Die Haftung des Beklagten nach § 64 Satz 1 GmbHG für Zahlungen der insolvenzreifen GmbH an die Bank durch Gutschriften auf dem dort geführten debitorischen Konto entfällt jeweils durch Freiwerden von Sicherheiten der Bank zugunsten der Masse in gleicher Höhe.

Der Einzug von Forderungen einer insolvenzreifen GmbH auf ein debitorisches Konto ist grundsätzlich eine masseschmälernde Zahlung im Sinne von § 64 Satz 1 GmbHG, weil dadurch das Aktivvermögen der Gesellschaft zu Gunsten der Bank geschmälert wird1. Der auf das debitorische Konto eingezahlte Betrag wird aufgrund der Kontokorrentabrede mit dem Sollsaldo bzw. mit dem Kreditrückzahlungsanspruch der Bank verrechnet und damit mit Gesellschaftsmitteln an einen Gläubiger, hier die Bank, gezahlt. Insoweit liegt der Fall im Ergebnis nicht anders als wenn die GmbH mit Barmitteln, die von einem ihrer Schuldner in ihre Kasse gelangt sind, einen Gläubiger durch Barzahlung befriedigt.
Eine masseschmälernde Zahlung scheidet hingegen aus, soweit infolge der Verminderung des Sollsaldos durch die Einziehung und Verrechnung einer Forderung Sicherheiten zugunsten der Masse frei geworden sind.
Die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife gemäß § 64 Satz 1 GmbHG entfällt, soweit die durch die Zahlung verursachte Schmälerung der Masse in einem unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausgeglichen wird2. Wenn eine Zahlung an einen absonderungsberechtigten, durch eine Gesellschaftssicherheit besicherten Gläubiger geleistet wird, liegt ein Aktiventausch vor, soweit infolge der Zahlung die Gesellschaftssicherheit frei wird und der Verwertung zugunsten aller Gläubiger zur Verfügung steht. Bei einem solchen Aktiventausch entfällt im wirtschaftlichen Ergebnis eine masseschädliche Zahlung3. Wegen des nach § 49 InsO bestehenden Rechts des Sicherungsnehmers auf abgesonderte Befriedigung aus der Grundschuld steht die Sicherheit der Gläubigergesamtheit nicht als freie Masse zur gleichmäßigen Befriedigung zur Verfügung4. Übersteigt die Sicherheit den Sollsaldo, bewirkt eine Zahlung an den Sicherungsnehmer einen Aktiventausch, soweit infolge dieses Vorgangs die Sicherheit frei wird und in das zur gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger bestimmte Vermögen der Gesellschaft gelangt. Dies gilt aufgrund der zwischen Gläubiger und Schuldner bestehenden Sicherungsabrede auch für Grundschulden, da durch die Verringerung des Sollsaldos in der Regel ein werthaltiger Freigabeanspruch zur Masse gelangt, der das Absonderungsrecht des Gläubigers beschränkt. Wegen der unmittelbar eintretenden Beschränkung des Absonderungsrechts ist für den Massezufluss unerheblich, dass der Freigabeanspruch selbst nur ein schuldrechtlicher Anspruch ist5.
Dagegen ist es nicht erforderlich, dass der Gegenstand des Massezuflusses auch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch vorhanden ist. Maßgeblich für die Bewertung ist der Zeitpunkt, in dem die Masseverkürzung durch einen Massezufluss ausgeglichen wird, nicht der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung. Die Masseverkürzung ist ausgeglichen und die Haftung des Organs für die masseverkürzende Leistung entfällt, sobald und soweit ein ausgleichender Wert endgültig in das Gesellschaftsvermögen gelangt ist6.
So auch in dem hier vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall: Infolge der Gutschriften auf dem debitorischen Konto der Volksbank wurde nach der zwischen Bank und GmbH getroffenen Sicherungsabrede die Sicherheit in Höhe des Zahlungseinganges zur Verwertung durch die Gläubiger frei. Dass die Kreditlinie im Folgenden durch Zahlungen der Schuldnerin wieder ausgeschöpft wurde, kann zu einem eigenen Erstattungsanspruch gemäß § 64 Satz 1 GmbHG führen7. Der zunächst erfolgte Ausgleich der zuvor erfolgten Masseverkürzung bleibt davon jedoch unberührt.
Auch durch die vom im Haben geführten Konto bei der U. Bank AG auf das debitorische Konto bei der Volksbank getätigten Überweisung liegt insoweit keine erstattungspflichtige Zahlung im Sinne von § 64 Satz 1 GmbHG vor. Es handelt sich vielmehr um einen Aktiventausch, da durch die Zahlung an die Volksbank für diese bestellte Sicherheiten in entsprechender Höhe frei und zugunsten der Masse verwertbar geworden sind, so dass eine Haftung des Beklagten entfällt.
Im übrigen weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass entgegen den Ausführungen der Revision für die Bestimmung eines unmittelbaren Zusammenhangs beim Aktiventausch nicht aus Gründen der Praktikabilität pauschalierend ein Zusammenhang bei einem Zeitraum von maximal 30 Tagen zwischen den Buchungen angenommen werden kann. Der Bundesgerichtshof hat wiederholt ausgeführt, dass der die Erstattungspflicht auslösende Vorgang in der Schmälerung der Masse durch die einzelne Zahlung besteht, weshalb nicht jeder beliebige weitere Massezufluss als Ausgleich dieser Masseschmälerung zu berücksichtigen ist. Vielmehr ist ein unmittelbarer wirtschaftlicher, nicht notwendig zeitlicher Zusammenhang mit der Zahlung erforderlich, damit der Massezufluss der an und für sich erstattungspflichtigen Masseschmälerung zugeordnet werden kann. Auf eine Zuordnung nach wirtschaftlicher Betrachtung zur einzelnen masseschmälernden Zahlung kann nicht verzichtet werden, da der Ersatzanspruch nicht auf Erstattung eines Quotenschadens gerichtet ist8.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Oktober 2020 – II ZR 355/18
- BGH, Urteil vom 23.06.2015 – II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 Rn. 11; Urteil vom 03.06.2014 – II ZR 100/13, ZIP 2014, 1523 Rn. 16; Urteil vom 26.03.2007 – II ZR 310/05, ZIP 2007, 1006 Rn. 12; Urteil vom 29.11.1999 – II ZR 273/98, BGHZ 143, 184, 187 f.; Urteil vom 11.02.2020 – II ZR 427/18, ZIP 2020, 666 Rn. 15[↩]
- BGH, Urteil vom 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rn. 9 mwN[↩]
- BGH, Urteil vom 23.06.2015 – II ZR 366/13, BGHZ 206, 52 Rn. 26; Urteil vom 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rn. 9[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 08.12.2015 – II ZR 68/14, ZIP 2016, 364 Rn. 25[↩]
- aA Casper in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 64 Rn. 113; Casper, ZIP 2016, 793, 801 f.[↩]
- BGH, Urteil vom 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rn. 11 mwN; Urteil vom 04.07.2017 – II ZR 319/15, ZIP 2017, 1619 Rn. 18[↩]
- BGH, Urteil vom 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rn. 11[↩]
- BGH, Urteil vom 18.11.2014 – II ZR 231/13, BGHZ 203, 218 Rn. 10 mwN; Urteil vom 04.07.2017 – II ZR 319/15, ZIP 2017, 1619 Rn. 11; Urteil vom 11.02.2020 – II ZR 427/18, ZIP 2020, 666 Rn. 32[↩]