Die Postbankübernahme durch die Deutsche Bank – oder: auf zur nächsten Runde

Die Verfahren um die Übernahme der Deutschen Postbank AG durch die Deutsche Bank AG gehen in die nächste Runde. Der Bundesgerichtshof hat – in einem der beiden jetzt entschiedenen Fälle bereits zum zweiten Mal – die Berufungsurteile des Oberlandesgerichts Köln aufgehoben und die Verfahren zurück an das Oberlandesgericht verwiesen.

Die Postbankübernahme durch die Deutsche Bank – oder: auf zur nächsten Runde

In den beiden Verfahren haben jeweils ehemalige Aktionäre der Postbank geklagt. Die beklagte Deutsche Bank AG veröffentlichte am 7. Oktober 2010 ein (freiwilliges) Übernahmeangebot nach § 29 Abs. 1 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG) zum Preis von 25 € je Aktie, das die hier klagenden seinerzeitigen Postbankaktionäre annahmen. Diese sind der Auffassung, dass die Deutsche Bank AG 57,25 € je Aktie als angemessene Gegenleistung hätte anbieten müssen und verlangen Zahlung des Differenzbetrags.

Die Deutsche Bank AG schloss am 12. September 2008 mit der Deutschen Post AG einen Vertrag („Ursprungsvertrag“) über den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an der Postbank von 29,75 % zum Preis von 57,25 € pro Aktie. Zusätzlich wurden wechselseitige Optionen über Aktienpakete in Höhe von 18 % (Erwerbsoption zu 55 € je Aktie) bzw. 20,25 % plus einer Aktie (Veräußerungsoption zu 42,80 € je Aktie) vereinbart. Nachdem die Deutsche Bank AG und die Deutsche Post AG Ende Dezember 2008 aufgrund veränderter Marktbedingungen zunächst vereinbart hatten, den Vollzug der ursprünglichen Erwerbsvereinbarung zu verschieben, schlossen sie am 14. Januar 2009 eine Nachtragsvereinbarung, nach der der Erwerb der Postbank in drei Schritten erfolgen sollte: Zunächst sollte die Deutsche Bank AG 50 Mio. Aktien (22,9 % des Grundkapitals der Postbank) zum Preis von 23,92 € je Aktie erwerben. Sodann 60 Mio. Aktien (27,4 % des Grundkapitals) über eine Pflichtumtauschanleihe mit Fälligkeit zum 25. Februar 2012 zum Preis von 45,45 € je Aktie und schließlich 26.417.432 Aktien (12,1 % des Grundkapitals) aufgrund von wechselseitigen Optionen (48,85 € je Aktie für die Erwerbsoption und 49,42 € je Aktie für die Verkaufsoption). Die Optionen sollten zwischen dem 28. Februar 2012 und dem 25. Februar 2013 ausgeübt werden können. Die Deutsche Post AG verpfändete im Dezember 2008 und Januar 2009 Aktien der Postbank an die Deutsche Bank AG, um deren Ansprüche aus den getroffenen Vereinbarungen und einer von der Deutschen Bank geleisteten Sicherheit in Höhe von 3,1 Mrd. € zu sichern. 

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Die Postbank-Aktionäre sind der Ansicht, die Deutsche Bank AG hätte schon aufgrund des Ursprungsvertrags ein Pflichtangebot zu einem Preis von 57,25 € pro Aktie veröffentlichen müssen, weil dieser Vertrag zu einem Kontrollerwerb der Deutschen Bank gemäß § 29 Abs. 2 WpÜG geführt habe.

  • In dem ersten der beiden Verfahren1 hat das erstinstanzlich hiermit befasste Landgericht Köln die Klage abgewiesen2, das Oberlandesgericht Köln die Berufungen der Postbankaktionäre zurückgewiesen3. Auf die Revision der Aktinärin hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil des Oberlandesgerichts Köln aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen4. Das Oberlandesgericht Köln hat nach einer Beweiserhebung die Berufung der Aktinärin erneut zurückgewiesen5.
  • In dem zweiten Verfahren6 hatten die Postbank-Aktionäre mit ihren Klagen erstinstanzlich vor dem Landgericht Köln7 zunächst ganz überwiegend Erfolg. Auf die Berufung der Deutschen Bank hat das Oberlandesgericht Köln die Klagen abgewiesen8.

Mit ihren vom Oberlandesgericht Köln in den Berufungsurteilen zugelassenen Revisionen verfolgen die Postbank-Aktionäre ihr Klagebegehren weiter und hatten vor dem Bundesgerichtshof nun zunächst Erfolg; der Bundesgerichtshof hat die Berufungsurteile aufgehoben und die Sachen an das Oberlandesgericht Köln zurückverwiesen:

Die Postbank-Aktionäre können einen Anspruch auf weitere Zahlung haben, wenn die Deutsche Bank AG bereits auf Grund der zwischen dem 12. September 2008 bis Ende Februar 2009 geschlossenen Vereinbarungen verpflichtet gewesen wäre, den Aktionären der Deutschen Postbank AG ein Pflichtangebot nach § 35 Abs. 2 WpÜG zu unterbreiten. Dafür kommt es darauf an, ob die Deutsche Bank AG die Schwelle von mindestens 30 % der Stimmrechte an der Postbank aufgrund der Zurechnung von Stimmrechten aus den von der Deutschen Post AG gehaltenen Aktien gemäß § 30 WpÜG überschritt. Die den Berufungsurteilen zu Grunde liegende Beurteilung, dass die Voraussetzungen für eine Zurechnung von Stimmrechten nicht vorliegen, hält in einigen Punkten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

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Soweit die Vereinbarungen Regelungen zur Ausübung der Stimmrechte aus den Aktien durch die Deutsche Post AG bis zum Vollzug der Transaktionen (sog. Interessenschutzklauseln) enthielten, kommt es für die Zurechnung wegen einer Verhaltensabstimmung durch eine Verständigung über die Ausübung von Stimmrechten (§ 30 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 Fall 1, Satz 2 Fall 1 WpÜG) nicht darauf an, ob eine Interessenschutzklausel darauf gerichtet ist, die bestehenden Verhältnisse bei der Zielgesellschaft im Zeitraum zwischen dem Abschluss und dem Vollzug eines Kaufvertrags über Aktien der Zielgesellschaft aufrechtzuerhalten und/oder diese keine über die allgemeine Leistungstreuepflicht hinausgehende Absprache oder tatsächliche Einflussnahme vorsieht. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Regelungen auf eine tatsächliche und konkrete Einflussnahme bei der Zielgesellschaft gerichtet waren. Diese Voraussetzung lag nach den getroffenen Feststellungen hinsichtlich des jeweils ersten Teils der Transaktion, den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung, nicht vor. Ob eine Zurechnung unter diesem Gesichtspunkt auch in einer Gesamtschau der vorgelegten Verträge zu verneinen ist, kann aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Soweit sich in diesem Zusammenhang Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts, namentlich der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 betreffend Übernahmeangebote stellen, hat der Senat von einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union abgesehen, weil im jetzigen Verfahrensstadium nicht abzusehen ist, dass es für die Entscheidung des Rechtsstreits auf eine Antwort des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts ankommen wird.

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Eine Zurechnung von Stimmrechten kommt weiter unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass die Deutsche Post AG die Aktien der Postbank nach den Vereinbarungen bereits für Rechnung der Deutschen Bank gehalten hat (§ 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG). Das Oberlandesgericht Köln hat hierzu rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Voraussetzungen einer Zurechnung nicht vorliegen, weil die Dividendenchance aus den betreffenden Aktien bei der Deutschen Post AG verblieben sei. Die gebotene Gesamtbetrachtung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten spricht unter Berücksichtigung der getroffenen Feststellungen nicht gegen, sondern für den Übergang der Dividendenchance auf die Deutsche Bank AG.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln im zweiten Verfahren6 erwies sich für den Bundesgerichtshof auch nicht deswegen teilweise im Ergebnis als richtig, weil die Ansprüche einiger Postbank-Aktionäre verjährt wären. Der geltend gemachte Anspruch unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren nach §§ 195, 199 BGB. Eine Klageerhebung war den betreffenden Postbank-Aktionären allerdings wegen der rechtlichen Unsicherheiten über das Bestehen eines Anspruchs jedenfalls vor dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. Juli 2014 (BGH, Urteil vom 29.07.2014 – II ZR 353/12, BGHZ 202, 180) nicht zumutbar.

Bundesgerichtshof, Urteile vom 13. Dezember 2022 – II ZR 9/21 und II ZR 14/21

  1. BGH – II ZR 9/21[]
  2. LG Köln, Urteil vom 29.07.2011 – 82 O 28/11[]
  3. OLG Köln, Urteil vom 31.10.2012 – 13 U 166/11[]
  4. BGH, Urteil vom 29.07.2014 – II ZR 353/12[]
  5. OLG Köln, Urteil vom 16.12.2020 – 13 U 166/11[]
  6. BGH – II ZR 14/21[][]
  7. LG Köln, Urteil vom 20.10.2017 – 82 O 11/15[]
  8. OLG Köln, Urteil vom 16.12.2020 – 13 U 231/17[]
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