Im Verfahren auf Ermächtigung einer Aktionärsminderheit zur Einberufung einer Hauptversammlung und Ergänzung der Tagesordnung gem. § 122 Abs. 1 bis 3 AktG tritt eine Hauptsacheerledigung ein, wenn die Hauptversammlung entsprechend dem Verlangen gesetzes- und satzungsgemäß einberufen und durchgeführt worden ist. Im unternehmensrechtlichen Verfahren wird ein Rechtsmittel mit der Erledigung der Hauptsache grundsätzlich insgesamt unzulässig, wenn kein Fall des § 62 Abs. 1 FamFG vorliegt oder der Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel nicht in zulässiger Weise auf den Kostenpunkt beschränkt.

Ein bereits eingelegtes Rechtsmittel wird im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit der Erledigung der Hauptsache grundsätzlich insgesamt unzulässig, wenn kein Fall des § 62 Abs. 1 FamFG vorliegt oder der Rechtsmittelführer sein Rechtsmittel nicht in zulässiger Weise auf den Kostenpunkt beschränkt1. Mit der Erledigung entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für das Rechtsmittel. Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit tritt eine Erledigung der Hauptsache ein, wenn der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, das eine Veränderung der Sach- und Rechtslage bewirkt, weggefallen ist, so dass die Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte, da eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen kann2.
Im Verfahren auf Ermächtigung einer Aktionärsminderheit zur Einberufung einer Hauptversammlung und Ergänzung der Tagesordnung gem. § 122 Abs. 1 bis 3 AktG tritt eine Hauptsacheerledigung ein, wenn die Hauptversammlung entsprechend dem Verlangen gesetzes- und satzungsgemäß einberufen und durchgeführt worden ist3. Wenn die Hauptversammlung über die mit der beantragten Ermächtigung gewünschten Beschlussgegenstände abgestimmt hat und ein Abstimmungsergebnis festgestellt ist, ist der Verfahrensgegenstand für das Ermächtigungsverfahren nach § 122 Abs. 3 AktG entfallen. Das Ermächtigungsverfahren dient der Durchsetzung des Minderheitenverlangens nach § 122 Abs. 1 und 2 AktG. Mit der Durchführung der Hauptversammlung und der Beschlussfassung über Ergänzungsanträge ist das Minderheitenverlangen erfüllt. § 122 Abs. 1 und 2 AktG gewährleistet einer Minderheit von Aktionären, dass die Hauptversammlung zusammentritt und sich mit Angelegenheiten befasst, deren Behandlung die Minderheit wünscht. Damit erhält die Minderheit zugleich die Möglichkeit, andere Aktionäre für die von ihr gewünschte Beschlussfassung zu gewinnen und bei einer Ablehnung ihrer Anträge den entsprechenden Beschluss der Hauptversammlung einer gerichtlichen Nachprüfung zu unterziehen4.
Die Rechtmäßigkeit der Ermächtigung ist nach der Beschlussfassung auf einer satzungs- und gesetzesmäßig einberufenen Hauptversammlung ohne Bedeutung. Wegen der Gestaltungswirkung der gerichtlichen Ermächtigung kann die Anfechtung des gefassten Beschlusses nicht darauf gestützt werden, dass die Ermächtigung nicht hätte erteilt werden dürfen; deren Wirksamkeit ist vielmehr im Verfahren nach § 122 Abs. 3 AktG zu überprüfen5. Eine Aufhebung der Ermächtigung im Beschwerdeverfahren oder Rechtsbeschwerdeverfahren nach Beschlussfassung der Hauptversammlung hat aus diesem Grund ebenso wenig wie eine Bestätigung Bedeutung für die Wirksamkeit der gefassten Beschlüsse6.
Das Verfahren ist auch erledigt, wenn über die mit einem Antrag nach § 122 Abs. 2 AktG verlangten Beschlussgegenstände unabhängig von der erteilten Ermächtigung Beschluss gefasst worden ist. Auch dann ist ein Verlangen der Minderheit erfüllt.
Ob mit der Beschlussfassung auf der Hauptversammlung der Ermächtigungsbeschluss des Amtsgerichts vollzogen wurde oder von der aufgrund des Antrags erteilten Ermächtigung Gebrauch gemacht wurde, ist dafür ohne Bedeutung.
Der Eintritt der Erledigung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren zu beachten. Eine Bindung des Rechtsbeschwerdegerichts an die insoweit fehlenden Feststellungen des Beschwerdegerichts (§ 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG, § 559 ZPO) besteht nicht. Neu vorgetragene Tatsachen, welche die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde betreffen, sind vom Rechtsbeschwerdegericht zu berücksichtigen. Dazu gehören insbesondere die Tatsachen, die zu einer Erledigung der Hauptsache während des Rechtsbeschwerdeverfahrens führen7.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 8. Mai 2012 – II ZB 17/11
- vgl. BGH, Beschluss vom 08.12.2011 – V ZB 170/11, WM 2012, 300 Rn. 5; Beschluss vom 03.12.1986 – IVb ZB 35/84, FamRZ 1987, 469; Beschluss vom 10.02.1983 – V ZB 18/82, BGHZ 86, 393, 395; OLG München, AG 2006, 590, 591[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 25.11.1981 – IVb ZB 756/81, NJW 1982, 2505, 2506; Beschluss vom 10.10.2010 – V ZB 78/10, FGPrax 2011, 39[↩]
- vgl. KG, NZG 2003, 441, 442; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 122 Rn. 67; Noack/Zetzsche in KK-AktG, 3. Aufl., § 122 Rn. 110; Reger in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 122 Rn. 22; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl., Rn. B 125; Wagner, ZZP 1992 [105], 294, 300[↩]
- KG, NZG 2003, 441, 443; Rieckers in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 122 Rn. 1; MünchKomm-AktG/Kubis, 2. Aufl., § 122 Rn. 1[↩]
- RGZ 170, 88, 93 zur Genossenschaft; OLG Düsseldorf, ZIP 1997, 1153, 1158[↩]
- Noack/Zetzsche in KK-AktG, 3. Aufl., § 122 Rn. 124; Rieckers in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 122 Rn. 68; MünchKomm-AktG/Kubis, 2. Aufl., § 122 Rn. 64; MünchKomm-AktG/Hüffer, 3. Aufl., § 241 Rn. 29; Werner in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 122 Rn. 85; K. Schmidt in Großkomm. AktG, 4. Aufl., § 241 Rn. 45; Butzke in Obermüller/Werner/Winden, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl., Rn. B 127; Wagner, ZZP 1992 [105], 294, 303[↩]
- BGH, Beschluss vom 31.03.2011 – V ZB 83/10, juris Rn. 7; Keidel/MeyerHolz, FamFG, 17. Aufl., § 74 Rn. 39, 41; Unger in SchulteBunert/Weinreich, FamFG, 3. Aufl., § 74 Rn.20, 23[↩]
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