Der Geschäftsführer einer GmbH haftet einem Anleger, der sich als stiller Gesellschafter an der GmbH beteiligt hat, nur in Ausnahmefällen persönlich auf Schadensersatz wegen unzureichender Auskünfte bei Zeichnung der Anlage.

Auskunftsanspruch[↑]
Der stille Gesellschafter hat gegen den GmbH-Geschäftsführer keinen Anspruch wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten (§ 311 Abs. 2, 3 BGB) oder wegen Verletzung von Pflichten aus einem Auskunftsvertrag.
Der stille Gesellschafter hat nicht mit dem GmbH-Geschäftsführer, sondern mit der GmbH einen Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft geschlossen, §§ 230 ff. HGB (stille Beteiligung). Dabei kann unterstellt werden, dass der stille Gesellschafter während der drei Beratungsgespräche – bei denen streitig ist, ob und wann er selbst teilgenommen hat und wann nur seine Mutter – auch einen zusätzlichen Auskunftsvertrag mit der GmbH, für die der Geschäftsführer stets auftrat, geschlossen hat1. Ersatzansprüche wegen unzureichender Auskünfte richten sich aber grundsätzlich nur gegen die GmbH. Dasselbe gilt für Ansprüche aus § 311 Abs. 3 BGB. Auch hier haftet regelmäßig nur, wer Vertragspartner ist oder werden soll2.
Eigens (vor)vertragliches Verhältnis[↑]
Ein eigenes (vor)vertragliches Verhältnis mit dem stillen Gesellschafter hat der Geschäftsführer nicht begründet. Die ausnahmsweise Eigenhaftung des Vertreters erfordert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entweder die Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertrauens oder ein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse des Vertreters an dem Zustandekommen des Rechtsverhältnisses, so dass er wirtschaftlich betrachtet gleichsam in eigener Sache verhandelt3. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
Wirtschaftliches Eigeninteresse[↑]
Für die Bejahung der Eigenhaftung des Geschäftsführers einer GmbH unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Eigeninteresses reichen weder eine maßgebliche Beteiligung an der Gesellschaft noch die Stellung von Sicherheiten für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus4. Es müssen vielmehr noch andere qualifizierende Umstände hinzukommen, die nach Auffassung der Literatur allerdings „nur selten vorliegen dürften„5.
Im Streitfall liegen solche Umstände nicht vor. Zwar betont der stille Gesellschafter „das Argument eigener Geldanlage“ und spricht von „eigenen Investitionen“ des Geschäftsführers von 100.000 EUR. Insoweit gilt aber entsprechendes wie in Fällen, in denen der Geschäftsführer Sicherheiten für die GmbH stellt. Das ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine tragfähige Grundlage für eine persönliche Haftung des Geschäftsführers6: „Der Einsatz von Vermögensteilen für Zwecke der Gesellschaft ist mit dem Risiko behaftet, bei ungünstiger Entwicklung des von dieser betriebenen Unternehmens verlorenzugehen. Hierin erschöpft sich dieses Risiko“. Darüber hinaus würde selbst die persönliche Vereinnahmung von Provision – dafür gibt es im Streitfall keinen Anhalt – kein hinreichendes wirtschaftliches Eigeninteresse begründen7. Dahinstehen kann, dass in der Literatur das Kriterium „wirtschaftliches Eigeninteresse“ vielfach ohnehin als bloße „Durchgriffserwägung“ und wenig tauglich angesehen wird, um eine Eigenhaftung des Geschäftsführers zu begründen8.
Besonderes persönliches Vertrauen[↑]
Eine Haftung des Geschäftsführers wegen der Inanspruchnahme eines besonderen persönlichen Vertrauens kommt in Betracht, wenn er entweder eine zusätzliche gerade von seiner Person ausgehende Gewähr für die Erfüllung des in Aussicht genommenen Rechtsgeschäfts bietet und übernimmt, oder wenn dem Geschäftsführer ein „typisiertes Vertrauen“ entgegengebracht wird, das sich aus einer Garantenstellung herleitet. Das besondere Vertrauen muss aber über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehen9. Die Annahme, der Vertreter habe Vertrauen für sich und nicht nur für seinen Geschäftsherrn in Anspruch genommen, lässt sich nach Auffassung des Bundesgerichtshofs „grundsätzlich nur rechtfertigen, wenn jener nicht nur auf seine besondere Sachkunde verweist, sondern dem Kunden zusätzlich in zurechenbarer Weise den Eindruck vermittelt, er werde persönlich mit seiner Sachkunde die ordnungsgemäße Abwicklung des Geschäfts selbst dann gewährleisten, wenn der Kunde dem Geschäftsherrn nicht oder nur wenig vertraut oder sein Verhandlungsvertrauen sich als nicht gerechtfertigt erweist. Für den Geschäftsführer einer GmbH, der für diese als gesetzlicher Vertreter handelt, kann nicht deshalb etwas anderes gelten, weil das Vertrauen in eine juristische Person weitgehend an die natürlichen Personen, die für sie handeln, anknüpft. Dem steht die gesetzliche Haftungsordnung bei der GmbH (§ 13 Abs. 1 und 2 GmbHG) entgegen, die nicht durch eine Ausweitung der Haftung ihrer gesetzlichen Vertreter aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen umgangen werden darf. Wer mit einer GmbH in geschäftlichen Kontakt tritt, muss davon ausgehen, dass auch die Verpflichtungen aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis, das durch Handeln eines gesetzlichen Vertreters der Gesellschaft bei der Anbahnung von Vertragsverhandlungen entsteht, grundsätzlich nur die vertretene Gesellschaft treffen„10.
Das gilt auch im Streitfall. Eine andere Beurteilung ist selbst dann nicht gerechtfertigt, wenn der handelnde Geschäftsführer der GmbH – wie hier nicht – etwa ihr Alleingesellschafter ist10.
Anders kann der Fall zwar dann liegen, wenn der Geschäftsführer aufgrund persönlicher Beziehungen zum Anleger einen entsprechenden Vertrauenstatbestand schafft11 oder bei einer „Erklärung im Vorfeld einer Garantiezusage“ bzw. einer „garantieähnlichen Erklärung„12. Erforderlich ist aber, dass der Dritte, dem Vertrauen in die Gesellschaft fehlt, stattdessen gerade darauf vertrauen kann und vertraut, dass der Geschäftsführer selbst die ordnungsgemäße Geschäftsabwicklung gewährleistet, dass dem Geschäftsführer dieser Umstand bekannt ist, und dass er sich auf diesen Umstand auch beruft, um den Dritten zum Geschäftsabschluss zu bewegen13. Im Streitfall liegen diese Voraussetzungen aber nicht vor. Der Geschäftsführer hatte keine persönlichen Beziehungen zu dem stillen Gesellschafter; dieser hat sich nicht an ihn gewandt, weil er zu ihm besonderes Vertrauen hatte. Vielmehr hatte die Mutter des stillen Gesellschafters auf einer Veranstaltung der Zeugen Jehovas von ihrer Bekannten Frau C… erfahren, „dass sie eine gute Anlage weiß“; sodann wandte sich die Mutter des stillen Gesellschafters an einen weiteren Bekannten, Herrn Fe…, der dann für sie einen Termin mit dem GmbH-Geschäftsführer ausmachte. Bei den insgesamt drei Gesprächen ist es nicht zu einer „garantieähnlichen Erklärung“ im obigen Sinne gekommen. Das geben die Zeugenaussagen nicht her. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das selbständige Garantieversprechen als Vertrag eigener Art im Sinne des § 305 BGB dadurch gekennzeichnet, dass sich der Garant verpflichtet, für den Eintritt eines bestimmten Erfolges einzustehen und die Gefahr eines künftigen Schadens zu übernehmen. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Geschäftsführer in seiner Eigenschaft als Mitgesellschafter die Gewähr für die Erfüllung sämtlicher Forderungen des Gläubigers der GmbH in der Weise übernommen hat, dass er bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der GmbH die dafür benötigten Geldmittel nachschießt14. Entsprechende Erklärungen hat der Geschäftsführer nicht abgegeben. Dass er „gut reden“ konnte, reicht nicht, ebensowenig dass er selbst von dem Konzept der GmbH „begeistert“ war.
Das Landgericht Osnabrück15 lässt zwar genügen, dass der Geschäftsführer einer GmbH dem Anleger im Gespräch sympathisch und vertrauenerweckend schien und auf seine jahrelange erfolgreiche Tätigkeit bei der GmbH verwies. Das steht aber nicht im Einklang mit der zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, sondern geht erkennbar zu weit.
Soweit der stille Gesellschafter moniert, der Geschäftsführer habe mündlich nicht auf das Risiko des Totalverlusts der Einlage (und das eines „Zinsverlusts“) hingewiesen, sondern dieses verharmlost, handelt es sich um Umstände, die bei der Frage einer Pflichtverletzung bedeutsam sein könnten, die aber nicht eine persönliche Haftung des Geschäftsführers zu begründen vermögen.
Prospekthaftung[↑]
Der stille Gesellschafter hat gegen den GmbH-Geschäftsführer auch keinen Anspruch aus sog. Prospekthaftung16. Es ist weder dargetan, dass der Geschäftsführer Prospektverantwortlicher ist noch dass überhaupt ein „Prospekt“ vorliegt.
Soweit sich der stille Gesellschafter erstinstanzlich auf die Anlage K 4 bezogen hat, handelt es sich nicht um einen Prospekt, sondern um eine Einladung zu einer Versammlung der stillen Gesellschafter am 11.11.2011. Der Vertrag vom 19.02.2010 ist kein „Prospekt“ und würde im Übrigen auch keine falschen Angaben enthalten. Insbesondere ergibt sich aus § 7 zutreffend, dass der stille Gesellschafter auch am Verlust der stillen Gesellschaft beteiligt ist.
Deliktische Haftung[↑]
Der stille Gesellschafter hat gegen den GmbH-Geschäftsführer auch keinen deliktischen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. einem Schutzgesetz wie etwa § 263 StGB oder aus § 826 BGB.
Soweit er erstinstanzlich pauschal behauptet hat, die GmbH sei eine „heiße Blase“ bzw. ein „Schneeballsystem“ gewesen, fehlt jeder konkrete Vortrag zu den objektiven und subjektiven Voraussetzungen einer entsprechenden Haftung. Auch die Beweisaufnahme hat weder ergeben, dass das Geschäftssystem der GmbH von vornherein auf Betrug ausgelegt war noch dass der Geschäftsführer davon ausgegangen ist. In der Berufung sind insoweit keine weiteren Ausführungen mehr erfolgt.
Auch die Voraussetzungen für eine sog. Durchgriffshaftung, die teils als besondere Fallgruppe des § 826 BGB angesehen wird17, sind weder dargetan noch ersichtlich.
Oberlandesgericht Stuttgart, Urteil vom 23. Februar 2016 – 1 U 97/15
- vgl. BeckOK BGB/Detlev Fischer, Ed. 37, § 675 Rn. 85[↩]
- BGH, Urteil vom 03.10.1989 – XI ZR 157/88 , NJW 1990, 389 12; Uwe H. Schneider/Crezelius in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl., § 43 Rn. 313; speziell für den Anspruch auf Schadensersatz des stillen Gesellschafters wegen Verschuldens bei Vertragsschluss vgl. auch BGH, Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 354/02 – DStR 2004, 1799, 1800; Kiethe, DStR 2005, 924, 928 unter 3.04.2[↩]
- BGH, Urteil vom 11.01.2007 – III ZR 193/05 , NJW 2007, 1362 9[↩]
- BGH, Urteil vom 06.06.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 15[↩]
- MünchKomm- BGB/Emmerich, 7. Aufl., § 311 Rn. 177[↩]
- BGH, Urteil vom 06.06.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 16[↩]
- BGH, Urteil vom 03.10.1989 – XI ZR 157/88 , NJW 1990, 389 16[↩]
- z.B. Karsten Schmidt, NJW 1993, 2934, 2935[↩]
- Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 311 Rn. 65[↩]
- BGH, Urteil vom 03.10.1989 – XI ZR 187/88, NJW 1990, 389 14[↩][↩]
- Altmeppen, ZIP 2001, 2201, 2210[↩]
- BGH, Urteil vom 06.06.1994 – II ZR 292/91, BGHZ 126, 18119; Palandt/Grüneberg aaO, § 311 Rn. 65[↩]
- Uwe H. Schneider/Crezelius aaO, § 43 Rn. 316[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 18.06.2001 – II ZR 248/99 , NJW-RR 2001, 1611 4[↩]
- LG Osnabrück, Urteil vom 31.10.2014 – 7 O 609/14[↩]
- vgl. Palandt/Grüneberg aaO, § 311 Rn. 67 ff.[↩]
- vgl. Palandt/Ellenberger aaO, vor § 21 Rn. 12 ff.[↩]