Die vom Geschäftsführer missbrauchte Vertretungsmacht – und die konkludente Genehmigung des Rechtsgeschäfts

Ein unter Missbrauch der Vertretungsmacht abgeschlossenes Rechtsgeschäft kann in entsprechender Anwendung des § 177 Abs. 1 BGB genehmigt werden1.

Die vom Geschäftsführer missbrauchte Vertretungsmacht – und die konkludente Genehmigung des Rechtsgeschäfts

Dies gilt auch bei organschaftlicher Vertretung2.

Missachtet ein Geschäftsführer einen Zustimmungsvorbehalt, ist die Person bzw. das Gremium zur Erteilung der Genehmigung befugt, in dessen Kompetenz die übergangene Zustimmung fällt3. Die gemäß § 184 Abs. 1 BGB ex tunc wirkende Genehmigung kann auch konkludent erteilt werden4.

Ob konkludent genehmigt wurde, ist durch eine im Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüfbare Auslegung der Umstände zu ermitteln5.

Eine Genehmigung schwebend unwirksamer Geschäfte durch schlüssiges Verhalten setzt allerdings regelmäßig voraus, dass der Genehmigende die Unwirksamkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und in seinem Verhalten der Ausdruck des Willens zu sehen ist, das bisher als unverbindlich angesehene Geschäft verbindlich werden zu lassen6. Entgegen der Auffassung der Revision weicht das Berufungsgericht von dieser Rechtsprechung nicht ab, wenn es ausführt, der Liquidationsbeschluss habe zwingend die Wirksamkeit des Kauf- und Übertragungsvertrags vorausgesetzt und dies sei den Beteiligten bekannt gewesen. Die von der Revision in diesem Zusammenhang erhobenen Verfahrensrügen hat der Bundesgerichtshof geprüft und nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird abgesehen (§ 564 ZPO).

Ein Genehmigungsbewusstsein ist nicht stets erforderlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine, auch schlüssige, Willenserklärung trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung oder sein Verhalten nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat7. Das gilt auch für eine nach § 185 BGB erforderliche Einwilligung oder Genehmigung8.

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Die nicht unterzeichnete Vertragsurkunde

Es ist anerkannt, dass eine Zustimmung durch schlüssiges Handeln in der Regel dann anzunehmen ist, wenn der Zustimmungsberechtigte das Rechtsgeschäft als gültig behandelt9.

In dem Umstand, dass die Gesellschaft seit Abschluss des Vertrages, hier mithin seit über zwanzig Jahren, den Druckvertrag mit der Vertragspartnerin durchführt, diesen entsprechend abrechnet und dies in ihren Jahresabschlüssen ausweist, durfte das Gericht daher jedenfalls eine schlüssige Genehmigung der Übertragung der Rechte und Pflichten aus dem Druckvertrag sehen.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. Februar 2022 – II ZR 235/20

  1. BGH, Urteil vom 06.05.1999 – VII ZR 132/97, BGHZ 141, 357, 364; Beschluss vom 20.06.2007 – IV ZR 288/06, MittBayNot 2008, 67 Rn. 5; Urteil vom 18.10.2017 – I ZR 6/16, ZIP 2018, 214 Rn. 24 media control[]
  2. BGH, Beschluss vom 20.06.2007 – IV ZR 288/06, MittBayNot 2008, 67 Rn. 4; Urteil vom 18.10.2017 – I ZR 6/16, ZIP 2018, 214 Rn. 24 media control[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 30.03.1953 – IV ZR 176/52, GRUR 1953, 446, 447; Urteil vom 19.12.1988 – II ZR 74/88, ZIP 1989, 294, 295; Urteil vom 29.11.2004 – II ZR 364/02, ZIP 2005, 348 Rn. 16[]
  4. BGH, Urteil vom 02.04.2004 – V ZR 107/03, NJW 2004, 2382, 2383; Urteil vom 17.11.2014 – I ZR 97/13, GRUR 2015, 187 Rn. 22, 34 f.; Urteil vom 25.03.2015 – VIII ZR 125/14, NJW 2015, 2584 Rn. 49; Urteil vom 09.01.2018 – XI ZR 17/15, BGHZ 217, 178 Rn. 53; Urteil vom 15.04.2021 – III ZR 139/20, BGHZ 229, 299 Rn. 25[]
  5. BGH, Urteil vom 07.11.2001 – VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129, 134; Urteil vom 15.04.2021 – III ZR 139/20, BGHZ 229, 299 Rn. 25[]
  6. BGH, Urteil vom 16.09.2003 – XI ZR 74/02, BKR 2003, 942, 944; Urteil vom 29.11.2004 – II ZR 364/02, ZIP 2005, 348 Rn. 14; Urteil vom 22.02.2005 – XI ZR 41/04, NJW 2005, 1488, 1490; Urteil vom 17.11.2014 – I ZR 97/13, GRUR 2015, 187 Rn. 36; Urteil vom 14.01.2016 – III ZR 107/15, NJW 2016, 3027 Rn. 29; Urteil vom 09.01.2018 – XI ZR 17/15, BGHZ 217, 178 Rn. 53; offengelassen BGH, Urteil vom 19.12.1988 – II ZR 74/88, ZIP 1989, 294, 295[]
  7. BGH, Urteil vom 07.06.1984 – IX ZR 66/83, BGHZ 91, 324; Urteil vom 02.11.1989 – IX ZR 197/88, BGHZ 109, 171, 177; Urteil vom 07.11.2001 – VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129, 136; Urteil vom 14.05.2002 – XI ZR 155/01, WM 2002, 1273, 1275; Urteil vom 16.09.2003 – XI ZR 74/02, BKR 2003, 942, 944 f.; Urteil vom 16.12.2009 XII ZR 146/07, BGHZ 184, 35 Rn.19; Urteil vom 17.11.2014 – I ZR 97/13, GRUR 2015, 187 Rn. 36[]
  8. BGH, Urteil vom 02.11.1989 – IX ZR 197/88, BGHZ 109, 171, 178[]
  9. BGH, Urteil vom 15.05.1990 – X ZR 82/88, NJW-RR 1990, 1251, 1252; Grüneberg/Ellenberger, BGB, 81. Aufl., § 182 Rn. 3; Maier-Reimer/Finkenauer in Erman, BGB, 16. Aufl., § 182 Rn. 11; MünchKomm-BGB/Bayreuther, 9. Aufl., § 182 Rn. 15[]
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Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen den Nachtragsliquidator

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