Das Stehenlassen der Gesellschafterleistung, das zur Umqualifizierung in Eigenkapital führt, ist in der Insolvenz des Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft als unentgeltliche Leistung anfechtbar.

Der Insolvenzverwalter über das Vermögen eines Gesellschafters muss, so der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung, bei der Anmeldung von Forderungen in der Insolvenz der Gesellschaft die Anfechtbarkeit des der Forderung entgegengehaltenen Eigenkapitalersatzeinwands nicht schon innerhalb der Anfechtungsfrist geltend machen.
Das Stehenlassen der Gesellschafterleistungen, das zur Umqualifizierung der Leistungen in Eigenkapitalersatz geführt hat, ist gemäß § 134 InsO anfechtbar. Unterlässt der Schuldner lediglich einen möglichen Erwerb, so ist dieses Unterlassen nicht anfechtbar, weil es nicht zu einer Minderung des Schuldnervermögens führt, sondern lediglich dessen Mehrung verhindert1. Ein solcher Fall liegt Bei der Umqualifizierung einer Gesellschafterleistung als eigenkapitalersetzend allerdings nicht vor. Es geht vielmehr darum, dass der Gesellschafter als Gläubiger die Durchsetzbarkeit seiner bestehenden Forderungen und damit ihren wirtschaftlichen Wert verliert. Er unterlässt nicht lediglich einen Erwerb oder eine Vermehrung seines Vermögens, sein Vermögen wird vielmehr gemindert, ebenso, wie wenn er eine neue Leistung, etwa ein Darlehen, an die Gesellschaft erbringen würde, das sofort eigenkapitalersetzend würde.
Bei einer Leistung, die der Gesellschafter an die Gesellschaft erbringt und die sofort nach Eingang bei der Gesellschaft eigenkapitalersetzend wird, kann die Anfechtbarkeit nach § 134 InsO nicht zweifelhaft sein. Eine Leistung des Gesellschafters liegt hier zweifelsfrei vor. Sie ist auch unentgeltlich. Unentgeltlichkeit im Sinne des § 134 InsO ist gegeben, wenn der Anfechtungsgegner als Empfänger der Leistung für sie vereinbarungsgemäß keine ausgleichende Gegenleistung – sei es an den Schuldner, sei es an einen Dritten – zu erbringen hat. Hierüber entscheidet grundsätzlich das objektive Verhältnis der ausgetauschten Werte2. Der durch die Überlassung eigenkapitalersetzender Mittel bewirkte Rangrücktritt des Anspruchs auf Rückzahlung, der in der Insolvenz in aller Regel dessen wirtschaftliche Wertlosigkeit zur Folge hat, wird ohne ausgleichende Gegenleistung der Gesellschaft gewährt. Hierdurch werden die Gläubiger des Gesellschafters objektiv zumindest mittelbar benachteiligt.
Ob das Stehenlassen der Gesellschafterleistung, das zur Umqualifizierung der Leistung in Eigenkapital führt, anfechtbar ist, ist streitig. Während die überwiegende Meinung die Anfechtbarkeit bejaht3, verneint sie eine Mindermeinung4. Die herrschende Meinung ist jedoch nach Ansicht des BGH zutreffend:
Soweit Leistungen des Gesellschafters an die Gesellschaft zunächst nicht eigenkapitalersetzend sind, können sie durch Stehenlassen oder Nichtbeitreibung eigenkapitalersetzend werden. Das darin liegende Unterlassen steht gemäß § 129 Abs. 2 InsO einer Rechtshandlung im anfechtungsrechtlichen Sinne gleich, vorausgesetzt, es geschieht wissentlich und willentlich5.
Das Unterlassen muss außerdem dazu geführt haben, dass der Empfänger die durch die Rechtshandlung des Schuldners begründete Vermögensmehrung, die die Masse benachteiligt, behalten konnte6. Die Vornahme der dem Gesellschafter möglichen und von ihm bewusst vermiedenen Rechtshandlung (im vom BGH entschiedenen Fall das Beitreiben der Forderung gegen die GmbH) muss also dazu geführt haben, dass die Gesellschaft die Leistung behalten darf. Dieses Unterlassen ist der aktiven Zuführung eigenkapitalersetzender Mittel zu einem Zeitpunkt, in dem sich die Gesellschaft in einer Krise im Sinne des Eigenkapitalersatzrechts befindet, gleichzusetzen.
Allerdings widerspräche es im Allgemeinen der Wertung des Gesetzes, wenn der Gesellschafter die ihm zum Schutze der Gläubiger der Gesellschaft in Form einer Durchsetzungssperre auferlegte Verantwortung für die von seinen Maßnahmen ausgelösten negativen Finanzierungsfolgen abschütteln könnte. Das hieraus abgeleitete Argument, dies könne auch in der Insolvenz des Gesellschafters nicht anders sein7, trifft indessen nach Ansicht des BGH nicht zu. Bei der Doppelinsolvenz der Gesellschaft und des Gesellschafters sind die Belange der Gläubiger sowohl der Gesellschaft als auch des Gesellschafters zu berücksichtigen. Würde man der Durchsetzungssperre des Eigenkapitalersatzrechtes auch hier den Vorrang einräumen, würde dies die uneingeschränkte Bevorzugung der Gläubiger der Gesellschaft vor den Gläubigern des Gesellschafters bedeuten. Diese hätten hinzunehmen, dass der Gesellschafter an die Gesellschaft in deren Krise und damit zugunsten ihrer Gläubiger unentgeltliche Leistungen erbringt und die eigene Vermögensmasse zu ihrem Nachteil schmälert. Hierfür gibt es keine Rechtfertigung. Die Masse der Gesellschaft würde zum Nachteil der Masse des Gesellschafters unzulässig begünstigt. Da die Gesellschaft das Risiko tragen muss, dass der Gesellschafter insolvent wird und kein (weiteres) Eigenkapital für die Gesellschaft mehr aufbringen kann, ist es nur folgerichtig, dass das Stehenlassen einer Gesellschafterleistung, wodurch diese eigenkapitalersetzend wird, als anfechtbare Leistung zurückgewährt wird8.
Auch der Grundsatz der Kapitalerhaltung steht dem Rückgewähranspruch aufgrund der Anfechtungsvorschriften nicht entgegen9. Für die Durchsetzungssperre aufgrund der Vorschriften des Kapitalersatzrechts kann nichts anderes gelten.
Wendet der Anspruchsgegner ein, der Durchsetzung der geltend gemachten vertraglichen Ansprüche stehe der Eigenkapitalersatzeinwand entgegen, muss der Insolvenzverwalter diesem Einwand nicht dadurch begegnen, dass er die Anfechtbarkeit des Stehenlassens bereits in unverjährter Zeit gerichtlich geltend macht. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Insolvenzverwalter nicht von vorneherein wissen kann und muss, ob ein solcher Einwand überhaupt erhoben wird. Wäre er gezwungen, schon innerhalb der Insolvenzanfechtungsfrist die Anfechtung zu erklären, müsste er zunächst selbst den – möglichen – Einwand des Beklagten ermitteln und vortragen, um diesen sodann in unverjährter Zeit wieder ausräumen zu können. Dies würde schon in Widerspruch stehen zur Darlegungs- und Beibringungslast im Zivilprozess.
Erst wenn der Beklagte solche Rechte geltend macht, ist vielmehr der Insolvenzverwalter gehalten, diese substantiiert zu bestreiten und gegebenenfalls die Anfechtung geltend zu machen. § 146 Abs. 1 InsO ist auf diese Anfechtung nicht anwendbar, weil diese Vorschrift nur die Verjährung von hier nicht geltend gemachten Ansprüchen aus einer Anfechtung betrifft10. In dieser Fallkonstellation ist vielmehr § 146 Abs. 2 InsO anwendbar. Der Kläger verfolgt hinsichtlich der Anfechtung des Eigenkapitalersatzeinwandes keinen eigenständigen Anspruch. Er macht die Anfechtung geltend, um den Einwand der Beklagten auszuräumen, der Geltendmachung der angemeldeten Ansprüche stehe der Eigenkapitalersatzeinwand entgegen.
§ 146 Abs. 2 InsO ist, wie schon § 41 Abs. 2 KO, nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ausdehnend auszulegen. Maßgeblich ist, ob der Insolvenzverwalter verteidigungsweise die Rechtsstellung der Insolvenzmasse wahrt. Dabei ist die Parteirolle im konkreten Prozess nicht entscheidend. Maßgeblich ist vielmehr, ob er einen nicht mehr in der Masse befindlichen Gegenstand wieder in diese zurückführen will, oder ob er einen zur Masse gehörenden Gegenstand für diese erhalten will11.
Die Beklagte macht hier das Bestehen des Eigenkapitalersatzeinwandes geltend. Einer Klage der GmbH auf Erbringung von vertraglich vereinbarten unentgeltlichen Zahlungen auf das Eigenkapital könnte der Verwalter auch nach Ablauf der Verjährungsfrist des § 146 Abs. 1 InsO den Einwand des § 146 Abs. 2 InsO, dass die entsprechende vertragliche Leistung und die ihr zugrunde liegende Vereinbarung anfechtbar seien, entgegenhalten. Dann kann die prozessuale Zufälligkeit, dass sich hier der Verwalter wegen der Geltendmachung eines anderen Rechts in der Rolle des Klägers befindet, sein Verweigerungsrecht nicht in Wegfall bringen. Er hat gegen den vom Prozessgegner geltend gemachten Einwand des Eigenkapitalersatzes den Gegeneinwand der Anfechtbarkeit12.
Den Einwand der Anfechtbarkeit hat der Kläger allerdings nicht schon im Anmeldeverfahren, sondern erstmals mit Schriftsatz vom 19. Mai 2005 im Rahmen der Tabellenfeststellungsklage erhoben, die sich allein gegen die Beklagte als bestreitende Gläubigerin wendet. Obwohl Anfechtungsgegner materiell die GmbH bzw. nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen deren Insolvenzverwalter ist, ist der Einwand im Prozess gegen die Beklagte wirksam erhoben worden.
Die Beklagte hatte der Anmeldung der Forderung zur Tabelle gemäß § 178 Abs. 1 InsO widersprochen. Deshalb musste der Kläger die Forderung gemäß § 179 Abs. 1 InsO im Wege der Tabellenfeststellungsklage gegen die Beklagte weiterverfolgen. In einem solchen Fall kann der Einwand des Eigenkapitalersatzes von der beklagten Gläubigerin im Rahmen der Tabellenfeststellungsklage geltend gemacht werden. Dann muss aber im Verhältnis zu diesem Gläubiger auch möglich sein, die Anfechtbarkeit dieses Einwandes geltend zu machen, weil der Kläger andernfalls seiner Rechtsschutzmöglichkeit beraubt wäre.
Der Widerspruch des Schuldners steht der Feststellung der Forderung zur Tabelle nicht entgegen, § 178 Abs. 1 Satz 2 InsO. Im Rahmen des Tabellenfeststellungsverfahrens treten an seine Stelle der Insolvenzverwalter und die Insolvenzgläubiger, die darüber entscheiden, ob eine Feststellung zur Tabelle erfolgt. Insoweit können sie alle Einwendungen geltend machen, die dem Schuldner außerhalb des Insolvenzverfahrens zustehen würden. Funktional werden sie insoweit im Rahmen der Zwecke des Insolvenzverfahrens für den Schuldner tätig. Demgemäß kann der Gläubiger, der die Tabellenfeststellungs-klage betreiben muss, auch alle Gegeneinwendungen geltend machen, die ihm gegenüber dem Schuldner zustünden. Eine gesonderte Anfechtung gegenüber dem Insolvenzverwalter ist nicht erforderlich, weil sich der Kläger hier funktional nur einer Gegeneinrede nach § 146 Abs. 2 InsO bedient.
Dass im vorliegenden Fall auch der Insolvenzverwalter und ein weiterer Gläubiger Widerspruch gegen die angemeldete Forderung des Klägers erhoben haben, ist unerheblich. Diese Widersprüche wären gegebenenfalls ebenfalls im Wege der Tabellenfeststellungsklage zu beseitigen gewesen. Hierauf konnte der Kläger jedoch verzichten, weil sich die Beteiligten darauf geeinigt haben, den Ausgang des vorliegenden Rechtsstreits gegen sich gelten zu lassen. Hätte der Kläger entsprechend den getroffenen Vereinbarungen den Rechtsstreit gegen den Insolvenzverwalter der GmbH zu führen gehabt, unterläge die Zulässigkeit der Gegeneinrede der Anfechtbarkeit gegen einen geltend gemachten Eigenkapitalersatzeinwand ohnehin keinen Bedenken. Durch die hier gewählte Vorgehensweise kann die prozessuale Situation der Klägers hinsichtlich der Geltendmachung des Anfechtungsrechts nicht verschlechtert werden.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 2. April 2009 – IX ZR 236/07
- HmbKomm-InsO/Rogge, 2. Aufl. § 129 Rn. 16; Jaeger/Henckel, InsO § 129 Rn. 24; Nerlich in Nerlich/Römermann, InsO § 129 Rn. 103; MünchKomm-InsO/Kirchhof, InsO 2. Aufl. § 129 Rn. 26; FK-InsO/Dauernheim, 5. Aufl. § 129 Rn. 26[↩]
- BGH, Urteil vom 5. Juni 2008 – IX ZR 17/07, ZIP 2008, 1291, 1292 Rn. 11 mit zahlreichen Nachweisen; HK-InsO/Kreft, 5. Aufl. § 134 Rn. 7[↩]
- Bork in Festschrift Uhlenbruck, 2000, S. 279, 283 ff; HK-InsO/Kreft aaO § 129 Rn. 24; FK-InsO/Dauernheim aaO § 129 Rn. 26; MünchKomm-InsO/Kirchhof aaO § 129 Rn. 25; Ehricke in Kübler/Prütting/Bork, InsO Stand November 2008 § 129 Rn. 54; Johlke/Schröder in v. Gerkan/Hommelhoff, Handbuch des Kapitalersatzrechts 2. Aufl. Rn. 5.109; OLG Hamburg ZIP 1984, 584, 586; ZIP 1987, 977[↩]
- Haas/Dittrich in v. Gerkan/Hommelhoff, Handbuch des Kapitalersatzrechts, aaO Rn. 8.125; Böcker ZInsO 2005, 347[↩]
- BGHZ 162, 143, 154; FK-InsO/Dauernheim, aaO § 129 Rn. 26; HK-InsO/Kreft, aaO § 129 Rn. 24; MünchKomm-InsO/ Kirchhof, aaO § 129 Rn. 24; Hess, InsO § 129 Rn. 23; HmbKomm-InsO/Rogge, aaO § 129 Rn. 15; Jaeger/Henckel, aaO § 129 Rn. 12[↩]
- BGHZ aaO S. 155; HK-InsO/Kreft aaO[↩]
- Haas/Dittrich, aaO Rn. 8.126[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2008 – IX ZR 138/06, ZIP 2008, 2224, 2226 Rn. 17[↩]
- vgl. BGHZ 128, 184, 193 ff zum Anfechtungsgesetz[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 aaO S. 1594 Rn. 24[↩]
- BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 aaO S. 1595 Rn. 28 m.w.N.[↩]
- BGH, Urteil vom 17. Juli 2008 aaO Rn. 29 m.w.N.[↩]