Die vorvertragliche Aufklärungspflicht der Treuhandkommanditistin – und die Haftung der Erwerberin

Der Erwerber eines Kommanditanteils haftet nicht für eine vorvertragliche Aufklärungspflichtverletzung des Veräußerers, die diesem von einem Anleger zur Last gelegt wird.

Die vorvertragliche Aufklärungspflicht der Treuhandkommanditistin – und die Haftung der Erwerberin

Der Gesellschafter einer Personengesellschaft kann seinen Gesellschaftsanteil mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter auf einen Mitgesellschafter oder auf eine dritte Person durch Verfügungsgeschäft (§ 413 BGB) mit der Wirkung übertragen, dass der Erwerber, wenn nichts anderes geregelt ist, ohne weiteres in die Rechtsstellung eintritt, die bis dahin der Veräußerer innehatte1. Diese Rechtsstellung – Gesellschaftsanteil oder Mitgliedschaft – ist der Inbegriff der Rechtsbeziehungen des Altgesellschafters aus dem Gesellschaftsverhältnis zu der Gesellschaft, zu deren Vermögen und zu den übrigen Gesellschaftern2. Insbesondere haftet ein neu in eine Kommanditgesellschaft eintretender Kommanditist, wozu auch der Anteilserwerber zählt3, auch für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach § 173 HGB.

Mit der Übernahme der Rechtsstellung des Altgesellschafters können den Neugesellschafter auch Verbindlichkeiten des Altgesellschafters gegenüber der Gesellschaft oder gegenüber Mitgesellschaftern aus dem Gesellschaftsverhältnis4, nicht aber sonstige Verbindlichkeiten des Altgesellschafters treffen.

Um eine sonstige Verbindlichkeit eines Altgesellschafters handelt es sich in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Streitfall. Die ursprüngliche Treuhandkommaditistin war dem Anleger gegenüber als nicht nur kapitalistisch beigetretene Altgesellschafterin und mithin Vertragspartnerin des Aufnahmevertrags vorvertraglich zur Aufklärung verpflichtet und bei Verletzung dieser Pflicht schadensersatzpflichtig (§ 280 Abs. 1 und 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB)5. Diese Schadensersatzverpflichtung trifft aber nur den Altgesellschafter, nicht auch die Gesellschaft, weil die fehlerhafte Aufklärung der Gesellschaft nicht zugerechnet werden kann6. Sie trifft ihn zwar in seiner Eigenschaft als aufklärungspflichtigen Altgesellschafter, aber nicht aus dem Gesellschaftsverhältnis gegenüber der Gesellschaft oder Mitgesellschaftern.

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Die Erwerberin haftet im vorliegenden Fall für die Aufklärungspflichtverletzung der ursprünglichen Treuhandkommanditistin weder aus Schuld- noch aus Vertragsübernahme. Der Anleger hat nicht vorgetragen, dass die Erwerberin die Schadensersatzverpflichtung der ursprünglichen Treuhandkommanditistin ihm gegenüber übernommen hat (§ 414 BGB). Seinem Vortrag lässt sich auch nicht entnehmen, dass die ursprüngliche Treuhandkommanditistin und die Erwerberin eine solche Schuldübernahme vereinbart haben (§ 415 BGB). Ferner wäre auch eine Vertragsübernahme, die der Zustimmung aller Beteiligter bedarf7, nur im Einvernehmen mit der Erwerberin möglich gewesen. Aus der Übernahme der Treuhandaufgaben der ursprünglichen Treuhandkommanditistin durch die Erwerberin ergibt sich indes nicht, dass diese damit zugleich den Aufnahmevertrag oder eine mit seinem Abschluss begründete Schadensersatzverpflichtung übernehmen wollte.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. September 2020 – II ZR 20/19

  1. BGH, Urteil vom 29.06.1981 – II ZR 142/80, BGHZ 81, 82, 84[]
  2. BGH, Urteil vom 14.05.1986 – IVa ZR 155/84, BGHZ 98, 48, 50[]
  3. vgl. BGH, Urteil vom 26.03.2019 – II ZR 413/18, ZIP 2019, 1142 Rn.19[]
  4. vgl. BGH, Urteil vom 25.04.1966 – II ZR 120/64, BGHZ 45, 221, 222[]
  5. vgl. BGH, Urteil vom 17.04.2018 – II ZR 265/16, ZIP 2018, 1130 Rn. 17 mwN[]
  6. vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 354/02, ZIP 2004, 1706, 1707; Urteil vom 06.02.2018 – II ZR 17/17, ZIP 2018, 826 Rn. 18[]
  7. BGH, Urteil vom 30.01.2013 – XII ZR 38/12, NJW 2013, 1083 Rn.19 mwN[]
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