen, wenn seine Verurteilung nicht oder (wegen Fristablaufs) nicht mehr in das Führungszeugnis aufzunehmen oder nur in einem Führungszeugnis für Behörden anzugeben ist.

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Da der director der Beteiligten in der Anmeldung der Zweigniederlassung nur versichert hat, dass in seiner Person keines der genannten Bestellungshindernisse vorliegt, nicht aber, dass er auch gemäß § 8 Abs. 3 GmbHG über seine unbeschränkte Auskunftspflicht belehrt wurde, genügt die Anmeldung nicht den Erfordernissen des § 13g Abs. 2 Satz 2 HGB i.V.m. § 8 Abs. 3 GmbHG.

Dass die Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten im Beschwerdeverfahren ihrerseits versichert hat, sie habe den director der Beteiligten vor Abgabe seiner Erklärung entsprechend § 8 Abs. 3 GmbHG belehrt, gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 GmbHG bedarf es der persönlichen Erklärung des belehrten Geschäftsführers; die Versicherung der ihn belehrenden Person genügt danach nicht14. Das ist auch im Hinblick auf die Strafbewehrung einer falschen Versicherung nach § 82 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG folgerichtig. Außerdem hat die Versicherung, belehrt worden zu sein, „in der Anmeldung“ zu erfolgen und unterliegt damit ebenfalls der Form des § 12 Abs. 1 Satz 1 HGB15, d.h. sie ist ebenfalls in öffentlich beglaubigter Form einzureichen. Auch diese Voraussetzung erfüllt die Erklärung der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten im Beschwerdeverfahren nicht.

Fraglich ist aber, ob der Verpflichtung zur Abgabe dieser Versicherung nicht Art. 30 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie entgegensteht16. Das hängt davon ab, ob die Versicherung betreffend Angaben zur persönlichen Eignung des Geschäftsführers der Gesellschaft überhaupt vom Anwendungsbereich der Gesellschaftsrechtsrichtlinie erfasst wird.

Der deutsche Gesetzgeber ist bei Einführung des § 13g Abs. 2 Satz 2 HGB i.V.m. § 8 Abs. 3 GmbHG davon ausgegangen, die Regelung werde vom Anwendungsbereich der damals geltenden Zweigniederlassungsrichtlinie nicht erfasst.

Er hat hierzu ausgeführt, die Zweigniederlassungsrichtlinie enthalte lediglich Pflichten zur Offenlegung einer Reihe von Angaben und Urkunden, aber keine Regelungen über die Eignung eines Vertreters einer Gesellschaft, und beschränke sich darauf, eine Offenlegungspflicht für die Bestellung, das Ausscheiden und die Personalien der Vertreter vorzusehen. Die Erstreckung der im Inland für Geschäftsführer geltenden Bestellungshindernisse auf die Vertreter von ausländischen Gesellschaften bei Anmeldung einer Zweigniederlassung und damit auch die Verpflichtung der Geschäftsführer zur Abgabe diesbezüglicher Versicherungen sei daher stattdessen am Maßstab des Primärrechts zu überprüfen17.

Diese Auffassung wird auch von Teilen des deutschen Schrifttums vertreten18. Andere Ansichten halten § 13g Abs. 2 Satz 2 HGB i.V.m. § 8 Abs. 3 GmbHG dagegen teilweise für richtlinienwidrig oder zumindest europarechtlich bedenklich19.

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist eine Ausnahme von Angaben zur persönlichen Eignung des Geschäftsführers aus dem Regelungsbereich der Richtlinie in Anbetracht des abschließenden Charakters jedenfalls nicht zweifelsfrei.

Weder die Zweigniederlassungsnoch die Gesellschaftsrechtsrichtlinie enthalten eine ausdrückliche Ausnahme für Angaben betreffend die persönliche Eignung der Vertreter der Gesellschaft. Nach Art. 1 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie erstreckt sich ihr Regelungsgegenstand vielmehr generell auf den Bereich der „Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsform errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen“. Zudem wird in Erwägungsgrund 22 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie (ebenso wie zuvor in den Erwägungsgründen der Zweigniederlassungsrichtlinie) klargestellt, dass Informationspflichten, denen Zweigniederlassungen aufgrund anderer Vorschriften unterliegen, wie z.B. im Sozialrecht in Bezug auf das Informationsrecht der Arbeitnehmer, im Steuerrecht oder im Hinblick auf statistische Angaben, von der Richtlinie nicht berührt werden. Eine entsprechende Klarstellung für Angaben zur persönlichen Eignung der Vertreter der Gesellschaft ist den Erwägungsgründen dagegen nicht zu entnehmen. Gegen deren Ausnahme vom Regelungsbereich der Richtlinie spricht außerdem, dass die Richtlinie durchaus auch Regelungen zur Offenlegung von personenbezogenen Angaben enthält, da nach Art. 30 Abs. 1 e)) der Gesellschaftsrechtsrichtlinie (bzw. Art. 2 Abs. 1 e) der Zweigniederlassungsrichtlinie) die Bestellung, das Ausscheiden und die Personalien der Vertreter der Gesellschaft bei Zweigniederlassungen von Gesellschaften aus anderen Mitgliedstaaten offenzulegen sind. Im Hinblick darauf erscheint die Annahme, dass sämtliche anderen personenbezogene Angaben, insbesondere zur persönlichen Eignung eines Geschäftsführers, von vorneherein nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst sein sollten, fraglich. Das gilt insbesondere in Anbetracht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum abschließenden Charakter des Katalogs der Offenlegungsmaßnahmen in Art. 30 der Richtlinie20.

Sollte die Verpflichtung zur Abgabe der Versicherung gemäß § 13g Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 8 Abs. 3 GmbHG in den Anwendungsbereich der Gesellschaftsrechtsrichtlinie fallen, wäre sie richtlinienwidrig.

Die Verpflichtung zur Abgabe einer solchen Versicherung zählt weder zu den zulässigen Offenlegungsmaßnahmen nach Art. 30 der Gesellschaftsrechtsrichtlinie, noch lässt sie sich anders als das Stammkapital der Gesellschaft unter eine der in der Richtlinie genannten zulässigen Offenlegungsmaßnahmen fassen. Da der Katalog der Offenlegungsmaßnahmen der Richtlinie nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs21 abschließend ist, stünde die Richtlinie damit dem Verlangen des Beschwerdegerichts nach einer solchen Versicherung entgegen. Eine Rechtfertigung dieses Verstoßes gegen die Offenlegungsregelungen der Richtlinie kommt nicht in Betracht22. Das Registergericht dürfte die Eintragungsanmeldung der Beteiligten daher nicht aus diesem Grund verweigern.

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Sollte die Verpflichtung zur Versicherung gemäß § 13g Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 8 Abs. 3 GmbHG dagegen nicht in den Anwendungsbereich der Gesellschaftsrechtsrichtlinie fallen, stellt sich die Frage ihrer Vereinbarkeit mit europäischem Primärrecht, konkret der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49, 54 AEUV (Frage 2b).

Die Verpflichtung zur Abgabe der Versicherung stellt eine Beschränkung der in den Art. 49, 54 AEUV garantierten Niederlassungsfreiheit dar, weil ohne diese Versicherung keine Eintragung in das Handelsregister erfolgt, die Eintragung damit von zusätzlichen Voraussetzungen abhängig gemacht und dadurch zumindest potentiell erschwert wird.

Ob diese Beschränkung der Niederlassungsfreiheit gerechtfertigt ist, ist fraglich.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den AEUVertrag garantierten Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, unter vier engen Voraussetzungen gerechtfertigt: Sie müssen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sowie zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sein und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist23.

Der deutsche Gesetzgeber ist bei der Einführung von § 13g Abs. 2 Satz 2 HGB i.V.m. § 8 Abs. 3 GmbHG und von § 13e Abs. 3 Satz 2 HGB davon ausgegangen, dass diese Voraussetzungen erfüllt seien. Die Regelungen würden in nichtdiskriminierender Weise angewandt, weil sie in gleicher Weise für inländische Gesellschaften gälten, und seien durch das zwingende Erfordernis des Schutzes des geschäftlichen Verkehrs vor ungeeigneten Vertretern einer Gesellschaft gerechtfertigt. Es gehe dabei allein darum, zu verhindern, dass Personen, die nach deutschem Recht inhabil wären, als Organe einer Auslandsgesellschaft im Inland eine Zweigniederlassung eintragen lassen und damit die inländischen Bestellungshindernisse umgehen. Die Anknüpfung an Merkmale, die für eine persönliche Eignung zur Wahrnehmung geschäftlicher Belange von entscheidender Bedeutung seien, stelle eine hinreichende Rechtfertigung dar. Infolge dessen sei in der Anmeldung der inländischen Zweigniederlassung nach § 13g Abs. 2 Satz 2 HGB i.V.m. § 8 Abs. 3 GmbHG auch die Versicherung abzugeben, dass keine Bestellungshindernisse bestehen und eine Belehrung über die diesbezügliche umfassende Auskunftspflicht erfolgt sei24.

Im deutschen Schrifttum wird die Erstreckung der inländischen Bestellungshindernisse auf Geschäftsführer ausländischer Gesellschaften und infolge dessen auch die Verpflichtung der Geschäftsführer zur Abgabe der diesbezüglichen Versicherungen teilweise ebenfalls als durch ein zwingendes Allgemeininteresse gerechtfertigter Eingriff in die Niederlassungsfreiheit angesehen25. Nach anderen Ansichten verstößt die Regelung gegen die Niederlassungsfreiheit oder ist diesbezüglich jedenfalls fragwürdig26.

Der Bundesgerichtshof hat es in seiner bisherigen Rechtsprechung als gerechtfertigten Eingriff in die Niederlassungsfreiheit angesehen, wenn ein Registergericht die Eintragung der Anmeldung einer Zweigniederlassung einer englischen private limited company by shares verweigert, weil es Kenntnis davon hat, dass gegen den director der Gesellschaft im Inland ein vollziehbares Gewerbeverbot, das mit dem Unternehmensgegenstand der Gesellschaft übereinstimmt, verhängt worden ist27. Dem lagen folgende Erwägungen zugrunde:

Die entsprechende Anwendung der Bestellungshindernisse des § 6 Abs. 2 GmbHG auf die Geschäftsführer einer Gesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat bei der Anmeldung einer Zweigniederlassung ist nicht diskriminierend, weil diese Bestellungshindernisse gleichermaßen für Geschäftsführer einer inländischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung gelten. Zwar wird die Eintragung der Zweigniederlassung einer inländischen Gesellschaft regelmäßig nicht daran scheitern, dass sich deren alleiniger Geschäftsführer einem Bestellungsverbot ausgesetzt sieht, weil in diesem Fall bereits zuvor die Eintragung der Gesellschaft verweigert worden wäre. Eine Schlechterstellung der ausländischen Gesellschaft kann hierin dennoch nicht gesehen werden, weil es in beiden Fällen jedenfalls nicht zur Eintragung der Zweigniederlassung kommt.

Zwingende Gründe des Allgemeininteresses sind primärrechtlich weder geregelt noch begrenzt. Die Mitgliedstaaten besitzen insoweit einen gewissen Spielraum, um Schutzanliegen zu definieren. Dabei sind als zwingende Gründe des Allgemeininteresses unter anderem die gewerberechtliche Zuverlässigkeit, der Gläubigerund Minderheitenschutz, der Verbraucherschutz, aber auch die Lauterkeit des Handelsverkehrs anerkannt28. Diese beachtlichen Gründe des Allgemeininteresses werden in zulässiger Weise durchgesetzt, wenn durch die Verweigerung der Eintragung der Zweigniederlassung im Fall eines bestehenden Bestellungshindernisses des Geschäftsführers der ausländischen Gesellschaft vermieden wird, dass dieser im Widerspruch zu einer bestandskräftigen bzw. vollziehbaren Gewerbeuntersagung offiziell als Unternehmensverantwortlicher auf dem inländischen Markt tätig werden darf.

Die Verweigerung der Eintragung bei bestehendem Bestellungshindernis ist insbesondere zur Wahrung des Gläubigerschutzes und der Einheit der inländischen Rechtsordnung geeignet, da der Beteiligten und damit deren alleinverantwortlichem director ohne die Eintragung im Handelsregister ein geschäftliches Tätigwerden im Inland zumindest erschwert wird.

Die Verweigerung der Eintragung der Zweigniederlassung bei bestehendem Bestellungshindernis des anmeldenden Geschäftsführers geht auch nicht über das hinaus, was zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist.

Dem kann nicht das sog. Informationsmodell des Europäischen Gerichtshofs entgegengehalten werden29, nach dem bereits der ausländische Gesellschaftszusatz ausreichen soll, um einen potentiellen Gläubiger zur Einholung weitergehender Informationen zu veranlassen. Dieses Informationsmodell würde bei Eintragung eines directors trotz eines in seiner Person bestehenden Bestellungshindernisses versagen, weil die Eintragung bei demjenigen, der Einsicht in das Handelsregister nimmt, gerade keinen weiteren Informationsbedarf, sondern sogar den gegenteiligen Eindruck hervorrufen würde, dass es mit dem eingetragenen director auch in Bezug auf seine persönliche Zuverlässigkeit alles seine Richtigkeit habe.

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Der Erforderlichkeit der genannten Maßnahme steht ferner nicht entgegen, dass auch nach englischem Recht gegen einen unzuverlässigen Geschäftsführer vorgegangen werden könnte. Da sich das deutsche Registerrecht nicht eigenständig auf etwaige englische öffentlichrechtliche Maßnahmen stützen kann, könnte es allenfalls eine Anregung an die englischen Behörden weiterleiten, die ein inländisches Fehlverhalten eines Geschäftsführers auch zur Grundlage einer dortigen Ahndung machen könnten. Dieser alternative Weg würde für die Gesellschaft aber kein milderes Mittel gegenüber einer Versagung der Eintragung der Zweigniederlassung darstellen, da im Falle einer Maßnahme einer englischen Behörde oder eines englischen Gerichts der director nicht nur im Inland, sondern zusätzlich auch noch im Gründungsstaat „inhabil“ wäre, was eine nicht nur auf die inländische Zweigniederlassung begrenzte, sondern die gesamte Gesellschaft umfassende Handlungsunfähigkeit zur Folge hätte.

Schließlich hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Centros Ltd., der zufolge selbst die Bekämpfung von Betrügereien es nicht rechtfertigt, die Eintragung einer Zweigniederlassung einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaft zu verweigern30, der Rechtsfertigung der Eintragungsverweigerung dann nicht entgegensteht, wenn das Registergericht Kenntnis von einem bestehenden inländischen Gewerbeverbot hat. In diesem besonderen Fall wäre nach einer Eintragung der Zweigniederlassung im Handelsregister von vorneherein absehbar, dass die Ordnungsbehörde gegenüber dem director das erlassene und bestandskräftige inländische Gewerbeverbot durchzusetzen hätte, wodurch die Zweigniederlassung sogar handlungsunfähig würde. Denn unabhängig davon, was handelsregisterrechtlich gälte, würden zumindest die öffentlichrechtlichen Instrumentarien zur Unterbindung der Tätigkeit unzuverlässiger Gewerbetreibender eingreifen.

Der Bundesgerichtshof hat allerdings Zweifel, ob sich diese Erwägungen auch auf das Verlangen nach einer Versicherung der Geschäftsführer von Gesellschaften mit Sitz in einem Mitgliedstaat über das Nichtvorliegen von Bestellungshindernissen nach deutschem Recht und über die Belehrung betreffend ihre diesbezügliche unbeschränkte Auskunftspflicht gemäß § 13g Abs. 1, Abs. 2 HGB i.V.m. § 8 Abs. 3 GmbHG übertragen lassen.

Zwar wird § 13g Abs. 1, Abs. 2 HGB i.V.m. § 8 Abs. 3 GmbHG nichtdiskriminierend abgewandt, da die Geschäftsführer inländischer Gesellschaften gleichermaßen zur Abgabe einer solchen Versicherung verpflichtet sind (§ 8 Abs. 3 GmbHG). Die Regelung dient auch zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, nämlich dem Gläubigerschutz und dem Schutz der Lauterkeit des Handelsverkehrs vor ungeeigneten Vertretern einer Gesellschaft, da das Anmeldungsund Prüfungsverfahren für das Registergericht durch die Abgabe der Versicherungen erleichtert wird, indem die ansonsten erforderlichen eigenen Recherchen des Gerichts zu etwa bestehenden Bestellungshindernissen entbehrlich gemacht werden.

Die Regelung könnte jedoch über das zur Erreichung der genannten Ziele Erforderliche hinausgehen, weil die Geschäftsführer der ausländischen Gesellschaft damit einer sogar strafbewehrten (§ 82 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG) Erklärungspflicht unterworfen werden. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass von den Regelungen der § 13g Abs. 2 Satz 2, § 13e Abs. 3 Satz 2 HGB auch sämtliche ausländische Gesellschaften erfasst werden, die im Ausland mit ausländischem Führungspersonal gegründet werden und dort auch eine tatsächliche Hauptniederlassung unterhalten. Nachhaltige Kenntnisse der inländischen Rechtslage in Bezug auf Bestellungshindernisse von Geschäftsführern inländischer Gesellschaften können bei diesem Personenkreis nicht vorausgesetzt werden, so dass ausländischen, mit dem Recht des Gründungsstaates vertrauten Geschäftsführern schon faktisch eine wahrheitsgemäße Versicherung nur erschwert möglich sein dürfte. Zudem müsste im Einzelfall von dem ausländischen Geschäftsführer geprüft werden, ob Umstände, die nach der dortigen Rechtsordnung seiner Bestellung zum Geschäftsführer nicht entgegenstanden, trotzdem zu einem Bestellungsverbot nach deutschem Recht führen könnten31. So ist auch der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Zweigniederlassungsrichtlinie im Jahr 1992/1993 noch davon ausgegangen, dass die Vorschrift des § 8 Abs. 3 GmbHG für Geschäftsführer ausländischer Gesellschaften nicht passend sei, und hat deswegen damals bewusst von einer Erstreckung dieser Versicherungspflicht auf ausländische Gesellschaften abgesehen32.

Darüber hinaus spricht insbesondere die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Centros Ltd.33 gegen eine Rechtfertigung. Anders als in dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.05.200727 zugrundeliegenden besonderen Fall, in dem bekannt war, dass gegen den Geschäftsführer ein bestandskräftiges Gewerbeverbot vorlag, steht hier weder fest, dass in der Person des directors der Beteiligten ein Bestellungshindernis nach deutschem Recht besteht, noch liegen Anhaltspunkte dafür vor. Damit ist auch nicht davon auszugehen, dass bei Eintragung der Zweigniederlassung eine ordnungsbehördliche, von den handelsrechtlichen Regelungen unabhängige, Unterbindung der Tätigkeit des directors der Beteiligten bereits absehbar wäre. Die Verpflichtung zur Abgabe der Versicherung gemäß § 8 Abs. 3 GmbHG soll im vorliegenden Fall daher allein vorbeugend sicherstellen, dass auf dem Wege der Zweigniederlassung inländische Bestellungshindernisse nicht umgangen und Personen, die nicht die Eignung für eine ordnungsgemäße Wahrnehmung geschäftlicher Belange aufweisen, als Vertreter der Gesellschaft nicht im Inland tätig werden. Sie dient damit (nur) der vorbeugenden Bekämpfung von möglichen Missbräuchen der Niederlassungsfreiheit und von Betrügereien durch nach inländischem Recht ungeeignete Vertreter der Gesellschaft. Das vermag jedoch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Centros Ltd. keine Verweigerung der Eintragung der Zweigniederlassungsanmeldung zu rechtfertigen.

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Da sowohl die Auslegung der Gesellschaftsrechtsrichtlinie als auch die Frage der Rechtfertigung der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nicht offenkundig ist, ist auch hierzu eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 1, Abs. 3 AEUV geboten.

Für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde bedarf es einer Entscheidung beider Vorlagefragen, da im Rechtsbeschwerdeverfahren gegen eine Zwischenverfügung sämtliche Beanstandungen des Registergerichts zu klären sind.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. Mai 2019 – II ZB 25/17

  1. Richtlinie (EU) 2017/1132 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.06.2017 über bestimmte Aspekte des Gesellschaftsrechts, ABl. L 169 vom 30.06.2017, S. 46[]
  2. vgl. BGH, Beschluss vom 07.05.2005 – II ZB 7/06, BGHZ 172, 200 Rn. 6, 12 mwN[]
  3. vgl. BGH, Beschluss vom 04.07.2013 – V ZB 197/12, BGHZ 198, 14 Rn. 13 ff.[]
  4. vgl. BGH, Beschluss vom 06.07.1983 IVb ZB 842/81, NJW 1983, 2243, 2244; Beschluss vom 17.02.1993 XII ZB 134/92, NJW 1993, 2241, 2243; Beschluss vom 20.01.2005 – IX ZB 134/04, NJW 2005, 1508, 1509; Keidel/MeyerHolz, FamFG, 19. Aufl., § 74 Rn. 53[]
  5. ABl. L 395 vom 30.12 1989, S. 36; im Folgenden: Zweigniederlassungsrichtline[]
  6. EuGH, Urteil vom 30.09.2003 C167/01, Slg. 2003, I10155 Rn. 69, 70 = ZIP 2003, 1885 Rn. 69, 70 Inspire Art[]
  7. Rehberg in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, § 5 Rn. 85[]
  8. EuGH, Urteil vom 01.06.2006 C453/04, Slg. 2006, I4929 Rn. 33 ff. = ZIP 2006, 1293 Rn. 33 ff.[]
  9. EuGH, Urteil vom 01.06.2006 – C-453/04, Slg. 2006, I-4929 Rn. 33 ff. = ZIP 2006, 1293 Rn. 33 ff.[]
  10. in der bis zum 31.12 2006 geltenden Fassung des Gesetzes vom 22.07.1993, BGBl. I S. 1282[]
  11. vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zur Zweigniederlassungsrichtlinie RL 89/666/EWG, BT-Drs. 12/3908, S. 11 linke Spalte[]
  12. vgl. EuGH, Urteil vom 30.09.2003 Rs. C167/01, Slg. 2003, I10155 Rn. 106 = ZIP 2003, 1885 Rn. 106 Inspire Art[]
  13. vgl. BGH, Beschluss vom 17.05.2010 – II ZB 5/10, ZIP 2010, 1337 Rn. 9, 12[]
  14. vgl. Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 8 Rn. 11; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl., § 8 Rn. 16 mwN[]
  15. vgl. OLG München, ZIP 2010, 1494 Rn. 8; Krafka/Kühn, Registerrecht, 10. Aufl., Rn. 963[]
  16. Frage 2a[]
  17. Regierungsentwurf zum Gesetz zur Modernisierung des GmbHRechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen [MoMiG], BT-Drs. 16/6140, S. 49 f.[]
  18. vgl. Belgorodski/Friske, WM 2011, 251, 253; Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl., § 13g Rn. 3; Lamsa/Ammon in Heidel/Schall, HGB, 2. Aufl., § 13g Rn. 7[]
  19. vgl. Rehberg in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften, 2004, § 5 Rn. 85; Koch in Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 13g Rn. 4 i.V.m. § 13f Rn. 7; Roth in Koller/Roth/Morck, HGB, 7. Aufl., § 13f Rn. 2; Oetker/Preuß, HGB, 5. Aufl., § 13g Rn. 13; Bauer/Großerichter, NZG 2008, 253, 256; Wachter, GmbHR 2006, 793, 798 f.[]
  20. EuGH, Urteil vom 30.09.2003 – C-167/01, Slg. 2003, I-10155 Rn. 69, 70 = ZIP 2003, 1885 Rn. 69, 70 Inspire Art[]
  21. EuGH, Urteil vom 30.09.2003 – C-167/01, ZIP 2003, 1885 Rn. 69, 70 Inspire Art[]
  22. vgl. EuGH, Urteil vom 30.09.2003 – C-167/01, Slg. 2003, I-10155 Rn. 106 = ZIP 2003, 1885 Rn. 106 Inspire Art[]
  23. vgl. z.B. EuGH, Urteil vom 30.09.2003 – C-167/01, Slg. 2003, I-10155 Rn. 133 = ZIP 2003, 1885 Rn. 133 Inspire Art[]
  24. Regierungsentwurf zum Gesetz zur Modernisierung des GmbH- Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen [MoMiG], BT-Drs. 16/6140, S. 50[]
  25. siehe etwa Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl., § 13e Rn. 3 und § 13g Rn. 3; Lamsa/Ammon in Heidel/Schall, HGB, 2. Aufl., § 13e Rn. 28 und § 13g Rn. 7; Servatius in Henssler/Strohn, GesR, 4. Aufl., Internationales Gesellschaftsrecht Rn. 68[]
  26. siehe etwa Wachter, GmbHR 2006, 793, 398 f.; Bauer/Großerichter, NZG 2008, 253, 256; Belgorodski/Friske, WM 2011, 251, 253 ff.; MünchKomm-HGB/Krafka, 4. Aufl., § 13e Rn. 11 und § 13g Rn. 4; Pentz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 13e Rn. 38; Oetker/Preuß, HGB, 5. Aufl., § 13g Rn. 13[]
  27. BGH, Beschluss vom 07.05.2007 – II ZB 7/06, BGHZ 172, 200[][]
  28. vgl. EuGH, Urteil vom 30.09.2003 C167/01, Slg. 2003, I10155 Rn. 135, 140 = ZIP 2003, 1885 Rn. 135, 140 Inspire Art[]
  29. EuGH, Urteil vom 30.09.2003 C167/01, Slg. 2003, I10155 Rn. 135 = ZIP 2003, 1885 Rn. 135 Inspire Art[]
  30. EuGH, Urteil vom 09.03.1999 C212/97, Slg. 1999, I1495 ff. = ZIP 1999, 438 Rn. 38[]
  31. vgl. BGH, Beschluss vom 07.05.2007 – II ZB 7/06, BGHZ 172, 200 Rn. 10[]
  32. Begründung des Regierungsentwurfs zur Zweigniederlassungsrichtlinie RL 89/666/EWG, BT-Drs. 12/3908, S. 18 linke Spalte[]
  33. EuGH, Urteil vom 09.03.1999 C212/97, Slg. 1999, I1495 ff. Rn. 38 = ZIP 1999, 438 Rn. 38[]

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